Grüne wollen „soziale Absicherung europaweit garantieren“
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte gemeinsame soziale Mindeststandards in der EU verankern und schlägt in einem Antrag (19/8287) unter anderem eine europäische Arbeitslosenbasisversicherung, die Einführung einer EU-Rahmenrichtlinie für Mindestlöhne und die Entwicklung einer europäischen Strategie zur Armutsbekämpfung vor. Bei den übrigen Fraktionen, mit Ausnahme der Linken, stießen die Grünen damit aber in der rund einstündigen Debatte am Donnerstag, 4. April 2019, auf wenig Gegenliebe.
CDU/CSU: Weg in eine Transferunion
Nach Ansicht von Katja Leikert (CDU/CSU) ebnen die Vorschläge den Weg in eine Transferunion. „Solidarität geht mit Eigenverantwortung einher“, betonte sie. Sie verwies auf den mit 90 Milliarden Euro ausgestatteten Europäischen Sozialfonds, der die sozialen Unterschiede in der EU ausgleichen solle. In der Strategie 2020 seien außerdem konkrete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung verankert.
Leikerts Fraktionskollege Philipp Amthor ergänzte, die Forderungen verstießen gegen EU-Recht sowie das Prinzip von Subsidiarität und Eigenverantwortung. Gute Sozialpolitik verteile keine „Sozialgeschenke“, sondern fördere Investitionen und Beschäftigung.
FDP: Zusammenhalt in Europa nicht gefährden
Carl-Julius Cronenberg (FDP) warnte davor, durch „Besserwisserei“ und Bevormundung den Zusammenhalt in Europa zu gefährden. Die EU erhebe keine Steuern, ihr fehle daher die demokratische Legitimation, in die nationalen Arbeits- und Sozialsysteme einzugreifen.
Besser als in die Souveränität der Staaten einzugreifen sei es, die Stärken des Binnenmarkts zu nutzen.
AfD: Sozialistische Verteilungsidee
Für die AfD nannte Martin Hebner den Inhalt des Antrags „apokalyptisch“. Ökonomisch schwächere Staaten sollten danach durch stärkere Mitgliedstaaten unterstützt und deutsche Sozialbeiträge in der EU verteilt werden.
„Das ist eine sozialistische Verteilungsidee, mit der wir in keiner Weise übereinstimmen.“ Hebner sprach in diesem Kontext von einer „Enteignung“ der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland.
Linke: Hohe Einkommen stärker besteuern
Alexander Ulrich (Die Linke) wies diesen Vorwurf zurück. Nicht deutsche Arbeitnehmer sollten für die notwendige Umverteilung in der EU aufkommen, sondern diejenigen mit hohem Einkommen und Vermögen.
Diese müssten endlich stärker besteuert werden – eine Forderung, die die Grünen in ihrem insgesamt guten Antrag noch mit aufnehmen sollten, wünschte sich der Linken-Abgeordnete.
Grüne: Für ein starkes Europa kämpfen
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) sieht die Ursache für das Erstarken nationalistischer Parteien auch in einem fehlenden sozialen Zusammenhalt in der EU. „Wir müssen für ein starkes Europa kämpfen“, forderte er.
Dafür müsse man die Herzen der Menschen erreichen. Er warf der Großen Koalition vor, entsprechende Vorhaben im Koalitionsvertrag bisher nicht umgesetzt zu haben.
Würdevolles Leben für alle
Ziel der Grünen ist es, die EU-Verträge um eine soziale Fortschrittsklausel zu ergänzen, um den sozialen Rechten im EU-Recht den gleichen Stellenwert einzuräumen wie den wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts. Die Bundesregierung solle sich dafür auf europäischer Ebene aktiv einsetzen, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag. Sie fordern außerdem die Entwicklung einer europäischen Strategie zur Armutsbekämpfung, vor allem gegen Kinderarmut und die Einführung jeweils einer EU-Rahmenrichtlinie für die Grundsicherungssysteme in allen Mitgliedstaaten sowie für Mindestlöhne.
In der EU sollten alle Menschen ein würdevolles Leben führen können, heißt es in der Begründung. Deshalb sei die Bekämpfung von Armut, sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung so wichtig. „Verlässliche soziale Rechte sind die Voraussetzung dafür, dass Binnenmarkt und Währungsunion im Interesse der Menschen wirken“, schreiben die Grünen. (joh/hau/04.04.2019)