Parlament

Herzlichen Glückwunsch, Bundesrat, zur 1.000. Sitzung!

Klassizistisches Portal des Bundesrates in Berlin

Das Gebäude des Bundesrates an der Leipziger Straße in Berlin-Mitte (Bundesrat)

Ein bisschen erinnern die zwei an ein altes, ungleiches Brüderpaar: Der eine eher rundlich, der andere rank und schlank. Beide schon im hohen Alter, gehen auf die 72 zu. Vom Geburtsort Bonn Umzug nach Berlin um die Jahrtausendwende. Keine zwanzig Minuten Fußmarsch trennen sie. Man tauscht sich aus, fragt den anderen nach seiner Meinung. Trifft man sich, wird schon mal gezankt. Aber ohne einander können die zwei auch nicht.

Denn zusammen bilden die ungleichen Brüder Deutscher Bundestag und Bundesrat die Legislative, sie sind die gesetzgebende Gewalt der Bundesrepublik Deutschland. Dafür treffen sich ihre Mitglieder, 709 beim Bundestag und 69 beim Bundesrat, regelmäßig im Plenum. Auf die nächste Versammlung dürfte sich der Bundesrat ganz besonders freuen, denn am Freitag, 12. Februar 2021, feiert er seine 1.000. Plenarsitzung. Herzlichen Glückwunsch!

Keine Wahl, keine Wahlperioden

Zum Vergleich: Der Bundestag zählt gerade einmal knapp über 200 Sitzungen. Wie kann das sein? In der Regel trifft sich der Bundesrat jeden dritten Freitag. Zieht man die Sommerpause ab, kommt man auf etwa ein Dutzend Sitzungen pro Jahr. Also deutlich weniger als der Bundestag, der allein im Jahr 2020 mehr als 60 Mal tagte und bis heute auf insgesamt rund 4.500 Sitzungen zurückblickt. Doch im Unterschied zu ihm nummeriert der Bundesrat seine Versammlungen seit der allerersten Sitzung am 7. September 1949 fortlaufend. Für ihn gibt es keine Wahlperioden, schließlich wird er auch nicht gewählt.

Stattdessen besteht der Bundesrat aus Regierungsmitgliedern der 16 Bundesländer. Das heißt, er erneuert sich stets nur peu à peu durch die Landtagswahlen. Man nennt ihn deshalb auch „ewiges Organ“. Im Superwahljahr 2021 wählen ungewöhnlich viele Länder ihre Parlamente, nämlich: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Mit wie vielen Mitgliedern ein Bundesland vertreten ist, hängt von der Anzahl an Stimmen ab, die ihm zustehen: je nach Einwohnergröße mindestens drei und maximal sechs.

Zwischen Legislative und Exekutive

Über den Bundesrat vertreten die Länder ihre Interessen im Bund, er ist das zentrale Organ des Föderalismus. In Artikel 50 im Grundgesetz heißt es: „Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.“ Wenn auch nicht gänzlich gleichberechtigt, so ist er doch im weltweiten Vergleich eine starke Zweite Kammer. Und ein Unikat noch dazu: Als Gesetzgebungsorgan gehört der Bundesrat zur Legislative, besteht aber aus Ländervertretern, die wiederum Teil der ausführenden, exekutiven Gewalt sind. Diese Verbindung aus Legislative und Exekutive macht den Bundesrat weltweit einmalig.

Zuständig sind die Länder zum Beispiel für Bildung, Kultur und das Polizei- und Ordnungsrecht. In diesen Bereichen können die Landesparlamente eigene Gesetze erlassen. Die deutliche Mehrheit der Gesetze wird allerdings vom Bundestag beschlossen. Doch auch hier gestaltet die Länderkammer mit: Jedes Gesetz, dass der Bundestag beschlossen hat, lag auch auf dem Tisch des Bundesrates. Bei manchen muss er sogar ausdrücklich zustimmen, etwa wenn sie sich auf die Finanzen der Länder auswirken oder das Grundgesetzt ändern. Bleibt der Bundesrat bei seinem Veto, ist die Gesetzesinitiative gescheitert. Allerdings hat die Anzahl solcher Zustimmungsgesetze seit der Föderalismusreform 2006 deutlich abgenommen. Von den etwa 350 Vorlagen der aktuellen Wahlperiode bedurften nur rund 130 der Zustimmung des Bundesrates. Bei allen übrigen Gesetzen können die Ländervertreter zwar ebenfalls Einspruch erheben, diesen kann der Bundestag jedoch überstimmen.

Kompromisse finden

Gibt es keine Einigung, können Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. In neun von zehn Fällen geht die Initiative allerdings vom Bundesrat aus. Als eine Art „Hilfsorgan“ besteht der Ausschuss aus je 16 Mitgliedern beider Kammern und soll helfen, bei umstrittenen Gesetzesvorhaben einen Kompromiss zu finden. Zuletzt zum Beispiel beim sogenannten Adoptionshilfe-Gesetz, das der Bundestag Ende Mai 2020 beschlossen hatte und das beim Bundesrat nicht die erforderliche absolute Mehrheit von 35 Stimmen fand. Im Vermittlungsausschuss gilt: „Alles streng vertraulich.“ Seinen Einigungsvorschlag können Bundestag und Bundesrat akzeptieren oder ablehnen, verändern können sie ihn nicht. Im Fall des Adoptionshilfe-Gesetzes konnte der Vermittlungsausschuss mit seinem Kompromiss einen Erfolg verbuchen, das geänderte Gesetz soll am 1. April in Kraft treten.

Neben Bundestag und Bundesregierung hat auch der Bundesrat ein Initiativrecht in der Gesetzgebung. Die deutliche Mehrheit der Gesetze geht jedoch auf Entwürfe der Regierung zurück: 74 Prozent waren es von Beginn der ersten Wahlperiode 1949 bis zum Ende der letzten im Jahr 2017. Auf Platz zwei landete der Bundestag mit 15 Prozent, dahinter der Bundesrat mit 11 Prozent.

Ausschüsse: Herzstück der parlamentarischen Arbeit

Wie im Bundestag findet die eigentliche Sacharbeit in den Ausschüssen statt. Sie sind das Herzstück der parlamentarischen Arbeit. Dort wird jede Vorlage diskutiert, dort werden die Entscheidungen vorbereitet. Oft von Ministerialbeamten, die die Kabinettsmitglieder in den insgesamt 16 Ausschüssen vertreten.

In den öffentlichen Plenarsitzungen, die meist ruhig und ohne Zwischenrufe ablaufen, wird hingegen oft nur noch förmlich beschlossen, wenn es nicht gerade um strittige Themen geht. Los geht es für gewöhnlich um 9.30 Uhr im mehr als hundert Jahre alten Bundesratsgebäude in der Leipziger Straße. Anders als im Bundestag, dessen Sitzordnung sich am Rechts-Links-Schema orientiert, sitzen die Bundesratsmitglieder in Länderblöcken nach alphabetischer Reihenfolge. Rechts außen Baden-Württemberg, links außen Thüringen. Ihre Stimmen müssen die Länder einheitlich abgeben, meist beschließt die Landesregierung deshalb vorab, wie der sogenannte Stimmführer abstimmt.

Präsidentenwahl als Formalie

Auf die Ländervertreter wartet vor Ort ein straffes Programm mit nicht selten mehr als 50 Tagesordnungspunkten, die sie in drei bis vier Stunden abarbeiten. Ganz anders war das bei der allerersten Sitzung des Bundesrates 1949 im Bundeshaus in Bonn: Damals dauerte die Vollversammlung gerade einmal 41 Minuten. Es war eine der kürzesten Sitzungen in seiner Geschichte und zugleich die wohl bedeutendste: Vier Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegen sollte sie die Umkehr zur Demokratie einleiten.

Zum ersten Bundesratspräsidenten wählten die Ländervertreter damals NRW-Ministerpräsident Kai Arnold (CDU). 72 Präsidenten und zwei Präsidentinnen später übernahm Ende 2020 Reiner Haseloff (CDU) aus Sachsen-Anhalt das Amt. Ihm folgt in etwa einem Dreivierteljahr der Ministerpräsident Thüringens. Denn jedes Jahr zum 1. November wechselt die Spitze des Bundesrates. Dabei ist die Wahl eigentlich eine reine Formalie, das Amt wechselt nämlich reihum, angefangen mit dem bevölkerungsstärksten Land. Beschlossen am 30. August 1950 in Königstein im Taunus, soll die Vereinbarung die Besetzung des Amtes loslösen von parteipolitischen Erwägungen. Der Bundesratspräsident oder die Bundesratspräsidentin ruft zum Beispiel die Plenarsitzungen ein und vertritt den Bundespräsidenten.

Welches Land gerade die Präsidentschaft innehat, entdeckt man bisweilen auch mit einem Blick ins Portemonnaie. Denn seit 2006 erscheint jedes Jahr eine Zwei-Euro-Sondermünze mit einem Wahrzeichen aus dem jeweiligen Land. Die Porta Nigra im rheinland-pfälzischen Trier, Schloss Neuschwanstein in Bayern, die Frankfurter Paulskirche und der Kölner Dom – all diese Motive finden sich bereits auf Euromünzen. Thüringen macht die Bundesländerserie 2022 komplett, dann wird eine Münze mit der Wartburg in Eisenach in Umlauf gebracht. (irs/08.02.2021)

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