AfD-Vorstoß zur Einhaltung der Schuldenbremse stößt auf Widerspruch
Einem Vorstoß der AfD-Fraktion, die Verfassungswidrigkeit des aktuellen Bundeshaushalts feststellen zu lassen, wollte am Donnerstag, 11. Februar 2020, keine andere Fraktion folgen. Ihr Antrag mit dem Titel „Für einen verfassungskonformen Haushalt 2021 – Schuldenbremse einhalten – Abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes wegen des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsgesetz 2021)“ (19/26549) wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen.
Antrag der AfD
In dem Antrag wird der Bundestag aufgefordert, den von ihm verabschiedeten Bundeshaushalt 2021 wegen überhöhter Verschuldung für verfassungswidrig zu erklären und einen Gang vors Bundesverfassungsgericht zu befürworten. Der Deutsche Bundestag solle es begrüßen, heißt es darin, wenn sich eine ausreichende Zahl von Abgeordneten zusammenfindet, um in Karlsruhe die Feststellung zu beantragen, dass das Haushaltsgesetz 2021 mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig ist. Denn mit der bewilligten Kreditaufnahme in Höhe von 179,8 Milliarden Euro sei die Grenze nach der Schuldenbremse um 164,2 Milliarden Euro überschritten.
Der Bundestag hatte vor Verabschiedung des diesjährigen Haushalts eine außergewöhnliche Notsituation wegen der Corona-Pandemie festgestellt und damit eine Aussetzung der Schuldenbremse ermöglicht.
AfD: Regierung hat Notlage selbst herbeigeführt
Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer sagte dazu, der Bundestag habe es versäumt, die Asylrücklage zur Abwendung einer solchen Notsituation einzusetzen. „Man kann nicht zugleich Rücklagen haben und Notkredite aufnehmen“, das verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des Grundgesetzes und die Bundeshaushaltsordnung. Darüber hinaus gebe es im Bundeshaushalt 2021 keinerlei Einsparungen an anderer Stelle als Ausgleich für krisenbedingte Mehrausgaben.
Neben dem Vorwurf, die Koalition habe Möglichkeiten zur Einhaltung der Schuldenbremse nicht eingehalten, bestritt Boehringer aber auch, dass es überhaupt eine außergewöhnliche Notsituation gibt. „Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Überlastung des Gesundheitssystems, die Sterblichkeitsrate lag in Deutschland 2020 entgegen der Propaganda nicht über dem Erwartungswert“, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Fraktion und Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Erst die staatliche Überreaktion habe die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit herbeigeführt. Damit sei der Eintritt der wirtschaftlichen Not nicht der staatlichen Kontrolle entzogen gewesen, was jedoch Voraussetzung für die Aussetzung der Schuldenbremse sei.
Nun sei zu befürchten, dass die Notlage dauerhaft gemacht werden solle, bis 2022 und darüber hinaus, fuhr Boehringer fort. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), der dies gefordert habe, sei, auch wenn er es gleich dementiert habe, nur ehrlich gewesen. Braun hatte Ende Januar die Möglichkeit einer längeren Aussetzung der Schuldenbremse ins Gespräch gebracht, das allerdings umgehend relativiert. Es werde nun spannend sein, sagte Boehringer, wie die Haushaltseckpunkte 2022, die der Bundesfinanzminister in wenigen Wochen vorlegen will, damit umgehen. An die Abgeordneten der anderen Fraktionen appellierte Boehringer, wenn sie die Dinge anders sähen als seine Fraktion, dann „bringen Sie den Kasus zur Klärung nach Karlsruhe“.
CDU/CSU: Aussetzen der Schuldenbremse gerechtfertigt
Der CDU/CSU-Haushälter Eckhardt Rehberg erwiderte darauf, eine gesundheitliche Notlage sei nur deshalb nicht gegeben, „weil wir gehandelt haben“. In dieser Situation aber sei das Aussetzen der Schuldenbremse absolut gerechtfertigt. „Was soll denn noch eine außergewöhnliche Notsituation sein, wenn nicht diese?“, fragte Rehberg. An die linke Hälfte des Plenarsaals gewandt plädierte er aber auch dafür, so schnell wie möglich zur Einhaltung der Schuldenbremse zurückzukehren.
Rehbergs Fraktionskollegin Antje Tillmann erinnerte an die Arbeit der Föderalismuskommission, der sie angehört hatte und in der die Schuldenbremse vorbereitet worden war. Niemand, so wies sie die Argumentation Boehringers zurück, habe damals verlangt, dass der Staat erst die Kontrolle verlieren muss, bevor die Schuldenbremse ausgesetzt werden kann. „Wir wollten, dass der Staat die Kontrolle behält.“
FDP: Parlament, nicht Justiz muss entscheiden
Otto Fricke (FDP) stimmte der AfD-Fraktion in einigen inhaltlichen Kritikpunkten am Haushalt 2021 zu, aber nicht in ihrer Forderung nach einem Gang vors Bundesverfassungsgericht. Zurecht wiesen Verfassungsrechtler darauf hin, dass das oberste Verfassungsorgan in der Krise nicht die Exekutive sei, sondern die Legislative, das Parlament. Der AfD-Antrag verschiebe aber die Entscheidung auf die Judikative, und „da kann ein Parlament nach meiner Meinung nicht mitmachen“. Ein Gang vors Gericht sei nur im „äußersten Notfall“ angebracht.
Das Aussetzen der Schuldenbremse in der jetzigen Situation bezeichnete Karsten Klein (FDP) als richtig, sonst wäre der Staat „in dieser Krise nicht so handlungsfähig gewesen“. Wie zuvor schon Fricke wandte er sich aber ausdrücklich gegen ein längeres Aussetzen der Schuldenbremse. Man sei es „künftigen Generationen schuldig, dass sie handlungsfähig bleiben“, und dürfe ihnen daher keine Schuldenberge hinterlassen. Klein erklärte sich aber bereit, nach Überwinden der akuten Krise über „Nachjustierungen“ der Schuldenbremse zu reden.
SPD verweist auf künftigen Finanzbedarf
Verärgert über den AfD-Antrag zeigte sich Dennis Rohde (SPD). Sowohl über den Haushalt als auch über das Aussetzen der Schuldenbremse habe der Bundestag wochenlang ausgiebig diskutiert. „Hierher gehört die Debatte und nicht nach Karlsruhe“, rief Rohde. Er erinnerte an die Corona-Toten und die Menschen auf den Intensivstationen. „Weil wir diese außergewöhnliche Notsituation hatten, mussten wir handeln.“
Rohde verwies darauf, dass infolge der Pandemie auch in den nächsten Jahren die Staatseinnahmen geringer ausfallen würden. Gleichwohl lägen „Aufgaben vor uns, die wir nicht negieren können“. Er nannte den Kampf gegen den Klimawandel, die Digitalisierung, aber auch den Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Zudem wäre es „ein fataler Fehler, jetzt das soziale Sicherungssystem zusammenzustreichen“. Man müsse daher fragen: „Wo kommen diese Milliarden eigentlich her?“ Deshalb müsse man „jenseits der Frage Schuldenbremse ja oder nein“ über deren Anwendung und Ausgestaltung in den nächsten Jahren diskutieren.
Linke: Schuldenbremse muss weg
Aus einem anderen Grund als ihre Vorredner wies Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) den AfD-Antag ab: „Die Schuldenbremse ist das falsche Mittel, sie muss weg.“ Sie habe zu einem „unglaublichen Investitionsstau“ geführt und damit „unser Land um mindestens zehn Jahre zurückgeworfen“. Deshalb würden mit der Schuldenbremse auch nicht kommende Generationen entlastet, sondern im Gegenteil belastet.
Wer nun die Pandemieschulden unter Einhaltung der Schuldenbremse abbauen wolle, dem blieben nur Steuererhöhungen und Sozialabbau. Die Linke aber wolle eine solidarische Gesellschaft, und deshalb sei die Schuldenbremse ein Irrweg.
Grüne für Weiterentwicklung der Schuldenbremse
Klar gegen diese Position stellte sich Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen). Sie stimmte der ursprünglichen Aussage von Kanzleramtsminister Helge Braun zu und nannte diese „nicht skandalös, sondern schlicht ehrlich“. Man dürfe nicht „massiv in den erhofften Aufschwung 2022 hineinsparen“. Vielmehr brauche man ein „verlässliches Investitionspaket für die ganzen Zwanziger Jahre“.
Hajduk forderte ausdrücklich die Union auf, darüber ehrlich zu diskutieren. „Wir wollen die Schuldenbremse nicht abschaffen, wir wollen sie ergänzen und erweitern um eine Investitionsregel“, erklärte sie, „damit man im nächsten Jahrzehnt Zukunftsinvestitionen finanzieren kann.“ (pst/11.02.2021)