2. Untersuchungsausschuss

Verkehrsminister Scheuer weist alle Vorwürfe zur Pkw-Maut zurück

Ein Mann mit dunklen Haaren und Brille steht hinter einem Stuhl und hat die Arme auf dessen Lehne gefaltet.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bei seinem zweiten Auftritt als Zeuge im Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss am 28. Januar 2021 (DBT/Simone M. Neumann)

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat im 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) alle Vorwürfe im Zusammenhang mit der Pkw-Maut zurückgewiesen. Würde er heute in der gleichen Situation stehen, würde er wieder so entscheiden, sagte der Minister am Donnerstag, 28. Januar 2021, in der abwechselnd vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) und der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Nina Warken (CDU/CSU) geleiteten Sitzung. Allerdings ließen ihn die seither eingetretenen Entwicklungen „nicht unberührt“. Er sei bereit, sich Kritik zu stellen, sofern sie sachlich sei.

„Minister haben Gesetze umzusetzen“

In einem rund 45-minütigen Eingangsstatement rekapitulierte Scheuer sein Handeln rund um die offiziell Infrastrukturabgabe genannte Pkw-Maut. „Die Infrastrukturabgabe war nicht ein Projekt von mir“, betonte der Minister. Vielmehr habe er bei seinem Amtsantritt am 14. März 2018 ein Gesetz vorgefunden, das von Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident gebilligt worden sei. „Minister haben Gesetze umzusetzen“, erklärte der CSU-Politiker. Auch jeder andere Verkehrsminister hätte die Maut umsetzen müssen.

Dabei habe er großen Wert darauf gelegt, dass das Vergabeverfahren ein „transparenter, juristisch einwandfreier und nachvollziehbarer Prozess“ gewesen sei. Er habe sich auf „fachkundige und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ gestützt, die das Projekt „mit höchster Professionalität“ vorangetrieben hätten, sagte Scheuer in seinem Statement. Auch die Organisationsstruktur sei „sachgerecht und effizient“ gewesen.

„Abwägungsentscheidung musste getroffen werden“

Detailliert begründete Scheuer, warum er Ende 2018 beschloss, den Vertrag mit den Betreibern noch vor Jahresende und damit vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)  zu unterschreiben. Er sei sicher gewesen, damit „das Richtige für den Bund“ zu tun. Der damalige Staatssekretär Dr. Gerhard Schulz habe ihm auf seine Nachfrage im Dezember 2018 versichert, der Vertrag sei zuschlagsfähig, und das Verfahren sei rechtlich unbedenklich.

Schulz habe auch erklärt, alles deute darauf hin, dass der EuGH im Klageverfahren Österreichs zugunsten der Bundesrepublik entscheiden werde. Er habe deshalb eine „Abwägungsentscheidung“ zu treffen gehabt, betonte der Minister. Dabei habe er sich entschieden, das Projekt voranzutreiben und nicht wegen eines „minimalen Restrisikos“ Einnahmeausfälle in dreistelliger Millionenhöhe in Kauf zu nehmen.

„Eine Rettung der Pkw-Maut war nicht möglich“

Als der EuGH am 18. Juni 2019 die Pkw-Maut für nicht vereinbar mit europäischem Recht erklärte, sei er „vollkommen überrascht“ gewesen, berichtete der Minister. Eine Rettung der Pkw-Maut sei „nach Auffassung aller an der Diskussion beteiligten Experten nicht möglich gewesen“. In stundenlangen Beratungen am 18. Juni seien die möglichen Kündigungsgründe erörtert worden mit dem Ergebnis, neben dem EuGH-Urteil auch die „gravierenden Mängel“ in der von den Betreibern vorgelegten Feinplanungsdokumentation als Kündigungsgrund anzuführen.

Am 18. Juni 2019 habe er auf Grundlage dieser Erörterungen entschieden, den Vertrag mit den Betreibern unverzüglich zu kündigen, sagte der Minister weiter. Wie richtig das gewesen sei, habe sich daran gezeigt, dass die Betreiber noch in der Nacht nach dem Urteil Verträge mit Unterauftragnehmern abgeschlossen hätten, um auf diese Weise die Entschädigung in die Höhe zu treiben. Im Übrigen gehe er bis heute davon aus, dass sich die von den Betreibern im laufenden Schiedsverfahren erhobenen Schadenersatzforderungen als haltlos erweisen würden.

„Gespräche mit Bietern vergaberechtlich nicht zu beanstanden“

Auf Fragen von Abgeordneten verteidigte der Minister seine Entscheidung verteidigt, im Herbst 2018 in Aufklärungs- und Verhandlungsgespräche mit dem Bieterkonsortium für die Erhebung der Pkw-Maut einzusteigen. Er habe sich nicht beim Haushaltsausschuss um mehr Mittel bemühen wollen, sondern die Priorität gehabt, das Projekt innerhalb des vorgegebenen Haushaltsrahmens zu realisieren. Dabei sei ihm versichert worden, diese Gespräche mit den Bietern seien vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

In der stundenlangen Vernehmung durch den Ausschuss konnte Scheuer nicht sagen, wann genau er darüber informiert wurde, dass das am 17. Oktober 2018 eingegangene Angebot der Bietergemeinschaft CTS Eventim/Kapsch TrafficCom den Rahmen des Haushalts massiv sprengte. Er könne sich lediglich erinnern, dass ihm sein Staatssekretär Dr. Gerhard Schulz „sehr verärgert“ von der Höhe des Angebots der Bieter berichtet habe. Er selbst habe allerdings gewusst, dass die Frist für die Abgabe der Angebote am 17. Oktober abgelaufen sei, sagte Scheuer. Wann genau er davon erfahren habe, dass die bundeseigene Toll Collect GmbH in die Erhebung der Pkw-Maut eingebunden werden solle, könne er ebenfalls nicht sagen.

„Wir haben das Restrisiko als minimal eingeschätzt“

Was das europarechtliche Problematik der Pkw-Maut betrifft, erklärte der Minister: „Wir haben das Restrisiko als minimal eingeschätzt.“ Zum Umstand, dass Martin Selmayr, der ehemalige Kabinettchef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, in seiner Vernehmung im Ausschuss eine andere Einschätzung abgegeben hatte, sagte Scheuer: „Ich glaube, dass der Herr Selmayr in die verkehrspolitischen Belange nur wenig eingebunden war.“

Befragt wurde der Minister auch zu den Geschehnissen am 18. Juni 2019, also dem Tag, an dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Klage Österreichs gegen die Pkw-Maut stattgab. Scheuer befand sich an diesem Tag nach eigenen Angaben in seinem Wahlkreis in Passau und traf erst um etwa 17 Uhr im Ministerium in Berlin ein. Vor seinem Eintreffen habe er mit Verkehrspolitikern der Koalition und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt telefoniert, berichtete er dem Ausschuss. Daran, ob er an diesem Tag auch mit CSU-Chef Markus Söder gesprochen habe, könne er sich nicht erinnern. Warum Prof. Dr. Christian Hillgruber von der Universität Bonn, der die Bundesrepublik beim Verfahren vor dem EuGH vertreten hatte, bei den Beratungen im Bundesverkehrsministerium nicht zugegen war, konnte Scheuer nicht sagen.

„Das ist so hanebüchen“

In Bezug auf das umstrittene Spitzengespräch vom 29. November 2018 zwischen den beiden Chefs des Bieterkonsortiums, Klaus-Peter Schulenberg und Georg Kapsch, sowie Staatssekretär Schulz und ihm selbst bekräftigte Scheuer die Äußerungen, die er bei seiner ersten Vernehmung im Untersuchungsausschuss gemacht hatte. „Ich bleibe bei meiner Aussage vom 1./2. Oktober 2020“, sagte er. Scheuer hatte damals ausgeführt, dass es nach seiner Erinnerung kein Angebot der Bieter gegeben habe, mit dem Abschluss des Vertrags bis nach dem EuGH-Urteil zu warten.

„Die teilweise abweichende Darstellung der Herren Kapsch und Schulenberg habe ich zur Kenntnis genommen“, sagte der Minister jetzt in seiner neuerlichen Befragung. Sehr kritisch äußerte er sich zu den Aussagen von Volker Schneble, dem Geschäftsführer der von CTS Eventim und Kapsch TrafficCom gegründeten Betreibergesellschaft Autoticket. Schneble hatte kurz vor seiner Zeugenvernehmung am 1. Oktober 2020 dem Ausschuss ein Gedächtnisprotokoll vorgelegt, dem zufolge Schulenberg ihm unmittelbar nach dem Gespräch am 29. November 2018 mitteilte, er habe dem Minister ein Angebot zur Verschiebung unterbreitet. „Ein solches Gedächtnisprotokoll würde bei keinem Gericht der Welt drei Minuten überleben“, sagte Scheuer. „Das ist so hanebüchen.“

Die Vernehmung des Bundesverkehrsministers war die letzte öffentliche Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses, der nun seinen Abschlussbericht erstellt. (chb/29.01.2021)

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