Parlament

Mark Hauptmann: Wir ste­hen fest an der Sei­te der Demonstran­ten in Belarus

Ein Mann im Anzug lächelt in die Kamera.

Mark Hauptmann (CDU/CSU) ist Vorsitzender der Deutsch-Belarussischen Parlamentariergruppe. (Büro Hauptmann/J. Fleischhauer/Agentur Neubauer)

„Wenn wir die Freiheits- und Demokratiebewegung in Belarus nachhaltig fördern möchten, dann müssen wir gerade bei den jungen Menschen beginnen, die tagtäglich ihr Wohlergehen und ihre Karriere aufs Spiel setzen“, mahnt der CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann, Vorsitzender der Deutsch-Belarussischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag im Interview. Die belarussische Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja hatte bei einem Besuch im Bundestag im Oktober um stärkere deutsche Unterstützung für die Opposition ihres Landes geworben. „Lukaschenko sollte sich nicht darauf verlassen, dass das internationale Interesse am Widerstand gegen die Repressionen und Gewalt mit der Zeit erlahmt. Wir werden weiter davon sprechen. Wir stehen fest an der Seite der friedlichen Demonstranten“, sagt der Abgeordnete aus Thüringen. Das Interview im Wortlaut:

Herr Hauptmann, die Präsidentschaftswahlen in Belarus im August 2020, nach denen sich Langzeitpräsident Lukaschenko erneut zum Sieger erklärte, erscheinen wie eine Zäsur für das Land. Es gab mehr Widerspruch, Protest, Gewalt als zuvor. Was hat sich dadurch in den Beziehungen zwischen Deutschland und Belarus und für die Zusammenarbeit zwischen den Parlamentariern beider Länder verändert?

Die deutsch-belarussischen Beziehungen waren im letzten Jahrzehnt geprägt von einem schwierigen, aber vielversprechenden Dialog und praktischer Zusammenarbeit. Beide Außenminister hatten Ende 2019 eine „Strategische Beratergruppe“ eingesetzt. Der Beratergruppe gehören jeweils acht Persönlichkeiten aus Regierung, Parlament, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur an. Angesichts der aktuellen Ereignisse hat die deutsche Seite beschlossen, die Beratergruppe auszusetzen. Das Ziel, die bilateralen Beziehungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft zu intensivieren, ist in der gegenwärtigen Lage nicht erreichbar. Als Parlamentariergruppe haben wir vor den Wahlen eine Delegationsreise nach Belarus unternommen, um mit belarussischen Abgeordneten, mit Regierungsvertretern, aber auch Repräsentanten der Zivilgesellschaft Informationen, Meinungen und Erfahrungen auszutauschen. Ein solcher offener Austausch wäre momentan nicht denkbar. Belarus ist und bleibt jedoch ein wichtiger Nachbar der Europäischen Union und ist Mitglied der Östlichen Partnerschaft. Sollte sich die Situation in Belarus zum Positiven verändern, können und sollten wir den Dialog wieder aufnehmen.

Wie sieht die Arbeit der Parlamentariergruppe momentan aus?

Zunächst versuchen wir als Parlamentariergruppe, uns weiterhin ein aktuelles und möglichst umfassendes Bild von der Lage in Belarus zu machen. Dazu tauschen wir uns regelmäßig aus, zurzeit per Videokonferenz. Hierbei ziehen wir auch die Einschätzung von Länderexperten des Auswärtigen Amtes in der Berliner Zentrale und unserer Deutschen Botschaft in Minsk hinzu. Solche Runden sind hilfreich, um bei den neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben, aber auch um frühzeitig mögliche Ansatzpunkte zu identifizieren, bei denen wir als Parlamentarier die Bemühungen der Bundesregierung in dieser schwierigen Phase der deutsch-belarussischen Beziehungen flankieren können. Als Parlamentariergruppe appellieren wir an die belarussische Regierung, keine Gewalt gegenüber friedlichen Demonstrationen einzusetzen, alle aus politischen Gründen Inhaftierten schnellstmöglich freizulassen und freie und faire Neuwahlen durchzuführen.

Welche Rolle spielt das Parlament in Belarus? Wie sehr spiegelt es den Willen der belarussischen Bevölkerung wider?

Die Wahl im vergangenen Jahr wurde von internationalen Beobachtern weder als frei noch als fair gewertet. Eine neue Amtszeit von Alexander Lukaschenko entbehrt daher jeder demokratischen Legitimation. Im belarussischen Parlament sind zurzeit keine Politiker der demokratischen Opposition vertreten. Alle wichtigen Entscheidungen trifft der Präsident persönlich. Das neu gewählte Parlament hat also de facto nur eine Alibi-Funktion und spiegelt offensichtlich nicht den Willen der Menschen in Belarus wider, die sich friedlich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Freiheit und freie Wahlen einsetzen.

Lukaschenkos Gegenkandidatin und Gegenspielerin Swetlana Tichanowskaja hat sich im August zur Wahlsiegerin erklärt und Lukaschenko zum Rückzug aufgerufen. Aus Angst um ihre Sicherheit hat sie das Land verlassen und unter anderem im Bundestag um Unterstützung gebeten. Was konnten Sie ihr bei ihrem Berlin-Besuch mitgeben?

Frau Tichanowskaja brachte während ihres Besuchs in Berlin den Wunsch zum Ausdruck, dass deutsche Institutionen die Oppositionsarbeit in Belarus unterstützen und vor allem den einzelnen Akteuren, die auch in ihrer persönlichen Bildung, Berufsausübung und Finanzsituation bedrängt werden, helfen. Wenn wir die Freiheits- und Demokratiebewegung in Belarus nachhaltig fördern möchten, müssen wir gerade bei den jungen Menschen, die tagtäglich ihr Wohlergehen und ihre Karriere auf Spiel setzen, beginnen. Einen Beitrag hierzu können beispielsweise unsere politischen Stiftungen leisten, indem sie die Anzahl der geförderten Stipendiatinnen und Stipendiaten erhöhen. Für dieses Ziel können wir als Parlamentarier aktiv werben. Zudem sollten wir zivilgesellschaftliche Initiativen aus Belarus stärker finanziell fördern, insbesondere im Rahmen des Programms der Östlichen Partnerschaft des Auswärtigen Amtes. Das Budget dafür haben wir als Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD in den Haushaltsberatungen bereits entsprechend erhöht.

Sie haben Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag dazu aufgerufen, Patenschaften für politische Gefangene in Belarus zu übernehmen. Was wollen Sie damit bewirken?

Mit meinem Aufruf möchte ich auf die Situation der inzwischen über 220 politischen Gefangenen in Belarus aufmerksam machen. Im Rahmen ihrer Patenschaft können die Bundestagsabgeordneten durch Appelle an die belarussischen Behörden oder Video-Statements dessen Freilassung fordern. Bisher haben mehr als 50 meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag eine Patenschaft übernommen. Diese Bereitschaft sich zu engagieren ist beeindruckend und unterstreicht, dass wir uns als Parlamentarier aktiv für eine Freilassung der politischen Gefangenen einsetzen und Repressionen, Gewalt und Folter sowie die gefälschten Wahlergebnisse in Belarus verurteilen.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Signal, das wir aussenden sollten, lautet: Lukaschenko sollte nicht darauf vertrauen, dass das internationale Interesse am Widerstand gegen Repressionen und Gewalt mit der Zeit erlahmt. Wir werden weiter davon sprechen. Wir stehen fest an der Seite der friedlichen Demonstranten. Das haben wir als Deutscher Bundestag mit unserem Antrag zu Belarus im November 2020 auch noch einmal in sehr deutlicher Form öffentlich gemacht. (ll/04.02.2021)

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