Massive Kritik der Oppositionsfraktionen an den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, gegen die sich CDU/CSU und SPD verteidigten, hat am Freitag, 26. Februar 2021, die Debatte über pandemiebedingte Wirtschaftshilfen bestimmt.
Der Bundestag lehnte nach einstündiger Debatte einen Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Pandemiebedingte Wirtschaftshilfen für Unternehmen an ein Verbot betriebsbedingter Kündigungen koppeln“ (19/25255), einen Antrag der FDP-Fraktion „Wertschätzung für Selbstständige – Sofort verlässliche und unbürokratische Corona-Hilfen schaffen“ (19/25241) und einen Antrag der AfD für eine Krisenüberbrückung für Schausteller, ihre Zulieferer und Hersteller und die Ermöglichung von Veranstaltungen mit entsprechendem Hygienekonzept (19/23711) abgelehnt. Beim Antrag der Linken und beim Antrag der FDP enthielten sich jeweils die Grünen, während die übrigen Fraktionen außer den Antragstellern dagegen votierten. Den AfD-Antrag lehnten alle übrigen Fraktionen ab. Zur Abstimmung lagen Beschlussempfehlungen des Wirtschaftsausschusses (19/26079, 19/24509) vor.
CDU/CSU: Unsere Hilfe sind bereits Kündigungsschutz
Mark Helfrich (CDU/CSU) bezeichnete die Abgeordneten der Linken als „Quarkbüddel“, plattdeutsch für ewige Meckerer. Bund und Länder hätten so weitreichende Hilfen für Wirtschaft und Beschäftigte geleistet wie kein anderes Land in Europa. Das vergesse die Opposition.
„Unsere Hilfen sind bereits Kündigungsschutz“ meinte er zum Antrag der Linksfraktion, die Hilfen an Kündigungsschutz zu koppeln. Überdies sei Corona kein Kündigungsgrund. Die Unionsfraktion stehe für die Unterstützung der Wirtschaft und den Erhalt von Arbeitsplätzen.
AfD: Eine Rieseninsolvenzwelle droht
Steffen Kotré (AfD) zeigte Unverständnis, dass der pauschale Lockdown noch andauere. Es drohe eine Rieseninsolvenzwelle. Zum Nutzen des Lockdowns gebe es keine wissenschaftlich belegte Studie. Er hielt der Regierung vor, Desinformation und Hysterie zu betreiben, aber keine Aufklärung.
Das Virus sei auf dem Rückzug, die Pandemie habe den Höhepunkt überschritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle die bürgerlichen Freiheitsrechte nicht wieder herstellen. Das sei Willkür. Der Lockdown müsse endlich aufgehoben werden.
SPD: Wir sind gut aufgestellt in Deutschland
Gabriele Katzmarek (SPD) beschrieb als Ziel der Koalition, die Wirtschaftsstrukturen in Deutschland zu erhalten. Dies gelte für Weltkonzerne im selben Maße wie für kleine Mittelständler oder Solo-Selbstständige: „Wir sind gut aufgestellt in Deutschland.“
Durch Kurzarbeit seien die Menschen in den Betrieben gehalten worden. Die Arbeitslosenquote sei nicht exorbitant angestiegen und im Januar sogar wieder gesunken. Sie versicherte, keine bürokratischen Hürden zu wollen, sondern schnelle Hilfen.
FDP: Cocktailschirmchen für Selbstständige
Johannes Vogel (FDP) meinte, die Friseure seien ja jetzt erhört worden, aber die anderen Branchen warteten noch auf verlässliche Perspektiven und wirksame Hilfen. Die Neustarthilfe für Selbstständige sei so, als werde ihnen ein Cocktailschirmchen in die Hand gedrückt. Sie grenze an einen Treppenwitz und reiche für ganz viele nicht.
Er kritisierte, dass Selbstständige gegebenenfalls Hartz IV beantragen sollten, Angestellte aber Kurzarbeitergeld bekämen. Es sehe so aus, als wolle die Regierung den Selbstständigen übelnehmen, dass sie keine Angestellten sind. Und dass sie nicht gewollt würden in diesem Land.
Linke: Regierungsversagen erster Güte
Pascal Meiser (Die Linke) konstatierte ein „Regierungsversagen erster Güte“. Auch wo dann Hilfen an Betriebe flössen, müsse sichergestellt sein, dass den Arbeitnehmern keine Kündigung drohe. Im vergangenen Jahr sei die Arbeitslosigkeit um 20 Prozent gestiegen.
Viele Unternehmer handelten verantwortungsvoll, aber eben nicht alle. Für die müsse der Staat klare Regeln aufstellen. Nötig sei der politische Wille zu Wirtschaftshilfen, die schnell ankommen und die an das Verbot betriebsbedingter Kündigungen gekoppelt sind.
Grüne: Regierung hat nur die großen Konzerne im Blick
Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) sprach vom wöchentlichen Ritual, über das Coronahilfen-Chaos der Regierung sprechen zu müssen. Die Regierung verstehe nicht die Lage kleiner Firmen und Solounternehmer und habe die großen Konzerne im Blick. Dabei müssten alle Betriebe unterstützt werden, nicht nur die großen und lauten Unternehmen.
Es zeige sich, „wie wenig Sie von der modernen Arbeitswelt verstanden haben“, meinte sie in Richtung Koalitionsfraktionen. Sie erlebe demoralisierte Menschen, die nicht mehr glaubten, dass die Politik ihnen helfen wolle.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion forderte die Bundesregierung auf, die Soforthilfe für Schausteller nicht rückwirkend vom Personalstand am Stichtag 31. März 2020 abhängig zu machen, sondern zum Nachteilsausgleich am Jahresmittel der vergangenen drei Jahre. Weiter plädierten die Abgeordneten in ihrem Antrag (19/23711) dafür, auf eine Betriebskostenerstattung auf der Basis des dreijährigen Mittels zu setzen und eine Investitionshilfe aufzulegen, die sich am dreijährigen Investitionsmittel des jeweiligen Schaustellers orientiert und für die Dauer der Unmöglichkeit zur Berufsausübung gilt.
Die AfD wollte außerdem erreichen, dass Veranstaltungen wieder stattfinden dürfen, wenn behördlich abgestimmte Hygienekonzepte vorliegen. Nur wenn Corona-Infektionsraten beziehungsweise Sterberaten wieder steigen, sollte man zu Verboten und Einschränkungen zurückkehren.
Abgelehnter Antrag der FDP
Die Liberalen forderten in ihrem abgelehnten Antrag (19/25241) von der Bundesregierung ein „verlässliches und unbürokratisches“ Hilfsprogramm für Selbstständige, Kulturschaffende, Freelancer und Freiberufler. Dabei müsse ein Unternehmerlohn vorgesehen werden, der die Lebensunterhaltungskosten abdeckt.
Ferner sollte eine unkomplizierte Antragsstellung sichergestellt werden. Es gehe nun darum, so die FDP, bei den betroffenen Berufsgruppen Liquidität herzustellen. Etwaige überschüssige Zahlungen sollten zu einem späteren Zeitpunkt verrechnet werden, hieß es in ihrem Antrag.
Abgelehnter Antrag der Linken
Die Linksfraktion forderte in ihrem abgelehnten Antrag (19/25255), Wirtschaftshilfen an Unternehmen, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie als Zuschüsse gewährt wurden, an ein Verbot betriebsbedingter Kündigungen zu koppeln. Die Fraktion verwies dabei auf entsprechende Regelungen in Österreich.
In Deutschland sei dies insbesondere deshalb nötig, weil die Hilfen mit dem Kurzarbeitergeld verrechnet werden würden. In bestimmten Fällen, so die Fraktion, könnten Unternehmen, die Kurzarbeitergeld beantragen, daher schlechtergestellt werden als solche, die betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. (fla/pez/hau/26.02.2021)