3. Untersuchungsausschuss

Bankchef: Beispiello­ser Fall der Fäl­schung eines Drittels der Bilanz­summe

Die Homepage von Wirecard liegt unter einer Lupe.

Der Ausschuss setzte seine öffentlichen Zeugenbefragungen zum Wirecard-Fall am 15. Januar fort. (picture alliance/SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON)

„Einen beispiellosen Fall der Fälschung eines Drittels der Bilanzsumme“ nannte Klaus R. Michalak, Vorsitzender der Geschäftsführung der KfW IPEX-Bank GmbH, die Vorgänge bei Wirecard. Michalak war einer von mehreren Zeugen aus dem Bankensektor, die dem 3. Untersuchungsausschuss („Wirecard“) unter Vorsitz von Kay Gottschalk (AfD) in öffentlicher Sitzung am Freitagvormittag, 15. Januar 2021, sowie bereits am Vortag zu dem Engagement ihrer Häuser bei dem insolventen Zahlungsdienstleister Rede und Antwort standen.

„Zukunftsträchtiges und international erfolgreiches Geschäftsmodell“

Die KfW IPEX-Bank, die Darlehen für Infrastrukturprojekte deutscher und europäischer Unternehmen vergibt, habe im September 2018 der Wirecard AG einen 100-Millionen-Euro-Kredit gewährt, weil dieses Unternehmen „zu diesem Zeitpunkt ein zukunftsträchtiges und international erfolgreiches Geschäftsmodell im Bereich der Zahlungsdienstleistungen zu haben schien“.

Wirecard habe über die Jahre weltweit eine große Zahl namhafter Kunden gewinnen können und sei vom Aktienindex TecDax in den deutschen Leitindex (Dax 30) aufgestiegen. Mit der Kreditlinie habe man dem Unternehmen weitere Akquisitionen möglich machen wollen.

„Gefragt, ob wir alles richtig gemacht haben“

Trotz der Beispiellosigkeit der Vorgänge bei Wirecard und obwohl der Kreditausfall von Wirecard „kein normaler Kreditausfall wegen typischer Unternehmensrisiken“ gewesen sei, habe man sich bei der KfW IPEX-Bank im Nachhinein gefragt, „ob wir alles richtig gemacht haben“ und eine Innenrevision begonnen. Michalak bemühte sich, dem Ausschuss die sorgfältige hausinterne Abwägung von Risiken und „mitigierenden Signalen“ bei der Kreditentscheidung darzulegen.

Auf der einen Seite sei da die negative Presseberichterstattung renommierter Organe wie der Financial Times gewesen, die man rezipiert habe. Auf der anderen Seite habe man sich stets auf die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY testierten jährlichen Bilanzen verlassen.

„Warnsignal durch fehlenden Nachweis über Cash-Positionen“

Die Ausschussmitglieder interessierte, inwieweit der Aufsichtsrat und die ihm angehörenden beiden Staatssekretäre mit Entscheidungen der Bank gegenüber dem Kunden Wirecard befasst waren. Zum ersten Mal als publik wurde, dass Wirecard 2020 keine testierte Jahresbilanz mehr bekommen sollte, so der Bankier. Man habe dann umgehend die zuständige Bundesaufsicht (BaFin) sowie den eigenen Aufsichtsrat informiert und Strafanzeige gegen das Wirecard-Management bei der Staatsanwaltschaft München gestellt.

Es sei ein „intensives Warnsignal“ gewesen, als die zuletzt mit der Prüfung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in ihrem Bericht vom April 2020 den Verbleib von enormen Cash-Positionen nicht habe nachweisen können. Warum jenseits der Kreditvergabe die Kundenbeziehung zu Wirecard nicht schon zuvor ein Fall für den Aufsichtsrat gewesen sei, wollte der Ausschuss wissen. Weil das Engagement bei Wirecard unterhalb der internen Schwellen für Rating und Volumen gelegen habe, ab der das Gremium damit zu befassen sei, entgegnete Michalak.

„Das Geschäftsmodell erschien den Analysten plausibel“

Warnsignale habe es gegeben: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und uns sehr ausführlich und detailliert damit auseinandergesetzt.“ Auch die Entscheidung über eine Kreditverlängerung im September 2019 sei „nach sorgfältiger Abwägung getroffen worden“.

Nicht nur die kritischen Berichte über Wirecard habe man einbezogen. Das Geschäftsmodell habe den Analysten der Bank trotz der in diesem Bereich unüblich hohen Margen plausibel erschienen. „Der digitale Fortschritt“ habe das „gerechtfertigt“.

„Bedenken wurden stets zur Zufriedenheit der Bank ausgeräumt“

Und: Auf Nachfragen habe das „Management von Wirecard immer sehr schnell reagiert und plausible Erklärungen gegeben.“ Bedenken hätten so stets „zur Zufriedenheit“ der Bank ausgeräumt werden können. Das sei auch noch im Frühjahr 2020 so gewesen, nach Veröffentlichung des KPMG-Gutachtens.

Wirecard habe zugesagt, die Bereiche Compliance und Revision auszubauen und auch einen ordentlichen testierten Jahresabschluss angekündigt. Wozu es dann nicht mehr kam. Schließlich habe seine Bank 90 Millionen Euro abgeschrieben und mit den finanziellen Forderungen auch das Klagerecht abgetreten. (ll/15.01.2021)

Auftrag des Untersuchungsausschusses

Der Bundestag hat am 1. Oktober 2020 auf Antrag der Fraktionen der FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses mit den Stimmen der Oppositionsfraktionen bei Enthaltung der Koalitionsfraktionen beschlossen.

Der neunköpfige Ausschuss soll das Verhalten der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden im Zusammenhang mit den Vorkommnissen um den inzwischen insolventen Finanzdienstleister Wirecard untersuchen. (ll/15.01.2021)

Liste der geladenen Zeugen

  • Klaus R. Michalak, Vorsitzender der Geschäftsführung der KfW IPEX-Bank GmbH
  • Dr. Wolfgang Fink, Vorsitzender des Vorstands der Goldman Sachs Bank Europe SE

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