Parlament

V-Mann-Führer muss nicht vor Untersuchungs­ausschuss aussagen

Auf ein Betonmäuerchen wurde das Wort Bundesverfassungsgericht geschrieben.

Karlsruher Richter urteilten in einem Organstreitverfahren gegen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. (© picture alliance/dpa | Uli Deck)

Das Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat (BMI) muss dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) keine Auskunft über einen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz erteilen, der mit der Führung einer oder mehrerer Vertrauenspersonen (V-Person) im Umfeld des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, betraut gewesen sein soll. Dies urteilte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und wies damit am Mittwoch, 3. Februar 2021, einen Antrag der Bundestagsfraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen eines Organstreitverfahrens zurück (Aktenzeichen: 2 BvE 4/_18). 

Die Antragsteller sahen in der Weigerung der Benennung der Führungsperson durch das BMI Artikel 44 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt, wonach der Bundestag das Recht habe, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Diesem Recht folgend, forderten die drei Oppositionsfraktionen, den V-Person-Führer als Zeuge vor dem 1. Untersuchungsausschuss des Bundestages vorladen zu können.

Begründung durch das Bundesverfassungsgericht

Zwar sei ein Untersuchungsausschuss grundsätzlich befugt, im Rahmen seines Untersuchungsauftrags diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält. So dürfe er insbesondere Beamte im Verantwortungsbereich der Bundesregierung als Zeugen laden und vernehmen, um auf diese Weise Kenntnis von untersuchungsrelevantem Amtswissen zu erhalten, gibt das Bundesverfassungsgericht an. Das parlamentarische Untersuchungsrecht unterliege gleichwohl aber Grenzen. Konkret bringen die Richter hier das Staatswohl in Stellung, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden könnte.  

V-Personen müssten angesichts der persönlichen Risiken, die sie eingehen, auf den Schutz ihrer Identität vollumfänglich vertrauen können, heißt es in der Ablehnungserklärung der Karlsruher Richter. Denn Anwerbung und Führung von V-Personen und damit nicht zuletzt die Funktionsfähigkeit von Nachrichtendiensten seien ohne die Gewährleistung dieses Schutzes kaum denkbar.

Das islamistisch-terroristische Milieu

Den Blick lenken die Richter in ihrer Urteilsbegründung schließlich auch auf das konkrete islamistisch-terroristische Milieu, in dem sich der oder die V-Personen bewegen. So bestehe dort eine hohe Gewaltbereitschaft, die sich insbesondere gegen jene richte, „die mit dem zu beseitigenden freiheitlichen Staat kooperieren“. Zur Aufdeckung von „Verrätern“ würde in diesem Milieu systematische Gegenaufklärung betrieben.

Im Falle einer Enttarnung einer Vertrauensperson drohe deshalb eine unmittelbare Gefahr für Leib, Leben und Freiheit, heißt es. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass eine Vernehmung des V-Person-Führers – trotz der vorhandenen Möglichkeiten des Geheimschutzes – als unmittelbarer Vertrauensbruch gewertet werden könne. V-Personen könnten in der Folge sogar die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz aufkündigen, so die Richter in ihrer dem Bundesinnenministerium und damit dem Antragsgegner Recht gebenden Begründung. 

Auftrag des Untersuchungsausschusses

Der Deutsche Bundestag hatte am 1. März 2018 einstimmig einen Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin vom 19. Dezember 2016 eingesetzt. Der Ausschuss unter Vorsitz des Abgeordneten Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) soll den Anschlag und seine Hintergründe aufklären und sich ein Gesamtbild vom Handeln der zuständigen Behörden verschaffen. 

Aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen wird er Empfehlungen für die Arbeit der im Untersuchungsauftrag benannten Behörden sowie für die Betreuung und Unterstützung von Hinterbliebenen und Opfern solcher Anschläge entwickeln. Dem Untersuchungsausschuss gehören neun Abgeordnete des Deutschen Bundestages als ordentliche Mitglieder und neun Abgeordnete als stellvertretende Mitglieder an. Der Untersuchungsausschuss hat seine öffentliche Beweisführung vorerst beendet. Die letzte Sitzung hierzu fand am 28. Januar 2021 statt. (ste/03.02.2021)

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