Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 11. Februar 2021, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:
Zahlungsverkehr: Der Bundestag stimmte dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmittel (19/25631) auf Empfehlung des Rechtsausschusses (19/26601) zu. CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dafür, die Linksfraktion dagegen, die AfD enthielt sich. Entsprechend dem Ziel der Richtlinie diene der Entwurf dazu, den strafrechtlichen Schutz des unbaren Zahlungsverkehrs zu stärken, schreibt die Regierung. Die EU-Richtlinie 2019 / 713 vom 17. April 2019 enthält dem Entwurf zufolge Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Strafen zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln. Das deutsche Recht entspreche bereits weitgehend den Vorgaben der Richtlinie, heißt es weiter. Die noch erforderlichen gesetzlichen Änderungen werden vor allem dadurch vorgenommen, dass die Straftatbestände der Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln und des Computerbetrugs erweitert und durch einen neuen Straftatbestand der Vorbereitung des Diebstahls oder der Unterschlagung von Zahlungskarten, Schecks, Wechseln und anderen körperlichen unbaren Zahlungsinstrumenten ergänzt werden.
Naloxon: Der Bundestag lehnte mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen einen Antrag der AfD (19/10627) ab, eine „Ausstattung von Angehörigen der Bundessicherheitsbehörden mit Naloxon“ vorzunehmen. Darin schrieb die Fraktion, dass für Angehörige der Bundespolizei und weiterer Sicherheitsbehörden wie dem Bundeskriminalamt und der Bundeszollverwaltung „ein zunehmendes Gefährdungspotenzial durch die unbeabsichtigte Aufnahme von Carfentanyl und Fentanyl-Derivaten“ bestehe, die schwere gesundheitliche Folgen verursachen oder sogar lebensbedrohlich wirken könnten. Die Bundesregierung sollte aufgefordert werden, die potenziell gefährdeten Angehörigen der Polizei- und Sicherheitsbehörden des Bundes so schnell wie möglich angemessen mit dem Gegenmittel Naloxon auszustatten und entsprechende Schulungen in der Handhabung vorzunehmen. In der Begründung führte die Fraktion aus, dass Naloxon, das nasal verabreicht werden kann, in etlichen Fällen bereits zur Wiederbelebung oder Linderung von Vergiftungssymptomen eingesetzt worden sei. Der Fraktion zufolge ist Naloxon seit September 2018 in Deutschland auch als Nasenspray erhältlich. In dieser Form sei es als Gegenmittel am besten handhabbar. Das Naloxon-Nasenspray müsse auch in die Standardausrüstung der Bundespolizei und anderer gefährdeter Behörden aufgenommen werden. Naloxon diene dem Eigenschutz, aber auch dem Schutz Dritter wie etwa Drogensüchtiger mit Opiat-Überdosis. Abgestimmt wurde auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses (19/14423).
Eritrea: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde die Abstimmung über einen Antrag der AfD-Fraktion (19/15071), der Grundlagen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Eritrea schaffen und den wirtschaftlichen Aufbau der ostafrikanischen Republik forcieren und gestalten will. Die Antragsteller weisen darauf hin, dass Eritrea und Äthiopien im Juli 2018 nach zwei Dekaden ihre Feindseligkeiten formal beendet hätten. Damit besteht ihrer Ansicht nach die „Hoffnung auf langfristige politische und vor allem ökonomische Entwicklungen nicht nur in beiden Ländern, sondern auch in der Region“. Dies sei der richtige Zeitpunkt für deutsche Investitionen in Eritrea und die Aufnahme einer für beide Länder profitablen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die Bundesregierung solle außerdem die in Deutschland lebenden Eritreer unterstützen, in ihr Heimatland zurückzukehren, damit sie dort zum wirtschaftlichen Aufbau beitragen können. Zum Antrag liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor (19/19056).
Afrika: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde die Abstimmung über einen Antrag der AfD-Fraktion (19/20073) für ein 3-Säulen-Modell zur Industrialisierung sowie Energieversorgung und zum Ausbau der Infrastruktur in Afrika. Konkret solle sich die Bundesregierung für das Format eines wirtschaftlich orientierten Austauschs zwischen mit den afrikanischen Staaten sowie der Afrikanischen Union einsetzen und bereits getätigte Neuzusagen im Rahmen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit und in Afrika einfrieren, soweit diese noch nicht rechtsverbindlich geworden seien. Die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Chancen solle die Bundesregierung nutzen, um auch für die deutsche Wirtschaft den afrikanischen Kontinent als Absatzmarkt für Technologietransfer zu erschließen. Zur Abstimmung liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit vor (19/22901).
Nigeria: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde die Abstimmung über einen Antrag der AfD-Fraktion zur Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Nigeria (19/20080). Nigeria gehöre als drittgrößtes afrikanisches Lieferland für deutsche Importe und zweitgrößtes subsahara-afrikanisches Abnehmerland für deutsche Exporte zu den größten Handels- und Wirtschaftspartnern Deutschlands in Afrika, heißt es in einem Antrag. Gleichzeitig wachse die Bevölkerung rasant an. Während der Verhandlungen zu einer privilegierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Nigeria solle sich die Bundesregierung daher eindeutig zum Thema „Bevölkerungsentwicklung“ sowie deren negative Auswirkungen positionieren. Außerdem solle sie das Phänomen der illegalen Migration in die EU thematisieren und eine verbindliche Zusicherung der nigerianischen Regierung zur Bekämpfung dieser Migration als Voraussetzung für eine privilegierte wirtschaftliche Zusammenarbeit festlegen. Zur Abstimmung liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor (19/23307).
Öffentliche Anhörungen: Der Bundestag lehnte einen Antrag der Fraktion Die Linke (19/23115) mit der Forderung nach einer konkreten Frist für die Terminierung öffentlicher Anhörungen ab. Die Koalitionsfraktionen stimmten gegen, die Oppositionsfraktionen geschlossen für den Antrag. Die Geschäftsordnung des Bundestages enthalte bislang keine ausdrücklich geregelte Fristvorgabe für Anhörungen, hieß es vonseiten der Linken. Dies gelte auch für die durch eine Minderheit verlangte Anhörung. Die Mehrheit im Ausschuss könne damit den Termin für die Anhörung gegen den Minderheitswillen hinauszögern. Die Abgeordneten forderten in ihrem Antrag, eine Anhörung müsse auf Verlangen einer Minderheit im Ausschuss spätestens innerhalb von zehn Sitzungswochen nach der Beschlussfassung stattfinden. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (19/26082) zugrunde.
Obdachlosigkeit: Der Bundestag lehnte einen Antrag der FDP-Fraktion (19/26184) ab, obdachlose Menschen in der Corona-Pandemie nicht zu vergessen. CDU/CSU, SPD und AfD stimmten gegen den Antrag, die FDP und die Grünen dafür, die Linksfraktion enthielt sich. Die FDP begründete ihren Antrag damit, dass obdachlose Menschen von der Pandemie besonders betroffen seien. Aufgrund von Vorerkrankungen, einem geschwächten Immunsystem und einem häufig fortgeschrittenen Alter gehörten sie zur besonders gefährdeten Gruppe und hätten keine Chancen, im häuslichen Umfeld Schutz vor einer Ansteckung durch das Virus zu finden, hieß es in dem Antrag. Die Liberalen verlangten von der Bundesregierung deshalb, dringend eine Taskforce aus Bund, Ländern und Kommunen zu initiieren, um Probleme und Lösungen zu diskutieren und Zuständigkeiten zu fixieren. Außerdem müssten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das Infektionsrisiko in allen Einrichtungen der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe minimiert werde – beispielsweise durch Berücksichtigung aller Einrichtungen in der Coronavirus-Testverordnung. Gemeinsam mit den Ländern und Kommunen sollten Alternativen zu den wegfallenden Plätzen in Notunterkünften geprüft werden. Neben der Wohnungslosenstatistik sollte auch eine Obdachlosenstatistik eingeführt werden. Die FDP forderte außerdem, die (Weiter-)Entwicklung eines „Housing First“-Ansatzes voranzutreiben. Abgestimmt wurde auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (19/26610).
Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag stimmte zudem 17 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen zu, die beim Bundestag eingegangen waren und vom Petitionsausschuss beraten worden sind. Es handelt sich um die Sammelübersichten 780 bis 796 (19/26250, 19/26251, 19/26252, 19/26253, 19/26254, 19/26255, 19/26256, 19/26257, 19/26258, 19/26259, 19/26260, 19/26261, 19/26262, 19/26263, 19/26264, 19/26265, 19/26266).
Petition zur Vergütung und Kontrolle in der Pflege
Darunter befindet sich auch eine Petition mit der Forderung, die Arbeit im sozialen und pflegerischen Bereich wesentlich besser zu vergüten sowie die Arbeitsbedingungen zu beobachten und zu kontrollieren. Aus Sicht der Petenten weisen die aktuellen Zustände erhebliche Mängel „hinsichtlich Personalstand und Aufgabenzahl pro Person“ auf. Soziale Berufe wie Erzieherinnen und Erzieher sowie Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger seien die Grundlage in der Bevölkerung für Ausbildung und Pflege, heißt es in der Petition. Die Aufgabenvielfalt steige in regelmäßigen Abständen, ohne dass die Vergütung entsprechend angepasst werde. Daher solle die Vergütung auf mindestens 3.000 Euro brutto im Monat angehoben werden, wird gefordert.
Die durch den Petitionsausschuss verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales „als Material“ zu überweisen, „soweit es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im pflegerischen und sozialen Bereich geht“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zufolge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition unter Beachtung der erwähnten Einschränkung „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.
Konzertierte Aktion Pflege gegen Personalmangel
In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verweist der Ausschuss auf das am 24. Oktober 2019 beschlossene Gesetz für bessere Löhne in der Pflege (Pflegelöhneverbesserungsgesetz). Es diene der Umsetzung der im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) vereinbarten Maßnahmen. „In der Konzertierten Aktion Pflege wurden unter Einbeziehung aller relevanten Akteure in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege Maßnahmen und Empfehlungen erarbeitet, um die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten in diesem Bereich zu verbessern, Pflegekräfte in der Pflege zu halten und ergänzend auch Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen“, schreiben die Abgeordneten. Dadurch solle der zunehmende Personalmangel in den Pflegeberufen eingedämmt werden.
Die Vierte Pflegekommission, die noch vor Inkrafttreten des Pflegelöhneverbesserungsgesetzes als nichtständiges Gremium berufen worden sei, habe am 28. Januar 2020 eine Empfehlung über neue, verbesserte Mindestarbeitsbedingungen für die Pflegebranche beschlossen, heißt es weiter. Der Beschluss sei vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch die Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche vom 22. April 2020 umgesetzt worden.
Ordnungsgemäße Zahlung der Branchenmindestlöhne
Zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen im sozialen und pflegerischen Bereich, heißt es in der Beschlussempfehlung: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) prüfe im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz die Einhaltung deutscher Arbeits- und Sozialvorschriften – unter anderem auch die ordnungsgemäße Zahlung der Branchenmindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz wie die Mindestlöhne in der Pflegebranche.
Mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch sei die FKS gestärkt und mit zusätzlichen Prüfungs- und Ermittlungskompetenzen ausgestattet worden. Ziel des Gesetzes sei es, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch besser vor illegalen Lohnpraktiken und Arbeitsausbeutung zu schützen und Schwarzarbeit, Sozialleistungsmissbrauch und illegaler Beschäftigung noch konsequenter entgegenzuwirken. Zur Wahrnehmung der im Gesetz vorgesehenen neuen Aufgaben und Kompetenzen solle das Personal in der Zollverwaltung deutlich gestärkt werden. „Dabei sollen perspektivisch allein rund 3.500 Stellen zusätzlich für die FKS geschaffen werden“, teilt der Petitionsausschuss mit. (hau/eis/11.02.2021)