Befragung der Bundesregierung

Christine Lambrecht: Kinder besser vor se­xua­li­sierter Gewalt schützen

Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus, neue Befugnisse für den Verfassungsschutz, bezahlbares Wohnen – es war ein breites Spektrum von Themen, zu denen die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Christine Lambrecht (SPD), am Mittwoch, 4. November 2020, in der Regierungsbefragung des Bundestages Stellung genommen hat. Zu Beginn der einstündigen Befragung durch die Abgeordneten hatte die Justizministerin zunächst noch einmal Kernpunkte des von ihr vorgelegten Gesetzesentwurfs gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder erläutert und gegen Kritik verteidigt.

Ministerin: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder besser verhindern

So betonte Lambrecht, sie habe mit ihrem Gesetzentwurf, der unter anderem längere Freiheitsstrafen für die Verbreitung von Kinderpornografie vorsieht, bewusst zwei Ansätze verbunden, um „unfassbare Fälle von Kindesmissbrauch“ zu besser zu verfolgen und Kinder vor solchen Gewalttaten besser zu schützen. Ziel sei einerseits eine effektivere Strafverfolgung, andererseits mehr Prävention und eine bessere Qualifizierung der Justizbehörden.

Wichtig sei zudem gewesen, das Unrecht der Taten klar zu benennen, betonte die Ministerin. So solle im Strafgesetzbuch nicht mehr von „sexuellem Missbrauch von Kindern“, sondern von „sexualisierte Gewalt gegen Kinder“ gesprochen werden. „Es soll das klar zum Ausdruck gebracht werden, was den Kindern angetan wird. Das ist Gewalt“, sagte die Ministerin.

Besitz von Kinder-Sexpuppen soll strafbar werden

Lambrecht verteidigte in diesem Zusammenhang ihr Vorhaben, auch den Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild zu verbieten. Ihr seien keine Gutachten bekannt, die bewiesen, dass solche Puppen dazu beitragen könnten, sexualisierte Gewalt zu vermeiden – oder aber im Gegenteil Täter zu einer solchen Straftat zu verleiten, räumte die SPD-Politikerin ein.

Angesichts dieser Gemengelage gehe der Schutz von Kindern aber vor. Deswegen halte sie daran fest, den Besitz von Sexpuppen unter Strafe zu stellen. Bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sind dafür vorgesehen.

AfD fordert stärkere Bekämpfung des Islamismus

Stephan Brandner (AfD) hielt der Ministerin angesichts neuer islamistischer Anschläge vor, mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus einseitig nur rechtsextreme Taten in den Blick zu nehmen. „Jeder Extremismus muss bekämpft werden“, forderte der Abgeordnete und wollte wissen, was die Bundesregierung gesetzgeberisch plane, um auch den „extrem gefährlichen Islamismus“ in den Blick zu nehmen.

Lambrecht wies den Vorwurf zurück, gegenüber dem Islamismus „blind“ zu sein. Extremismus müsse in jeder Form bekämpft werden. Dazu sei unter anderem geplant, die Ermittlungen auf europäischer Ebene zu erleichtern – etwa mit der sogenannten e-Evidence-Richtlinie, die den grenzüberschreitenden Zugriff auf elektronische Daten als Beweismittel ermöglichen soll.

FDP fragt nach mehr Personal für das BKA

Manuel Höferlin (FDP) fragte ebenfalls nach dem geplanten Gesetz zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus. Dieses habe der Bundespräsident mit dem Hinweis auf nicht verfassungskonforme Regelungen bislang nicht unterschrieben. „Haben Sie im Zuge des geplanten Reparaturgesetzes auch mit dem Innenminister über die geplante Meldepflicht für Social-Media-Anbieter gesprochen?“, wollte der Abgeordnete wissen. Diese halte seine Fraktion ebenfalls für verfassungswidrig. Zudem sei offenbar gar nicht genügend Personal für das Bundeskriminalamt (BKA) vorgesehen, um die Vielzahl von Meldungen zu bearbeiten.

Lambrecht stellte klar, dass nicht das Gesetz gegen Hasskriminalität reparaturbedürftig sei, sondern nur Regelungen aus dem Telekommunikationsgesetz und aus dem Telemediengesetz. Diese stünden durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts infrage. Was den Mehraufwand für die Ermittler angehe, so werde das BKA natürlich mit Personal ausgestattet, so die Ministerin.

CDU/CSU dringt auf Neuregelung im Pauschalreiserecht

Paul Lehrieder (CDU/CSU) erkundigte sich nach der geplanten Reform des Pauschalreiserechts. Die bisherige „Versicherungslösung“ sei nicht ausreichend, das habe die Thomas-Cook-Pleite im vergangenen Jahr gezeigt, so der Abgeordnete. Zwar sei das Finanzministerium eingesprungen und habe Rückzahlung von Kundengeld-Anzahlungen an die Geschädigten geleistet. Doch es brauche eine Neuregelung, sagte Lehrieder und drang auf eine baldige Umsetzung der geplanten Insolvenzabsicherung im europäischen Pauschalreiserecht.

Lambrecht verwies in ihrer Antwort auf ein Treffen mit dem Bundeswirtschaftsminister am gleichen Tag. Mehrere Varianten zur Lösung des Problems seien bereits diskutiert worden, dabei habe sich die Fonds-Lösung durchgesetzt. Mit Peter Altmaier wolle sie nun über die konkrete Ausgestaltung beraten.

Grüne wollen Vorkasse bei Flügen beschränken

Tabea Rößner (Bündnis 90/ Die Grünen) warf hier angesichts weiterer „milliardenschwerer“ Hilfen für Touristikkonzerne und Flughäfen ein, es dürfe nicht vergessen werden, dass im Oktober noch 650.000 Flugreisende auf Erstattungen warteten. „Müsste nicht endlich auch die Vorkasse bei Flügen beschränkt werden, um die Flugreisenden und den Steuerhaushalt zu entlasten?“, fragte die Abgeordnete.

Lambrecht erwiderte, Reiseunternehmen müssten planen können. „Erst am Reisetag zu zahlen, ist sicher nicht möglich, so können Veranstalter auch nicht entsprechende Hotelkapazitäten vorhalten.“ Dennoch signalisierte die Ministerin auch Zustimmung: „Die Fristen müssen überdacht werden, da gebe ich Ihnen recht.“

SPD erkundigt sich nach Baulandmobilisierungsgesetz

Mechthild Rawert (SPD) wollte von der Ministerin wissen, wie die Bundesregierung in ihrem Bemühen für „mehr bezahlbaren Wohnraum“ verhindern wolle, dass die „Generaltatbestände“ zur Umwandlung doch zur Verdrängung von Mietern missbraucht würden.

Lambrecht verwies hier auf einen aktuellen Kabinettsbeschluss zum geplanten Baulandmobilisierungsgesetz: Um die Verdrängung Mietern zu erschweren, solle künftig die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden. In Gebieten mit hohen Mieten und knappem Wohnraum sollten die örtlichen Behörden einer Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zustimmen müssen, so die Ministerin.

Linke fragt nach Kündigungsmoratorium für Mieter

Niema Movassat (Die Linke) erkundigte sich, ob die Bundesregierung vor dem Hintergrund des erneuten Lockdowns ein zweites Kündigungsmoratorium plane, um gerade kleinen Einzelhändlern und Kulturbetrieben zu helfen.

Lambrecht machte in ihrer Antwort deutlich, dass sie sich innerhalb der Koalition für ein solches Moratorium eingesetzt habe, aber nicht erfolgreich gewesen sei. Mit den November-Hilfen, nach den 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresmonat zu erstattet werden sollen, trage die Bundesregierung aber dennoch dazu bei, Kündigungen zu vermeiden, weil Mieter ihre Pacht nicht begleichen könnten. (sas/04.11.2020)

Vor der Regierungsbefragung hatte der Bundestag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion die Tagesordnungen der Plenarsitzungen vom 4. bis 6. November genehmigt, nachdem vorab zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen darüber hergestellt werden konnte. (sas/04.11.2020)

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