Aktuelle Stunde

Fraktionen treten für ein Offen­halten der Schulen ein

Auf Antrag der Fraktion Die Linke hat sich der Bundestag am Donnerstag, 19. November 2020, in einer Aktuellen Stunde mit der Situation in den Schulen während der Corona-Pandemie auseinandergesetzt. Die Linke fordert, die Mangelwirtschaft in der Bildung zu beenden. Die Schulen sollen in der Pandemie mehr Unterstützung bekommen (19/24450).

Linke: Wir haben einen riesigen Investitionsstau

Birke Bull-Bischoff (Die Linke) sagte: „SOS kommt aus allen Klassenzimmern und allen Kanälen.“ Es sei die Mangelwirtschaft an so vielen Schulen, die Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern das Leben extrem schwer mache. Aufgrund des Mangels an Personal würden sich viele gegen die Teilung von Klassen stemmen. Oftmals gebe es keine vernünftige Ausstattung, Toiletten würden nicht funktionieren, Fenstergriffe fehlen, Materialen seien unzureichend vorhanden.

Besonders wichtig sei derzeit aber die Anschaffung mobiler Lüftungsgeräte. Bull-Bischoff rechnete vor, dass an gerade Mal 14 von 32.000 Schulen in Deutschland diese Geräte gefördert würden. Bull-Bischoff sagte: „Es sind die jahrelangen Sparorgien, die uns genau in diese Mangelwirtschaft geführt haben.“ Sie forderte die Bundesregierung auf, mehr in Schulen und Kitas zu investieren. „Wir haben einen riesigen Investitionsstau.“

Regierung: 300.000 Schüler in Quarantäne

Thomas Rachel (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, rechnete vor, dass aktuell 300.000 Schüler in Quarantäne seien. Umgekehrt heiße das, dass 95 Prozent der Kinder ganz normal in die Schule gehen – unter Beachtung der bekannten Abstandsregeln. Er plädierte dafür, die Schulen während der Pandemie offenzulassen, so lange es verantwortbar sei. Familie sollten sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder in den Schulen gut und verlässlich betreut werden, vor allem die kleineren Kinder. Gerade deshalb würden die Kontakte in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens reduziert und anderen Gruppen in der Gesellschaft erhebliche Einschränkungen zugemutet.

Man habe aus der ersten Welle im Frühjahr gelernt. Heute sei man in einer anderen Situation. Die Bundesländer hätten einen Stufenplan beschlossen, der je nach dynamischem Infektionsgeschehen angepasst werden könne. Die erste Stufe sehe einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen vor, die zweite Stufe einen eingeschränkten Regelbetrieb, die dritte ein Wechselmodell mit Teilung von Lerngruppen und Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht und die vierte Distanzunterricht. Er unterstrich, dass die Kinder zwar keine Treiber des Infektionsgeschehens seien, sie aber trotzdem einen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen hätten. Das gelte vor allem für die Zehn- bis 19-Jährigen.

AfD: Klassen sind viel zu groß

Dr. Götz Frömming (AfD) lobte die Linksfraktion dafür, dass sie das Thema zur Debatte im Plenum angestoßen hat. Allerdings würden die Schuldzuweisungen an die Bundesregierung schnell auf Die Linke zurück fallen, da sie sowohl in Thüringen als auch in Berlin an der Regierung beteiligt sei. Auch Frömming trat für das weitere Offenhalten von Schulen ein. Grundsätzlich kritisierte er, dass die Klassen viel zu groß seien. Das zu ändern, sei seit Jahrzehnten versäumt worden. Es würden zudem immer noch nicht genügend Lehrer eingestellt.

Auch der Digitalpakt, den die Bundesregierung beschlossen hat, helfe derzeit nicht weiter. Zugleich wandte er sich gegen den im Raum stehenden Vorschlag, dass Kinder sich entscheiden sollten, sich nur noch mit einem Freund zu treffen. Er sagte: „Ich weiß schon, dass der Vorschlag auch auf Druck der Kultusministerkonferenz zurückgenommen wurde. Aber das zeigt schon, welche Gedankenspiele hier möglich geworden sind.“ Frömming unterstrich, Schulen seien kein Hotspot für die Ausbreitung der Pandemie.  

SPD: Geschlossene Schulen eine krasse Überforderung

Auch Saskia Esken (SPD) verwahrte sich gegen Schulschließungen. Man dürfe nicht zulassen, dass die Bildungschancen von Kindern die Verlierer der Pandemiebekämpfung sind. Sie sagte: „Geschlossene Schulen sind doch nichts anderes als verschlossene Lebens- und Bildungswege.“ Geschlossene Schulen seien schwere psychische Belastungen für Kinder und deren Familien und eine „krasse Überforderung“. Hinzu komme, dass Schulschließungen oftmals  gleichbedeutend mit  Betriebsschließungen seien, weil Eltern nicht arbeiten können.

Gleichwohl werde man  nur erfolgreich sein, wenn man die Realität der Pandemie anerkenne. Gerade ältere Schüler seien zunehmend infektiös, könnten nicht nur Mitschüler und Geschwister, sondern auch Lehrkräfte, Eltern und Großeltern anstecken. Bildungsgerechtigkeit und Gesundheitsschutz seien aber kein Widerspruch, „sondern wir können sie zusammenbringen“. Als Lösungsvorschläge nannte sie halbierte Lerngruppen und einen Wechsel von Präsenz- und Digitalunterricht. Dadurch könne das Infektionsrisiko massiv gesenkt werden.

FDP: Dramatische Auswirkungen auf Eltern und Kinder

Katja Suding (FDP) betonte, dass neben der Ansteckungsgefahr die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie die Menschen belaste. Die Auswirkungen auf Kinder und Eltern seien dramatisch: „Wir erinnern uns noch sehr gut und sehr schmerzhaft an das bundesweite Unterrichtsdesaster, das wir zu Beginn der Corona-Pandemie erlebt haben.“ Die allerersten Schließungen seien sicherlich angemessen gewesen, aber die Schulen dann über Monate geschlossen zu halten, sei „damals ein riesengroßer Fehler“ gewesen.

Die Schüler hätten etwa ein Drittel des Lernstoffs des vergangenen Schuljahres verpasst. Das werde sie über ihr Berufsleben gerechnet drei bis vier Prozent ihres Erwerbseinkommens kosten. Aber auch Eltern hätten gelitten. Wenn Schulen schließen, falle für viele Kinder ihr so wichtiger Kontakt zu Lehrkräften und Mitschülern weg. Das könne gerade für von Gewalt bedrohte Kinder schlimme Folgen haben.

Grüne: Kitas und Schulen offenhalten

Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte ebenfalls dafür, Kitas und Schulen offenzuhalten. Die Schulschließungen in der ersten Welle der Pandemie hätten drastisch vor Augen geführt, was Schulschließungen bedeuten. Je jünger Kinder seien, desto drastischer seien die Folgen, desto mehr würden Bildungschancen geschmälert. Die steigenden Infektionszahlen nährten jedoch Zweifel, dass Kinder weniger infektiös seien als Erwachsene. Oftmals werde die Infektion bei den Kindern nicht erkannt. Das erhöhe die Ansteckungsgefahr und erschwere die Nachverfolgung und die Eindämmung der Pandemie.

Über den Sommer sei es sträflich versäumt worden, die Schulen auf eine zweite Welle vorzubereiten. Die erarbeiteten Maßnahmen reichten nicht mehr aus, um die Infektionszahlen in Schulen einzudämmen. Stumpp forderte 500 Millionen Euro für ein Förderprogramm für mobile Luftfilter. Die mobilen Luftfilter könnten die Virenlast deutlich reduzieren. Nach dem Willen der Grünen sollten die 500 Millionen Euro ausschließlich in finanzschwachen Kommunen eingesetzt werden.

CDU/CSU will mehr Planungssicherheit für Schulen 

Dr. Dietlind Tiemann (CDU/CDU) forderte mehr Planungssicherheit für die Schulen. Die Verunsicherung sei groß. Auch sie trat dafür ein, so lange es verantwortbar ist, Schulen offenzuhalten und plädierte hierbei für ein Handeln in Verantwortung.

Es gebe noch viele Möglichkeiten, die nicht ausgeschöpft seien. Unter anderem nannte sie Block- und Schichtunterricht. Sie sagte: „Es geht um unseren Nachwuchs, es geht um die Kinder und Jugendlichen, es geht um die Zukunft unserer Bundesrepublik.“ (rol/19.11.2020)

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