Datenstrategie der Bundesregierung zwischen Lob und Kritik
Datenstrategie der Bundesregierung
Über die Datenstrategie der Bundesregierung (19/26450) sowie einen FDP-Antrag zur Datenpolitik (19/26538) hat der Bundestag am Donnerstag, 11. Februar 2021, debattiert. Während die Unterrichtung nach einstündiger Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss Digitale Agenda überwiesen wurde, wird ein FDP-Antrag mit dem Titel „Datenpolitik für Selbstbestimmung, Wettbewerb und Innovation“ (19/26538) federführend im Innenausschuss beraten. Die FDP hatte die Federführung für ihren Antrag beim Ausschuss Digitale Agenda gesehen und wurde darin von den übrigen Oppositionsfraktionen unterstützt, konnte sich damit aber nicht gegen die Mehrheit der Koalitionsfraktionen durchsetzen.
Die Strategie sei ein positiver, wichtiger Aufschlag, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU). In der Pandemie sei deutlich geworden, dass sich datengetriebene digitale Geschäftsmodelle als „wesentlich resilienter“ gezeigt haben. „Daten retten leben“, sagte Bär weiter und verwies auf das am 10. Februar im Kabinett beschlossene bundesweite Krebsregister, das Daten der Bundesländer zusammenführen soll.
Innovative Datennutzung
An der Frage, ob und wie Daten genutzt werden, entscheide sich alles, deswegen habe man in der Strategie einen innovativen Ansatz unter dem Motto „Datensätze sind Datenschätze“ gewählt. „Viele Daten werden bislang gar nicht oder nur einmal genutzt. Das muss sich ändern, wenn wir zukunfts- und wettbewerbsfähig bleiben wollen“, betonte Bär weiter. Vor allem mittelständische Unternehmen besäßen Daten, die ungenutzt blieben.
Unterstützung bekam die Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin von der CDU-Abgeordneten Nadine Schön: „Corona hat uns gezeigt, dass wir einen Mehrwert haben, wenn wir Daten nutzen, das sehen wir jeden Tag.“ Die Strategie sei ein „wirklich großer, innovativer Start“ in die Datengestaltung der nächsten Jahre.
AfD: Entwürfe haben „handwerkliche Mängel“
Scharfe Kritik übte der AfD-Politiker Uwe Schulz, der von „vielen Strategien, bunten Broschüren, Internetseiten und Worthülsen“ sprach. Gesetzentwürfe würden jedoch „eher schleppend umgesetzt“ und hätten handwerkliche Mängel. So sei die Datenstrategie bereits im Januar 2020 angekündigt worden, und es sei nun „mehr als fraglich“, was umgesetzt werde.
Die Strategie enthalte einige wichtige Punkte, es mangele ihr aber an einer transparenten Darstellung der zeitlichen und strategischen Maßnahmen und einer übergeordneten Vision. Unbedingt verhindert werden müsse eine missbräuchliche Nutzung von Daten durch ausländische Staaten, betonte Schulz weiter.
SPD für eine Kultur des Teilens
Saskia Esken (SPD) sagte, das Wissen des 21. Jahrhunderts liege in den Daten. Daten seien Macht, und der exklusive Besitz sei ein „heißt umkämpftes Privileg“. Diese Macht dürfe nicht in der Hand der Wenigen bleiben, dies widerspräche dem demokratischen Prinzip.
Wissen verliere durch das Teilen nicht an Wert, sondern vielmehr entstehe dadurch neues Wissen, sagte sie weiter. Die Strategie, um die lange gerungen wurde, sei so von dem Ziel einer Kultur des Teilens geprägt. Esken betonte weiter, dass Datenschutz und Datennutzung sich nicht ausschließen.
FDP: Daten betreffen jeden
Auch der Ausschussvorsitzende des Digitalausschusses, Manuel Höferlin (FDP), kritisierte die vorgelegte Strategie als Dokument, das „250 zusammenhanglose Maßnahmen“ zusammenführe – ähnlich wie bereits die Digitalstrategie der Bundesregierung.
Daten seien ein Thema, das jeden betreffe, und das Internet der Dinge werde dies um ein Vielfaches potenzieren, sagte er. Höferlin warb für den von den Liberalen vorgelegten Antrag und dafür, datenpolitische Maßnahmen noch in dieser Legislatur umzusetzen. Er verwies auch auf das Thema der Nutzung von nicht-personenbezogenen Daten, das jetzt geklärt werden müsse.
Linke: Unkonkret und unverbindlich
„Es ist ein Fortschritt, dass die Strategie endlich da ist, aber sie kommt zu spät und vertagt viele Maßnahmen“, monierte für die Linksfraktion Anke Domscheit-Berg. Die Strategie bleibe an vielen Stellen unkonkret und unverbindlich, etwa beim fehlenden Bekenntnis zur Datenteilungspflicht.
Wenn der Staat Vorreiter werden wolle, müssten aus öffentlichen Geldern auch öffentliche Güter werden – vor allem, wenn es Daten betreffe, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, etwa den Wetterdaten, sagte Domscheit-Berg. Der fehlende Kulturwandel sei erkennbar an den Maßnahmen der Datenstrategie. Appelle seien nicht ausreichend, es brauche mehr Verbindlichkeit.
Grüne: Ein Minimalkonsens der Großen Koalition
Auch Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass die Strategie ein Minimalkonsens der Großen Koalition mit „vagen Absichtserklärungen und Prüfaufträgen“ sei: „Es ist gut, dass überhaupt irgendetwas vorliegt und dass einige wenige Einzelfragen geklärt werden“, sagte er etwa mit Blick auf das Thema Dateneigentum.
Die Strategie komme jedoch zu spät und sei zu dünn, sodass die Umsetzungschancen gegen Null tendierten, sagte von Notz ebenfalls. Es brauche jedoch dringend verbindliche Regelungen und belastbare Gesetze für Rechtssicherheit und Unternehmen und für die Rechte von Menschen.
Ressourcenschutz durch Datennutzung
Daten bilden nach Aussage der Bundesregierung (19/26450) die Grundlage der digitalen Gesellschaft. Mehr Daten innovativ, verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert zu nutzen, könne das Zusammenleben in Deutschland, in Europa und in der Welt bedeutsam verbessern und natürliche Ressourcen schützen.
Auch in Politik und Verwaltung würden Daten dabei helfen, Entscheidungen auf eine solidere Grundlage zu stellen und Regulierungen, Fördermaßnahmen und Dienstleistungen zu schaffen, die besser auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft und Wissenschaft eingehen, heißt es. Dazu gehört aus Sicht der Regierung beispielsweise, Mobilitätsdaten zu nutzen, um Staus zu vermeiden und klimafreundliche Verkehrskonzepte zu ermöglichen, die unsere Städte und Kommunen langfristig lebenswerter machen.
„Datenbereitstellung und Datennutzung erhöhen“
„Mit dieser Strategie wollen wir deshalb als Bundesregierung innovative und verantwortungsvolle Datenbereitstellung und Datennutzung insbesondere in Deutschland und Europa signifikant erhöhen – in der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Verwaltung. Gleichzeitig wollen wir auf Basis der europäischen Werte eine gerechte Teilhabe sichern, Datenmonopole verhindern und zugleich Datenmissbrauch konsequent begegnen“, wird mitgeteilt.
Die Datenstrategie umfasse vier Handlungsfelder: Die Verbesserung der Datenbereitstellung auf infrastruktureller Ebene und die Sicherung des Datenzugangs. Zweitens die verantwortungsvolle Datennutzung und Hebung von Innovationpotenzialen. Drittens will die Regierung die Datenkompetenz erhöhen und eine neue Datenkultur in Deutschland etablieren. Außerdem soll der Staat zum Vorreiter der neuen Datenkultur gemacht werden, damit er seiner besonderen Verantwortung gerecht werden kann.
Antrag der FDP
Die FDP fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/26538) unter anderem auf, die Umsetzung wichtiger Weichenstellungen im Bereich der Datenpolitik nicht in die nächste Legislaturperiode zu verschieben. Im Bereich der Datenautonomie solle der Einsatz von Datentreuhändern zur Förderung der Selbstbestimmung über personenbezogene Daten bei auftretenden Informationsasymmetrien oder Machtungleichgewichten in sogenannten „Vertrauensmärkten“ zwischen Anbietern und Datennutzern vorangebracht werden.
Die Regierung solle sich darüber hinaus bereits vor der nächsten Evaluierung der Datenschutz-Grundverordnung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Regelungen zur Ermöglichung der Delegierbarkeit von datenschutzrechtlichen Einwilligungen oder zumindest typisierten Entscheidungen ergänzt werden. In der Debatte um Datenzugangsrechte verlangen die Liberalen, eine klare Haltung gegen allgemeine Datenteilungspflichten einzunehmen und eventuelle Überlegungen zu sektorspezifischen Zugangsregeln auch nicht als „Datenteilungspflichten“ zu bezeichnen. (lbr/hau/11.02.2021)