Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz

„KI-Systeme werden Einfluss auf alle Lebensbereiche nehmen“

Zwei Jahre, 38 Mitglieder, 25 Sitzungen: Das Ergebnis der Arbeit der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“, ein fast 800 Seiten langer Abschlussbericht (19/23700), stand am Donnerstag, 5. November 2020, im Zentrum einer einstündigen Debatte gleich zu Beginn der Plenarsitzung im Bundestag.

SPD: KI soll den Menschen in den Mittelpunkt stellen

Für Daniela Kolbe (SPD), Vorsitzende der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ (KI), genau die richtige Zeit und der richtige Platz für das Thema: „KI-Systeme prägen einige Wirtschafts- und Lebensbereiche bereits sehr stark, und es ist davon auszugehen, dass sie Einfluss auf alle Lebensbereiche nehmen werden“, betonte die SPD-Abgeordnete. In ihrer Arbeit hätten sich die 19 Sachverständigen und die 19 Abgeordneten in der Enquete-Kommission die unterschiedlichsten Lebensbereiche angesehen und seien „zu sehr konkreten Handlungsempfehlungen“ gekommen.

Kolbe appellierte an die Fachpolitiker, sich diese genau anzuschauen. „Wir wollen eine KI, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt“, sagte Kolbe. Daher brauche es KI-Systeme, die „etwas Sinnvolles tun“, die reale Probleme lösen und denen man vertrauen könne.

AfD: Abhängigkeit von außereuropäischen Tech-Riesen beenden

Peter Felser (AfD) monierte mit Blick auf die Dominanz US-amerikanischer und chinesischer Digitalunternehmen, Europa habe ein Souveränitätsproblem. „Von außereuropäischen Tech-Giganten abhängig zu sein, ist eine Katastrophe.“

Von den vielen Chancen der KI, die der Kommissionsbericht beschreibe, bleibe nicht viel, wenn Deutschland nicht den Status einer „digitalen Kolonie“ abstreife. Felser forderte, mittelständische Unternehmen vor Tech-Konzernen zu schützen.

CDU/CSU plädiert für „innovationsoffene Datenpolitik“

Nadine Schön (CDU/CSU) sprach sich für eine „innovationsoffene Datenpolitik“ aus. „Wir wollen weg von der Datensparsamkeit, hin zu Datensorgfalt mit Datenpools und Datentreuhändern.“ Nur sei es möglich, die Basis für den Aufbau und die Nutzung von KI-Systemen zu schaffen.

Es brauche einen Umgang mit Daten, der die Persönlichkeitsrechte schütze, aber dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnis nach KI gerecht werde, so Schön. Reguliert werden solle je nach „konkretem Anwendungskontext“. „KI ist nicht KI – es kommt sehr darauf an, wo sie eingesetzt wird.“

FDP: Mehr Zukunftsoptimismus und Technologieneutralität

Mario Brandenburg (FDP) signalisierte zwar grundsätzlich Zustimmung zum Abschlussbericht, ließ aber deutlich werden, dass sich seine Fraktion an einigen Punkten mehr erhofft hätte: „Mehr Zukunftsoptimismus, mehr Technologieneutralität“ – immer habe es den Versuch gegeben, „bestimmte gesellschaftliche Probleme und politische Wünsche“ auf die Technologie abzuwälzen.

„Das ist falsch! Bei allem Zauber, der der KI innewohnen mag – sie ist nur ein Werkzeug“, mahnte der Abgeordnete. „Sie kann nicht alle unsere Probleme lösen.“

Linke fordert ethische Standards für die Nutzung von KI

Dr. Petra Sitte (Die Linke) lenkte den Blick auf die Risiken der Nutzung von Künstlicher Intelligenz: KI-Systeme hätten einen „gesellschaftsverändernden Charakter“, stellte die Abgeordnete fest. Daher müssten sie auch gesellschaftlich und politisch kontrolliert werden. „Wenn wir unser künftiges Entscheiden und Handeln von KI beeinflussen lassen, ist es notwendig, unsere Souveränität zu erhalten“, unterstrich sie.

Und dazu brauche es den Zugriff auf die Algorithmen. Um in Zukunft die Balance zwischen dem Gemeinwohl und ökonomischen Interessen zu halten, seien zudem „verbindliche, ethische Standards für KI-Systeme dringend notwendig“, sonst könnten individuelle Rechte beschnitten werden und sich soziale Ungleichheiten verschärfen.

Grüne: Kl für Klimaschutz und gegen Pandemien nutzen

Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) warb dafür, das Potenzial von KI zum Wohl von „Mensch und Umwelt“ zu nutzen. Ob Klimaschutz oder Pandemiebekämpfung – KI-Systeme könnten einen Beitrag leisten, die Krisen des 21. Jahrhunderts zu entschärfen. „Künstliche Intelligenz kann Windkraft produktiver machen, vernetzte Mobilität Emissionen senken.“ Da KI aber auch „energiehungrig“ sei, müssten Rechenzentren mit grünem Strom arbeiteten, unterstrich die Abgeordnete.

Diese Beispiele belegen für Christmann, dass KI enorme Chancen biete, die genutzt werde müssten. Gleichzeitig müsse sichergestellt werden, dass KI nicht zu Krisen beitrage – das zeige der Blick in die USA. „Demokratien können fragil sein, und soziale Medien spielen dabei eine enorme Rolle“, warnte Christmann.

KI-Forschung braucht mehr Ressourcen

Neben den bereichsspezifischen Bestandsaufnahmen und jeweils zahlreichen Handlungsempfehlungen hat die Kommission in dem Bericht (19/23700) übergreifende Themenbereiche identifiziert, wie zum Beispiel die Bereiche „KI und Daten“, „KI und der Umgang mit Risiko“, „KI und Forschung“ und „KI und ökologische Nachhaltigkeit“.

Mit Blick auf Daten fordert die Kommission unter anderem den Aufbau einer europäischen Infrastruktur und verweist auf die GAIA-X-Pläne. Zudem soll Unternehmen der Zugang zu und das Teilen von Daten erleichtert werden, was aus Sicht der Kommission mögliche Anpassungen im Kartellrecht sowie im Wettbewerbsrecht erfordert. Aus Sicht der Enquete-Kommission muss zudem die KI-Forschung mit mehr Ressourcen ausgestattet und der Transfer von Forschung in die Anwendung verbessert werden. 

„Anwendungen für Umwelt und Klima ausbauen“

Hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit KI schlägt die Kommission unter anderem der Bundesregierung vor, die in ihrer KI-Strategie angestrebte Förderung von Anwendungen zum Nutzen von Umwelt und Klima ambitioniert auszubauen und umzusetzen. Zudem empfiehlt die Kommission, die Datenbasis zu positiven und negativen Effekten von KI-Anwendungen auf den Energieverbrauch zu verbessern.

Zu dem unter dem Stichwort Bias diskutierten Risiko diskriminierender KI-Anwendung empfiehlt die Kommission, den Transfer bereits bestehender Forschungserkenntnisse zu Diskriminierungserkennung und -vermeidung in den Software-Entwicklungsalltag zu fördern. Individuen müssten zudem in die Lage versetzt werden, sich gegen Diskriminierung durch KI zu wehren. „Um dies sicherzustellen braucht es, wenn KI über Menschen urteilt, einen Anspruch auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen, damit eine gerichtliche Überprüfung automatisierter Entscheidungen möglich ist“, heißt es in dem Bericht. (sas/scr/05.11.2020)

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