Opposition rügt Personalmangel und Reformstau im Justizwesen
Über die Schwerpunkte im Bereich der Justiz und des Verbraucherschutzes informierte Bundesministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag, 1. Oktober 2020, in der Bundestagsdebatte über den Etatentwurf für ihr Ressort (19/22600). Die im Haushalt vorgesehenen Ausgaben seien gut angelegt, sagte Lambrecht. Mit diesen im Verhältnis zu anderen Ministerien bescheidenen Mitteln würden wichtige Fragen angegangen und Lösungen geboten.
Der Einzelplan 07 des Bundeshaushalts, der Ausgaben in Höhe von 952,17 Millionen Euro (2020: 919,73 Millionen Euro) und gleichzeitig Verwaltungseinnahmen in Höhe von 624,49 Millionen Euro (2020: 614,49 Millionen Euro) vorsieht, soll nach den bis Freitag, 2. Oktober 2020, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Kampf gegen Hass und sexualisierte Gewalt
Bei der zeitgemäßen Rechtspolitik ihres Hauses gehe es vor allem um den Schutz der Demokratie, die Sicherheit der Kinder, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagte Lambrecht. Konkret sei der Kampf gegen Hass im Netz aufgenommen worden, denn der freie Meinungsaustausch werde bedroht. Anpassungen des Gesetzes gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, die infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts notwendig seien, würden nun sehr zügig vorgenommen. Dies sei man den Opfern von Hass und Hetze schuldig.
Um das Leben der Menschen in Deutschland zu verbessern, müssten auch die Kinder konsequenter geschützt werden, sagte Lambrecht. Dabei liege das Augenmerk auf dem Kampf gegen die sexualisierte Gewalt an Kindern. Diese Gräueltaten würden strenger bestraft. Zudem werde der Verfolgungsdruck massiv erhöht. Den Ermittlern werde auch die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, die Vorratsdatenspeicherung zu nutzen, soweit es mit deutschem und europäischen Recht vereinbar sei.
CDU/CSU: Gewaltmonopol des Staates sichern
Thorsten Frei (CDU/CSU) betonte in seiner Rede, die Menschen hätten die klare Erwartung, dass alles dafür getan werde, dass sie in möglichst großer Sicherheit leben könnten. Dazu gehöre der bessere Schutz der Kinder. Der Gesetzentwurf des Justizministeriums sei ein Quantensprung, sagte Frei. Man könne aber noch mehr tun. Weitere Herausforderungen seien der Kampf gegen Kriminalität im Internet. Die Gesetzgebung in diesem Bereich sei nicht mehr zeitgemäß und müsse angepasst werden. Auch die organisierte Kriminalität müsse stärker bekämpft werden.
Frei betonte, die wichtigste Voraussetzung für ein sicheres Leben sei das Gewaltmonopol des Staates und der Gewaltverzicht des Einzelnen. Der Staat dürfe daher nirgendwo eine Leerstelle lassen. Das Gewaltmonopol dürfe nicht ausgehöhlt werden.
FDP dringt auf „Digitalisierung der Justiz“
Ulla Ihnen (FDP) erklärte, der Justizhaushalt sei zwar einer der kleinsten im Bundeshaushalt, die Justiz sei jedoch ein fundamentaler Faktor der Demokratie. Mit dem Etat müsse sichergestellt sein, dass der Rechtsstaat gut funktioniere und gute Rechtspolitik gemacht werde.
Auch wenn die Justiz überwiegend gut funktioniere, so gebe es doch Verbesserungsbedarf, sagte Ihnen mit Verweis auf den EU-Rechtsstaatsbericht. So dauerten Gerichtsverfahren viel zu lange und viele Stellen im Justizministerium seien nicht besetzt. Eine weitere Priorität sei die Digitalisierung der Justiz. Der Rechtsstaat müsse für die Zukunft fit gemacht werden. Dafür würden noch viele Anstrengungen gebraucht.
Linke sieht Gerichte überlastet
Victor Perli (Die Linke) erklärte, in einem sozialen Rechtsstaat müsse der Schutz der Bürgerinnen und Bürger eine größere Rolle spielen als in dem Haushaltsentwurf. Der Bundestag müsse dafür sorgen, dass nicht der Kontostand über Recht haben und Recht bekommen entscheidet. Um den Rechts- und den Verbraucherschutz zu stärken, müssten ausreichend Mittel für eine gute Schuldnerberatung zur Verfügung stehen.
Angesichts der Tatsache, dass die Gerichte chronisch überlastet seien, müsse die Justiz entlastet werden. Straftaten wie Fahren ohne Fahrschein oder Cannabis-Konsum sollten als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Den Gerichten bleibe sonst keine Zeit für wirkliche Kriminalität wie Steuerhinterziehung oder Geldwäsche.
Grüne bemängeln „Reformstau im Wirtschaftsrecht“
Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Corona-Krise habe die Schwächen des Rechtsstandorts Deutschland gnadenlos offengelegt. Selbst bei den obersten Bundesgerichten könne von einer Digitalisierung nicht die Rede sein. Beim kollektiven Rechtsschutz hinke Deutschland den anderen EU-Mitgliedstaaten hinterher.
Rottmann warf der Koalition vor, sich durch Provisorien zu hangeln. Im Wirtschaftsrecht gebe es einen gigantischen Reformstau. Verantwortlich dafür sei die SPD, die das Justizministerium schlecht behandle und es als Karrieresprungbrett nutze. Bei der Union begreife ein wesentlicher Teil nicht, dass Marktwirtschaft ohne einen durchsetzungsfähigen Rechtsstaat nicht funktioniere.
AfD wirft Ministerium ideologisches Handeln vor
Stephan Brandner (AfD) warf dem Justizministerium ideologisches Handeln vor. Es tue alles Mögliche, nur nicht den Rechtsstaat stärken und die Freiheits- und Bürgerrechte verteidigen. Vielmehr gebe es sich her für ideologische Spinnereien jeglicher Art. So mache sich Ministerin Lambrecht in Zeiten der Corona-Krise und anderer Herausforderungen Gedanken darüber, wie im Familienrecht Mutter 1 und Mutter 2 behandelt werden sollen.
Der Kampf gegen Rechts sei ein „Krampf gegen Rechts, der alles Bürgerliche, alles Patriotische und alles Vernünftige vernichten möchte“, sagte Brandner. Das Gesetz gegen Hass und Hetze sei zudem verfassungswidrig.
SPD: Ordentliche Personalausstattung schaffen
Dr. Johannes Fechner (SPD) betonte, mit dem Justizetat werde ein klares Zeichen für einen starken Rechtsstaat für die Bürgerinnen und Bürger gesetzt. Zu einem Rechtsstaat gehöre, dass derjenige, der Recht hat, auch Recht bekommt. Was den kollektiven Rechtsschutz angehe, müsse Deutschland weiter vorankommen und mehr Möglichkeiten schaffen. Dafür würden weitere Mittel zur Verfügung gestellt.
Auch bei der Kriminalitätsbekämpfung habe man sich viel vorgenommen. Damit das von Ministerin Lambrecht vorgelegte umfassende Gesetzespaket auch tatsächlich wirkt, sei es erforderlich, dass bei den Behörden und den Gerichten genügend Personal vorhanden sei. Deswegen sei es gut, so Fechner, dass die Koalition bei den Bundesgerichten und vielen Behörden vorangehe und eine ordentliche Personalausstattung schaffe. Da sei man Vorbild für die Länder, sagte Fechner unter Hinweis auf den Pakt für den Rechtsstaat.
Personalausgaben sind Schwerpunkt
Den Schwerpunkt der Ausgaben des Justizministeriums stellen Personalausgaben dar. 593,24 Millionen Euro sind dafür eingeplant (2020: 579,3 Millionen Euro).
Für den Bundesgerichtshof sind 53,56 Millionen Euro vorgesehen (2020: 58,1 Millionen Euro), für das Bundesverwaltungsgericht 23,44 Millionen Euro (2020: 21,48 Euro Millionen Euro), für den Bundesfinanzhof 23,79 Millionen Euro (2020: 20,24 Millionen Euro) und für das Bundespatentgericht 16,76 Millionen Euro (2020: 14,17 Millionen Euro).
38,27 Millionen Euro für Verbraucherpolitik
Im Bereich der Verbraucherpolitik sieht der Einzelplan 07 Ausgaben in Höhe von 40,92 Millionen Euro vor (2020: 40,78 Millionen Euro). Zuschüsse an Verbrauchervertretungen sind in Höhe von 23,37 Millionen Euro vorgesehen (2020: 23,98 Millionen Euro).
Der Zuschuss an die Stiftung Warentest wird mit 1,9 Millionen Euro angegeben (2020: 2,1 Millionen Euro). Für Verbraucherinformationen stehen 8,34 Millionen Euro zur Verfügung (2020: 7,65 Millionen Euro). (mwo/hau/01.10.2020)