3. Untersuchungsausschuss

Zu Guttenberg berichtet vom Ge­spräch mit der Kanzlerin

Symbolbild Wirecard

Karl Theodor zu Guttenberg als Zeuge vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss (DBT/Schacht)

Der Wirtschaftsberater Karl Theodor zu Guttenberg verteidigte vor dem 3. Untersuchungsausschuss seine Arbeit für die später zusammengebrochene Wirecard AG. „Wenn wir gewusst hätten, dass die Geschäftstätigkeit auf Betrug basierte, hätten wir das Dax-Unternehmen nie beraten“, sagte der ehemalige Verteidigungsminister vor den Abgeordneten. Er legte dar, wie er Organe der Bundesregierung, darunter das Kanzleramt, über einen bevorstehenden Markteintritt von Wirecard in China „informiert“ habe. Die Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard“) am Donnerstag, 17. Dezember 2020, fand unter der Leitung von Kay Gottschalk (AfD) statt. 

Erstkontakt zu Wirecard 2016

Zu Guttenberg beschrieb dem Ausschuss detailliert die Arbeit seiner Firma Spitzberg Partners für Wirecard. Der Erstkontakt war 2016 zustande gekommen. Anfangs ging es um Kontakte in der amerikanischen IT-Szene und um Erläuterungen zur Rolle der Blockchain-Technik für Finanztransaktionen.

Ein wichtiger Kontakt zu Guttenbergs bei Wirecard war der Chef der Geschäftsentwicklung des Unternehmens, Georg von Waldenfels. Die Familien zu Guttenberg und von Waldenfels sind befreundet. 

Hilfe beim Markteintritt in China

Im März 2018 kam ein weiterer Auftrag hinzu, der bis zum Zusammenbruch von Wirecard lief: Hilfe beim Markteintritt in China. Wirecard wollte als erstes europäisches Unternehmen einen chinesischen Zahlungsdienstleister komplett übernehmen. Im Laufe des Jahres 2019 gab Spitzberg Partners hier von verschiedener Seite Hilfestellung. Es gelang dabei zunehmend, auch deutsche Regierungsstellen einzubinden.

Die Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft Peking flankierte den Übernahmeversuch beispielsweise durch Kontakte zur chinesischen Zentralbank. Parallel verdichteten sich jedoch die Schlagzahl von Betrugsvorwürfen gegenüber Wirecard, die vor allem die britische Zeitung „Financial Times“ auf Basis von Quellen in Asien veröffentlichte. 

Ex-Minister sprach bei der Kanzlerin vor

Trotz der zunehmenden Kritik an Wirecard kam es im Spätsommer 2019 zu erfolgreichen Kontakte auf höchster Ebene: zu Guttenberg erwähnte das Unternehmen gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Im Laufe unseres Gesprächs erwähnte die Bundeskanzlerin eine bevorstehende Reise nach China“, sagte zu Guttenberg. „Ich erwähnte daraufhin, dass ein junges Dax-Unternehmen derzeit den Markteintritt in China plant.“ Wirecard benötige im chinesischen Wirtschaftssystem die Rückendeckung der Bundesregierung, damit die Übernahme eines chinesischen Unternehmens gelingen könne. Nach dem Gespräch mit der Kanzlerin schrieben zu Guttenbergs Mitarbeiter für den Wirtschaftsberater der Kanzlerin, Lars-Hendrik Röller, Fakten über Wirecard auf. Tatsächlich erwähnte Merkel dann im September 2019 die Ambitionen von Wirecard bei hochrangigen Gesprächen in Peking. 

Zugleich stellte ein Kollege zu Guttenbergs bei Spitzberg Partners einen Kontakt zum Bundesfinanzministerium her. Er hängte an eine E-Mail an Staatssekretär Wolfgang Schmidt den Entwurf eines Briefs an, mit dem die Bundesregierung sich für Wirecard hätte einsetzen können. „Ob einzelne dieser Formulierungen genutzt wurden, ist mir unbekannt“, sagte zu Guttenberg.

„Gespräche in freundschaftlicher Atmosphäre“

Dieses Zusammenspiel eines politisch bestens vernetzten Wirtschaftsberaters mit Kanzleramt und Bundesministerien ist ein zentrales Thema des Untersuchungsausschusses. Die Abgeordneten wollen vor allem herausfinden, welche Institutionen versagt haben, indem sie die Probleme bei Wirecard zu lange übersehen haben. Sie werfen nicht zu Guttenberg seine Arbeit vor, sondern sie wollen ergründen, inwieweit sich die Regierung von gezielten Kontakten beeinflussen lässt. 

Zu Guttenberg gab an, sich auch nach seinem Wechsel in die freie Wirtschaft etwa einmal im Jahr mit der Kanzlerin getroffen zu haben. Es habe dann Gespräche zu persönlichen Themen in freundschaftlicher Atmosphäre gegeben. Im Nachgang dieser Gespräche wurde nie ein Protokoll angefertigt, der Austausch sei vertraulich erfolgt. Auch der Termin am 3. September habe schon länger festgestanden. Wirecard sei nicht das zentrale Thema gewesen.

Guttenberg lehnt Einordnung als Lobbyist ab

Die Abgeordneten zeigten sich durchweg erstaunt darüber, dass zu Guttenberg trotz dieser Tätigkeiten eine Einordnung als Lobbyist ablehnt. Der Abgeordnete Matthias Hauer (CDU/CSU) fragte ihn danach, wo er denn die Abgrenzung zwischen den Tätigkeitsbereichen sehe. Zu Guttenberg gab zu, dass eine Kontaktaufnahme zu Botschaft und Kanzleramt durchaus unter die Definition von Lobbyismus fallen könne. Doch er sei nicht als Lobbyist angestellt worden und Spitzberg Partners habe das auch nicht als Geschäftszweck. Die Bezahlung sei rein vom Erfolg der Übernahme abhängig gewesen.

Dr. Jens Zimmermann (SPD) bemühte sich, den Zusammenhang zwischen den Beraterhonoraren und zu Guttenbergs Kontakten als ehemaliger Spitzenpolitiker herzustellen. Auch, wenn er nicht in erster Linie als Lobbyist angeheuert war: „Wenn Sie nun gute Kontakte – an denen ich nichts verwerflich finde – nutzen, um diesen Deal möglich zu machen, dann hätten sie ja ebenfalls einen finanziellen Nutzen daraus“, stellte Zimmermann fest. Zu Guttenberg lehnte jedoch auch dieses indirekte Verständnis seiner Tätigkeit als bezahlten Lobbyismus ab.

Firmenchef Braun zeigte sich „vergeistigt“

Zu Guttenberg berichtete dem Ausschuss auch detailliert von drei Treffen mit Wirecard-Chef Markus Braun, dessen Verhalten heute Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwalt ist. Zu Guttenberg nahm Braun als „seltsam vergeistigten“ CEO wahr. Das erste Zusammentreffen hat er als  „bizarr“ empfunden. Braun habe lieber philosophiert, als übers konkrete Geschäft zu sprechen.

Die Kommunikation von Wirecard nahm zu Guttenberg als völlig unzureichend wahr, um den Vorwürfen von Betrug und Intransparenz zu begegnen. Braun habe jedoch auch bei einem Treffen in der Zeit kurz vor dem Zusammenbruch von Wirecard „eine erstaunliche Ruhe“ ausgestrahlt. Zu Guttenberg sei nie auf die Idee gekommen, es hier mit einem Kriminellen zu tun zu haben.

„Ein Virus namens Leerverkäufe“

Die Abgeordneten unterstellten zu Guttenberg gleichwohl, er habe sich auch zur Deckung des Betrugs einspannen lassen. Anfang April 2020 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Gastbeitrag von zu Guttenberg: „Ein Virus namens Leerverkäufe“. Ohne Wirecard ausdrücklich zu nennen, fordert er dazu auf, Marktgerüchten und negativen Berichten gerade in Zeiten der Corona-Pandemie nicht zu viel Glauben zu schenken.

„Gab es da einen Zusammenhang mit dem unmittelbar vorangegangenen Treffen mit Herrn Braun?“, fragte der Abgeordnete Dr. Florian Toncar (FDP). Zu Guttenberg verneinte das. Den Artikel habe er geschrieben, weil ihn das Thema persönlich umgetrieben habe.

Guttenberg sieht sich genauso getäuscht wie die KfW

Zu Guttenberg wies eine Unterstellung der Medien, er habe von Problemen bei Wirecard lange gewusst, mit Empörung zurück. Er sei genauso getäuscht worden wie die Finanzaufsicht, die Analysten, die Wirtschaftsprüfer und die Journalisten. Nie habe er sich vorstellen können, dass die Geschäfte eines Dax-Konzerns nur auf Betrug beruhten.

Auch die Vergabe eines Kredits durch die Förderbank KfW habe er als Anzeichen gesehen, dass die Profis dort den Bilanzen von Wirecard vertrauen. „Ich wünsche mir genauso, dass daraus Lehren gezogen werden, dass man Unternehmen, die im Dax notiert sind, noch genauer untersucht“, sagte zu Guttenberg.

Von einem Treffen der Kanzlerin mit Braun abgeraten

Im weiteren Verlauf der Sitzung beschäftigte sich der Ausschuss mit den Entscheidungsprozessen im Kanzleramt und mit einem geplanten Markteintritt der Wirecard AG in China. Dabei ging es um Fragen wie: Welche Unternehmen erhalten bei ihren Auslandsambitionen die Unterstützung der Kanzlerin – und welche Beamte prüfen solche Ansinnen und bereiten dann die konkrete Hilfestellung vor? Der Zeuge Michael Papageorgiou, ein Beamter der Deutschen Bundesbank, erschien den Abgeordneten hier als vielversprechender Gesprächspartner.

Papageorgiou war genau in jener Zeit an das Finanzreferat des Kanzleramts ausgeliehen, als der Umgang mit Wirecard dort eine Rolle spielte. Er hatte zudem in einem Vermerk von einem Treffen der Bundeskanzlerin mit Wirecard-Chef Markus Braun abgeraten und empfohlen, das Ansinnen mit der Begründung von Terminknappheit der Kanzlerin abzusagen. „Sie hätten hier mit dieser Einschätzung als Held vom Platz gehen können“, sagte der Vorsitzende Gottschalk.

Beeinflusste das Kanzleramt den Zeugen?

Doch nach anderthalb Stunden der Befragung entschied sich der Ausschuss, das weitere Vorgehen noch einmal zu beraten. „Das Aussageverhalten des Zeugen weist Auffälligkeiten auf“, drückte es Florian Toncar (FDP) aus. Papageorgiou hatte zuvor angegeben, sich zehn Tage vor der Sitzung mit seiner früheren Vorgesetzten im Kanzleramt, Dr. Silvia Bosch, ausgetauscht zu haben.

Das Misstrauen der Abgeordneten war geweckt, weil Dr. Bosch an den Ausschusssitzungen teilnimmt und damit Interna kennt. Zudem konnte sich Papageorgiou an überraschend viele Details nicht erinnern. Der Abgeordnete Fabio De Masi (Die Linke) stellt jedoch nach der Unterbrechung klar, dass der Ausschuss Papageorgiou kein konkretes Fehlverhalten vorwirft. Bosch hatte den Zeugen nach dessen Aussage vor allem dazu aufgefordert, die Wahrheit zu sagen.

Googeln im Kanzleramt

Der Abgeordnete Dr. Danyal Bayaz  (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich nach der Aussage Papageorgious jedoch erstaunt, wie wenig Recherche das Kanzleramt betreibt, bevor es sich für ein Privatunternehmen stark macht. „Jemand wie Sie googelt das einfach und das war es?“

Papageorgiou bestätigte: „Internetrecherche ist ein Teil des Vorgangs.“ Eine Koordination mit dem Bundesfinanzministerium sei nicht erfolgt.

Auch die Botschaft vor Ort war nicht misstrauisch

Der Ausschuss beschäftigte sich auch mit der Rolle der deutschen Vertretung in Peking, die sich für eine Lizenz von Wirecard als Zahlungsdienstleister für den chinesischen Markt einsetzte. „Mein Job ist es, die Interessen deutscher Unternehmen in China zu vertreten“, sagte Jan-Ole Peters, Beamter im Finanzministerium, der derzeit als Finanzexperte an die Deutsche Botschaft in Peking ausgeliehen ist. Die Ministerien entsenden routinemäßig Fachbeamte in die wichtigen Botschaften weltweit, damit sie sich dort um die Angelegenheiten aus ihrem Fachgebiet kümmern können.

Sobald Wirecard 2018 das Interesse angemeldet hatte, in den chinesischen Markt einzusteigen, nahm die Botschaft sich des Falls an. Solche Hilfestellung bietet sie allen deutschen Unternehmen in dieser Situation, betonte Peters. Vertreter von Wirecard kamen von da an regelmäßig nach Peking, um ihr Anliegen voranzutreiben.

Höhepunkt der Anbahnung des Wirecard-Markteintritts war ein hochrangiges deutsch-chinesischen Finanzmarktforum am 17. und 18. Januar 2019. Die deutsche Seite legte den chinesischen Behörden in diesem Rahmen nahe, Wirecard die nötige Lizenz zu erteilen. Dazu kam es nie, weil das Unternehmen vorher zusammenbrach. Peters hatte sich –  wie viele andere Akteure und Betroffene in dem Skandal – seinerzeit trotz gleichzeitig laufender Berichte in der britischen „Financial Times“ nicht vorstellen können, wie weit der Betrug bei Wirecard ging. Die Botschaft setzte daher ihre Schützenhilfe für den Markteintritt auch danach regulär fort.

„Hochrangige Kontaktanbahnung in China unvermeidlich“

Der Chef des Zeugen Peters, Finanz-Staatssekretär Wolfgang Schmidt, bestätigte, dass hochrangige Kontaktanbahnung für den Geschäftserfolg in China unvermeidlich sei. Es gehöre daher zur Aufgabe des Finanzministeriums, Unterstützung zu leisten. „Es gab keine Grundlage, auf der wir das Ansinnen von Wirecard zu diesem Zeitpunkt hätten verweigern können.“ Es habe sich um ein Unternehmen aus dem Börsenindex Dax 30 gehandelt, das sich auf dem chinesischen Markt engagieren wollte.

Genau für solche Fälle war der deutsch-chinesische Finanzmarktdialog gedacht, der im Januar 2019 in Peking stattgefunden hat. Auch vor der China-Reise der Bundeskanzlerin habe es keinen konkreten Grund für eine Warnung gegeben – der Wirtschaftsprüfer EY und das Unternehmen hätten alle offenen Fragen ausgeräumt.

Staatssekretär lässt sich von Berater helfen

Der Abgeordnete Matthias Hauer (CDU/CSU) hatte ein Problem mit dem engen Verhältnis von Schmidt mit dem Unternehmensberater Ulf Gartzke von Spitzberg Partners. „Dr. Gartzke hatte als Service einen Entwurf für ein Schreiben an die chinesische Regierung beigefügt“, sagt Hauer. „Den Brief haben Sie auch nahezu eins zu eins an ihren chinesischen Kollegen abgeschickt.“ Ob die Nutzung solcher von Beratern vorformulierter Briefe gängige Praxis sei?

Schmidt führte aus, er habe Gartzke gebeten, ihm bei den Formulierungen zu helfen – „zur Arbeitserleichterung“, weil dieser besser in die Materie eingearbeitet sei. Er habe die Textteile nicht einfach kopiert, sondern bewusst für eine eigene E-Mail verwendet. Diese habe er dann kurz nach Mitternacht auf dem Weg zu einem G20-Treffen in Osaka abgeschickt.

Die weiteren geladenen Zeugen Prof. Dr. Lars-Hendrik Röller, Joschka Langenbrinck und Ole von Beust sollen in der nächsten Ausschusssitzung voraussichtlich am 14. Januar angehört werden. (fmk/18.12.2020)

Liste der geladenen Zeugen

  • Karl Theodor zu Guttenberg, Spitzberg Partners
  • Michael Papageorgiou, Deutsche Bundesbank
  • Jan-Ole Peters, Bundesministerium der Finanzen
  • Wolfgang Schmidt, Staatssekretär, Bundesministerium der Finanzen
  • Prof. Dr. Lars-Hendrik Röller, Bundeskanzleramt
  • Joschka Langenbrinck, von Beust & Coll. Beratungsgesellschaft
  • Ole von Beust, von Beust & Coll. Beratungsgesellschaft

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