Befragung der Bundesregierung

Svenja Schulze: Äcker sollen wie­der ein­laden­der wer­den für In­sek­ten

Die Bundesregierung will das Insektensterben stoppen und die Artenvielfalt schützen. Ein entsprechendes „Aktionsprogramm Insektenschutz“ sowie einen Entwurf für ein Insektenschutzgesetz hat das Kabinett nun verabschiedet. „Damit haben wir bewiesen, dass wir es ernst meinen: Äcker sollen wieder einladender werden für Insekten“, betonte die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Svenja Schulze (SPD). In der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 10. Februar 2021, lobte sie den nach langem Ringen gefundenen Kompromiss und verteidigte ihn gegen Kritik.

Weniger Chemie, mehr Raum für Insekten

So sehe dieser nun vor, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel bereits ab 2020 deutlich einzuschränken. Ende 2023 solle die Anwendung von Glyphosat in Deutschland ganz beendet werden. Das Glyphosatverbot gelte künftig nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für Haus- und Kleingärten sowie für öffentliche Grünflächen, erklärte Schulze. Auch Städte sollten insektenfreundlicher werden: „Wir wollen mehr Raum für Insekten auch außerhalb von Parks und Gärten.“ Dazu sollten Insektenlebensräume wie zum Beispiel Schnittstellen zwischen Wald und Wiese, Randstreifen von Wegen oder Hecken am Wegesrand besser geschützt und wiederhergestellt werden. Auch der „Staubsaugereffekt“ auf Insekten solle mithilfe insektenfreundlicher Lichtquellen eingedämmt werden.

Eine weitere zentrale Maßnahme des Aktionsprogramms sei die Reduzierung von Chemie: Pestizide und anderen Schadstoffen dürften künftig nur noch in „angemessenen Abstand“ zu Insektenlebensräume eingesetzt werden. In Schutzgebieten würden sie „weitgehend verbannt“. Insekten, betonte Schulze, bevor sie sich den Fragen der Abgeordneten stellte, seien kleine Nutztiere. Ihr Überleben sichere die Zukunft der Landwirtschaft – und nutze damit „uns allen“.

CO2-Steuer belastet Unternehmen und Bevölkerung

Karsten Hilse (AfD) griff als erster Fragesteller jedoch ein anderes Thema auf: Er kritisierte die zum 1. Januar in Kraft getretene CO2-Steuer und wollte von der Ministerin wissen, wie die Bundesregierung „auf die Idee“ komme, dass die „deutsche Energieverteuerung“ etwas anderes bewirke als die Abwanderung von Unternehmen und zunehmende Armut.

Schulze betonte, CO2 sei eine Belastung für Klima und Umwelt. Daher müsse es reduziert werden. Die Bepreisung sei somit genau das richtige Instrument, um ein Umsteuern in Richtung klimafreundlicher Alternativen auf den Weg zu bringen.

Landwirte nicht mit weiterer Bürokratie zu belasten

Alois Gerig (CDU/CSU) verwies auf das Höfesterben in Deutschland wollte wissen, wie die Bundesregierung sicherstellen wolle, dass die im Aktionsprogramm Insektenschutz geplanten Maßnahmen Landwirte nicht mit zusätzlicher Bürokratie belasteten. „Wie sorgen Sie dafür, dass dieser nationale ordnungspolitische Alleingang die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern nicht weiter erschwert und die guten kooperativen Ansätze von NGOs, Politik und Landwirtschaft gefährdet “, monierte Gerig.

Schulze stellte wiederum klar, dass auch ihr die Zukunft der Landwirtschaft am Herzen liege. Das Insektenschutzgesetz und die zusätzliche Verordnung zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, für die das Agrarministerium zuständig sei, seien deshalb „ausgewogen“ gestaltet. Mehr Insektenschutz bedeute nicht einfach mehr Bürokratie für die Landwirte. Auch die bereits existierenden kooperativen Ansätze würden gezielt gestützt und gefördert, unterstrich Schulze: „Solche Modelle, wie wir sie etwa aus Niedersachsen oder Brandenburg kennen, werden jetzt für ganz Deutschland auf den Weg gebracht.“

Kein wirklicher Fortschritt beim Glyphosat-Verbot

Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, warum die Ministerin den Ausstieg aus dem Pestizid Glyphosat bis Ende 2023 lobe. „Was daran das Neue und Positive ist, verstehe ich nicht. Glyphosat ist doch bis dahin überhaupt nur in der EU zugelassen“, monierte die Abgeordnete. Ihre Fraktionskollegin Sylvia Kotting-Uhl wollte zudem wissen, warum in der jetzt beschlossenen Version des Aktionsprogramms nicht mehr von einem Verbot „biodiversitätsschädigender Insektizide“, sondern nur noch von „bienen- und bestäuberfeindlichen Mitteln“ die Rede sei. Das schränke den Kreis der Insekten doch deutlich ein, so die Kritik.

Schulze erklärte zunächst, ein früheres Verbot von Glyphosat sei eben aufgrund genau dieser EU-Zulassung nicht möglich. Allerdings werde in Deutschland nun der Einsatz „deutlich“ reduziert. Auf Kotting-Uhls Nachfrage antworte sie, mit der Bezeichnung folge man nur der Sprache der Pflanzenschutzordnung. Im Kern meine die Formulierung aber das Gleiche.

Reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln

Carsten Träger (SPD) gab zu bedenken, Glyphosat sei nur eines von vielen Pflanzenschutzmitteln. Er bat die Umweltministerin zu verdeutlichen, auf welche Regelungen sich das Kabinett nun auch hinsichtlich anderer Mittel geeinigt habe.

Schulze betonte erneut, dass der Einsatz von Chemie in Schutzgebieten und auf Äckern deutlich reduziert werden soll. Das gelte für Herbizide wie auch für Pflanzenschutzmittel.

„Kalte Enteignung“ der Landwirte befürchtet

Dr. Gero Hocker (FDP) erkundigte sich nach den zusätzlichen Hilfen für Landwirte, welche die Bundesregierung zur Kompensation entstehender Nutzungserschwernisse angekündigt hatte. Viele Bauern sprächen von einer „kalte Enteignung“, so der Liberale. „Sie fürchten, dass die Summe nicht ausreicht und haben zudem Vorbehalte, dass umfangreiche bürokratische Auflagen erfüllt werden müssen. Was sagen Sie diesen Bauern?“

Die Ministerin erwiderte, sie sei grundsätzlich erstmal „froh“, so viele Mittel für Landwirte bereitstellen zu können. In der Gemeinsamen Außenpolitik der EU gebe es jetzt noch einmal neue Möglichkeiten, für einen Ausgleich für Landwirte zu sorgen.

„Dumpingpreise machen insektenfreundliche Landwirtschaft unmöglich“

Ralph Lenkert (Die Linke) schließlich wollte von der Ministerin erfahren, wie es sich Landwirte überhaupt leisten könnten, insektenfreundlich zu wirtschaften angesichts der Dumpingpreise in Agrarindustrie und Handel. „Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass Landwirte Fruchtfolgen einführen können, wenn nicht auch die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden?“

Schulze wies in ihrer Antwort zunächst daraufhin, dass dies eigentlich Fragen seien, die nicht im Kern nicht ihr Ressort beträfen. Dennoch begrüße sie natürlich ein Umsteuern in der Ackerbaustrategie hin zu vielfältigeren Fruchtfolgen, um den Humusaufbau auf den Böden zu fördern. Eine solche Strategie habe Landwirtschaftsministerin Klöckner bereits angekündigt. Die Kritik an Dumpingpreisen teilte Schulze ebenfalls und sprach sich für ein stärkeres Vorgehen dagegen aus: „Es muss für das, was Landwirtinnen und Landwirte leisten, auch endlich angemessene Preise geben.“ 

Zu Beginn der Plenarsitzung hatte der Bundestag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion den Tagesordnungen vom 10. bis 12. Februar 2021 zu. Darüber hatte vorab zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen hergestellt werden können. (sas/10.02.2021)

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