Aktuelle Stunde

Hitzige Debatte über Donald Trumps Twitter-Sperre

Erfreulich und dennoch problematisch, so bewerteten Redner verschiedener Fraktionen, dass Twitter und dann auch andere Internet-Plattformen Noch-Präsident Donald Trump nach den Ausschreitungen im US-Kapitol am 6. Januar gesperrt hatten. Beantragt hatte die Aktuelle Stunde am Donnerstag, 28. Januar 2021, die AfD-Fraktion unter dem Titel „Big Tech und die Meinungsfreiheit im Internet“.

AfD: Bündnis von Kulturmarxisten und Big-Tech-Konzernen

Für die Auftakt-Rednerin Beatrix von Storch (AfD) steht der Fall Trump für mehr: „Die globalistische Linke im Bündnis mit Big Tech“ wolle „jeden mundtot machen, der nicht an ihre Wahrheit glaubt“. Wer es wage, eine andere Meinung zu haben als sie, sei „ein Ketzer, ein Feind, ein Klima- und Corona-Leugner, ein Hassredner, ein Rassist, ein Nazi“, erklärte sie. Er müsse in den sozialen Medien aufhören zu existieren, das sei das Ziel von Cancel-Culture und De-Platforming. Dahinter stehe „das Bündnis der Kulturmarxisten mit den Big-Tech-Konzernen“.

Im 21. Jahrhundert gehöre der Zugang zur digitalen Öffentlichkeit zur Grundversorgung wie Wasser und Strom, stellte die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende fest. So wie Monopolisten Bürgern nicht das Wasser und den Strom nicht wegen einer falschen Meinung abstellen dürfen, so sollten auch Big-Tech-Konzerne Bürger nicht mundtot machen dürfen. Dagegen müssten die Regierung und der Bundestag vorgehen. Wie das gehe, habe die polnische Regierung vorgemacht: „Was polnische Gerichte nicht verboten haben, darf nicht mehr gelöscht werden.“

Regierung: AfD lässt Gift in alle Netzwerke träufeln

Die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär (CSU), griff Storch für diese Rede scharf an. Es sei „mehr als scheinheilig, wenn ausgerechnet Sie hier die Grenzen der Meinungsfreiheit zelebrieren wollen. Sie und Ihre Verbündeten sind diejenigen, die das Gift in alle Netzwerke träufeln lassen“. Und mit Blick auf das am selben Tag gesprochene Urteil gegen den Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke rief Bär: „Für mich haben Sie mitgeschossen!“

Auf wütende Proteste aus der AfD-Fraktion hin versicherte die amtierende Bundestagspräsidentin Petra Pau nach Bärs Rede, sie werde sich das Debattenprotokoll noch einmal genau ansehen und dann gegebenenfalls über Ordnungsmaßnahmen entscheiden.

CDU/CSU: Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit gewährleisten

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) erinnerte daran, was am 6. Januar im US-Kapitol geschehen war und wie Trump zuvor seine Anhänger aufgehetzt habe. Dass danach Twitter und andere Plattformen seine Accounts gesperrt haben, fänden vier von fünf Deutschen richtig und er selbst auch, bekannte Luczak. Dennoch müsse man fragen: „Wer entscheidet eigentlich, was in meinungsträchtigen Netzwerken gesagt werden darf?“

Twitter, Facebook und andere hätten mittlerweile für den öffentlichen Diskurs „eine zentrale, vielleicht sogar übermächtige Stellung“. Der Staat habe eine Schutzpflicht, die Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Dazu gehöre, dass die Plattformbetreiber den Grundrechten verpflichtet sind, das habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt, und am gesetzlichen Rahmen arbeite der Bundestag.

FDP: Bundesregierung hat es sich zu einfach gemacht

Für die FDP-Fraktion warf Manuel Höferlin der AfD vor, ihre Haltung zur Meinungsfreiheit gelte nur, wenn es ihr passe. Mit ihrer Aktuellen Stunde habe sie eine andere Aktuelle Stunde zum Fall Nawalny und der Meinungsfreiheit in Russland verhindert. Zur Sperrung der Accounts von Trump sagte Höferlin, dass dies in den USA noch vorwiegend privatrechtlich diskutiert werde, während Deutschland mit der Verpflichtung der Betreiber auf die Grundrechte schon weiter sei.

Allerdings habe es sich die Bundesregierung zu einfach gemacht, als sie mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz „die Durchsetzung von Strafrecht zur Sache von Privatunternehmen gemacht“ habe.

SPD: AfD missbraucht soziale Netzwerke zur Meinungsmache

Ein zwiespältiges Gefühl angesichts der Abschaltung der Trump-Accounts bekannte Dr. Jens Zimmermann (SPD). Einerseits sei es Zeit gewesen, andererseits zeuge es nicht von Mut, dass die Betreiber zwölf Tage vor Ende seiner Amtszeit abgeschaltet hätten, nachdem sie zuvor jahrelang nichts unternommen hätten.

Der AfD warf Zimmermann vor, ihrerseits die sozialen Netzwerke zur „Meinungsmache“ zu missbrauchen. Auch Beatrix von Storch sei auf all den Netzwerken, die sie in ihrer Rede so scharf angegriffen hatte, aktiv.

Linke: Von Profitzwang freie Netzwerke aufbauen

Auf die Rolle der Algorithmen in den großen Plattfomen wies Anke Domscheit-Berg (Die Linke) hin. Diese dienten dem einzigen Zweck, Werbeeinnahmen zu generieren und lenkten dazu auch Nutzer gezielt auf Seiten mit extremen Inhalten. „Ohne Algorithmen wäre der Welt wahrscheinlich Trump erspart geblieben“, stellte sie fest.

So gut die Sperre im Fall Trumps sei, so sei es doch „nicht richtig, dass die Regeln dafür völlig willkürlich angewendet werden“. Domscheit-Berg forderte die Zerschlagung von Monopolen und den Aufbau von Netzwerken, die „frei von Profitzwang“ seien.

Grüne: Willkürliche Sperrung von Accounts verhindern

Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) verlangte gesetzliche Regelungen, die verhindern, dass Plattformen „willkürlich Accounts sperren“. Zudem brauche es eine staatsferne Kontrolle dieser Anbieter.

Der AfD-Fraktion warf Rößner vor, wenn diese von Meinungsfreiheit spreche, meine sie „nur Meinungsfreiheit für sich selbst“. In dem als Vorbild genannten Polen nehme die Regierung „massiv Einfluss auf die Berichterstattung“. (pst/28.01.2021)

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