Parlament

Anton Hofreiter: Unge­bremste Erd­erhitzung ist eine Existenz­frage

Ein Mann mit längeren blonden Haaren und grauem Anzug spricht an einem Rednerpult vor einer grauen Wand.

Anton Hofreiter ist seit 2013 Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen (© DBT/Melde)

Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, fordert dazu auf, im Jahr 2021 den Weg aus der Corona-Krise mit der Bekämpfung der Klimakrise zu verbinden. „Die ungebremste Erderhitzung ist eine Existenzfrage für uns Menschen, unseren Wohlstand und die Freiheit unserer Gesellschaft“, sagt er im Interview. Klimaschutz bedeute auch Veränderung. „Wir wollen, dass die Gesellschaft – wie in der Corona-Krise – solidarisch denen hilft, die besonders von dem unvermeidlichen Wandel betroffen sind“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Als Biologe treibe ihn persönlich das von Jahr zu Jahr schlimmer werdende Artensterben besonders um. „Deshalb widme ich mich in den nächsten Monaten auch der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik“, kündigt Hofreiter an. Das Interview im Wortlaut:

Herr Dr. Hofreiter, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2020?

In diesem außergewöhnlichen Jahr will ich zuerst einmal den Erfolg herausstellen, den wir gemeinsam als Gesellschaft erreicht haben. Die Corona-Pandemie, die Anfang des Jahres über uns hereingebrochen war, hat uns allen wahnsinnig viel abverlangt. Unsere Gesellschaft hat darauf mit einem enormen Maß an Solidarität, an Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft reagiert. Ich hoffe, das trägt uns auch durch den schweren Winter. Dann wünsche ich mir, dass wir aus dieser Gemeinsamkeit etwas mitnehmen können zur Bewältigung kommender Herausforderungen. Für mich ist der Handlungsauftrag daraus, mehr zu tun für eine solidarischere Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die mehr Rücksicht nimmt auf Schwächere und die mehr tut für sozialen Zusammenhalt. Die mehr investiert in Krankenhäuser, Schulen, eine gute Pflege. Die diejenigen, die so viel für unser Gemeinwesen tun, endlich auch besser bezahlt.

Was halten Sie für die größte Herausforderung im kommenden Jahr? Welche thematischen Schwerpunkte will Ihre Fraktion 2021 setzen?

Im nächsten Jahr müssen wir den Weg aus der Corona-Krise verbinden mit der Bekämpfung der Klimakrise. Die ungebremste Erderhitzung ist eine Existenzfrage für uns Menschen, unseren Wohlstand, die Freiheit unserer Gesellschaft. Die Bundesregierung bleibt mit ihrer Politik weit hinter dem Notwendigen und Möglichen zurück. Der Kohleausstieg kommt zu spät, der Ausbau der Erneuerbaren ist zu langsam, die Verkehrspolitik von gestern. In allen Bereichen können wir mehr tun. Wir können unsere Autoindustrie modernisieren und der Elektromobilität endlich zum Durchbruch verhelfen. Wir können mit grünem Stahl und Wasserstoff neue Geschäftsfelder und neue Arbeitsplätze schaffen – mit der Verkehrswende weniger Lärm und Abgase in den Städten, dafür mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Klimaschutz bedeutet auch Veränderung. Manche stehen dabei vor einem fundamentalen Wandel, wenn die Industrie ihre Produktionsweise umstellt und Arbeiterinnen und Arbeiter neue Jobs erlernen müssen. Wir wollen, dass die Gesellschaft wie in der Corona-Krise solidarisch denen hilft, die besonders von dem unvermeidlichen Wandel betroffen sind.

Welche Ziele werden Sie als Fraktionsvorsitzender verstärkt verfolgen? Gibt es ein Thema, für das Sie sich persönlich besonders einsetzen wollen?

Als Biologe treibt mich das Artensterben besonders um. Und das wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Deshalb widme ich mich in den nächsten Monaten auch der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik. Klingt ziemlich technisch, entscheidet aber darüber, ob wir mit Milliarden öffentlicher Steuergelder weiterhin eine industrielle Landwirtschaft subventionieren, die Umwelt und Natur zerstört. Oder ob wir diese Gelder dafür ausgeben, dass Bäuerinnen und Bauern mit der Natur wirtschaften. Und damit auch einen Beitrag gegen das Artensterben leisten. (hau/28.12.2020)

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