Zeit:
Mittwoch, 24. Februar 2021,
14
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300
Sozialverbände und Tarifpartner fordern einfache und faire Lösungen für die Ansprüche auf Kinderkrankengeld und Verdienstausfallentschädigung in der Corona-Pandemie und darüber hinaus. Die in der Corona-Krise veränderten Regelungen seien teilweise zu bürokratisch oder entsprächen nicht der Lebenswirklichkeit, kritisierten die Experten am Mittwoch, 24. Februar 2021, in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) über Reformvorschläge der Linken und der Grünen. Die Sachverständigen äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Sitzung wird am Donnerstag, 25. Februar, ab 12 Uhr zeitversetzt im Internet auf www.bundestag.de übertragen.
Gesetzentwurf der Linken
In dem Gesetzentwurf der Linksfraktion (19/22496) heißt es, die jetzigen Regelungen seien insbesondere für alleinerziehende Eltern in prekärer Beschäftigung problematisch. Für sie greife häufig keine besondere tarifliche Regelung, die zeitliche Begrenzung des Krankengeldersatzanspruchs im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei bei kleineren Kindern schnell erreicht.
Nach Ansicht der Linken sollten der Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung wie auch die finanzielle Absicherung der Betreuung erkrankter Kinder im Entgeltfortzahlungsgesetz eigenständig geregelt werden. Der Krankengeldanspruch gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen sollte entfristet werden.
Antrag der Grünen
Die Grünen-Fraktion schlägt in ihrem Antrag (19/22501) vor, den Kinderkrankengeldanspruch von Eltern bis zum Ende der Corona-Pandemie auf jährlich 20 Tage pro Kind und Elternteil und nach Ende der Pandemie auf jährlich 15 Tage pro Kind und Elternteil anzuheben. Bei Alleinerziehenden sollte der Anspruch auf 40 beziehungsweise 30 Tage pro Kind erhöht werden. Die Altersgrenze der Kinder sollte ferner von zwölf auf 14 Jahre angehoben werden. Zudem fordern die Grünen einen rechtlich bindenden Anspruch für Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgebern, zur Betreuung eines kranken Kindes mit Lohnfortzahlung freigestellt zu werden.
Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn sie ihr erkranktes Kind betreuen müssen und deswegen nicht zur Arbeit gehen können. Das gilt aber nur für Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, behindert und auf Hilfe angewiesen sind. Die Arbeitgeber übermitteln der Krankenkasse die Daten zur Berechnung des Kinderkrankengeldes, die Kasse zahlt dann den Ausgleich. Der Anspruch auf Kinderkrankengeld ist pro Kalenderjahr je Kind und Elternteil normalerweise auf zehn Arbeitstage begrenzt, bei Alleinerziehenden auf 20 Arbeitstage. Bei mehreren Kindern erhöht sich der Anspruch auf höchstens 25 Arbeitstage pro Elternteil, bei Alleinerziehenden auf 50 Arbeitstage.
Anspruch auf Kinderkrankengeld ausgeweitet
In der Corona-Pandemie wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld ausgeweitet. 2020 lag der Anspruch je Elternteil bei 15 Arbeitstagen, für Alleinerziehende bei 30 Arbeitstagen. Mit mehreren Kindern lag der Anspruch bei maximal 35 Arbeitstagen, für Alleinerziehende bei 70 Arbeitstagen. Rückwirkend zum 5. Januar 2021 ist der Anspruch auf Kinderkrankengeld nochmals ausgeweitet worden (19/25868) und gilt auch dann, wenn die Betreuung des Kindes pandemiebedingt erforderlich ist, also etwa Kita oder Schule geschlossen sind.
Für das Kalenderjahr 2021 liegt der Anspruch je Elternteil und Kind nun bei bis zu 20 Arbeitstagen, für Alleinerziehende bei bis zu 40 Arbeitstagen. Mit mehreren Kindern verlängert sich der Anspruch je Elternteil auf 45 Arbeitstage, für alleinerziehende auf längstens 90 Arbeitstage. Zur Refinanzierung der erweiterten Ansprüche ist ein ergänzender Bundeszuschuss von 300 Millionen Euro für 2021 vorgesehen.
„Lebensrealität von Familien unzureichend berücksichtigt“
Der Verband alleinerziehender Müller und Väter erklärte, der Zweck, Familien mit kranken Kindern finanziell zu unterstützen, werde für Alleinerziehende mit dem Kinderkrankengeld häufig nicht ausreichend erreicht. Mit den Anspruchsvoraussetzungen werde die Lebensrealität vieler Familien nur unzureichend berücksichtigt. Daher werde die Anhebung der Altersgrenze auf 14 Jahre, eine Staffelung des Anspruchs auf Kinderkrankentage nach Kindesalter und die Einführung einer Lohnfortzahlung bei Krankheit eines Kindes im Entgeltfortzahlungsgesetz ausdrücklich unterstützt.
Der Verband habe begründete Zweifel daran, ob das ausgeweitete Kinderkrankengeld ein geeignetes Instrument zur Absicherung von Familien im Lockdown sei. Viele Alleinerziehende nähmen die Leistung nicht in Anspruch, weil sie finanzielle Einbußen befürchteten, aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder aus Verantwortung für den Job. In anderen Fällen sei das Kind schon zu alt für die Ausgleichszahlung.
„Einem Teil der Familien wird Unterstützung vorenthalten“
Nach Ansicht des Verbandes der Gründer und Selbstständigen sind in der Pandemie alle Familien gleichermaßen durch geschlossene Schulen und Kitas betroffen. Erwerbstätige Eltern sollten daher im gleichen Maße unterstützt werden, zumal das Corona-Kinderkrankengeld aus Steuermitteln finanziert werde. Tatsächlich werde aber einem Teil der Familien die Unterstützung vorenthalten. Besonders betroffen seien Familien von Freiberuflern und Selbstständigen.
Für gesetzlich Versicherte gebe es eine unbürokratische und großzügige Entschädigung, anderen erwerbstätigen Eltern ohne Anspruch auf Kinderkrankengeld bleibe nur der Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung. Die Entschädigung sei mit 67 Prozent des Nettoeinkommens gegenüber der Kinderkrankengeldregelung mit 90 Prozent des Nettoeinkommens aber deutlich nachteiliger. Viele selbstständige Familien scheiterten zudem an den bürokratischen Hürden, um den Anspruch geltend zu machen. Die Vergabepraxis sei restriktiv, erscheine lebensfremd und willkürlich. Allen erwerbstätigen Eltern sollte der gleiche Anspruch auf finanzielle Entschädigung für Kinderbetreuungstage in der Pandemie zugestanden werden.
„Gesetzliche Regelungen besser handhaben“
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) forderte eine bessere Handhabung der gesetzlichen Regelungen. Entschädigungsansprüche nach Paragraf 56 des Infektionsschutzgesetzes müssten ebenso praktikabel und unbürokratisch einsetzbar sein wie die Vorgaben für das Kinderkrankengeld. Daran mangele es jedoch.
Das Infektionsschutzgesetz passe insoweit nicht zur Lebenswirklichkeit der Pandemie und sollte so weiterentwickelt werden, dass der Arbeitnehmer wie beim Kinderkrankengeld selbst den Antrag stellt. Bislang müsse der Arbeitgeber die Anspruchsberechtigung seines Mitarbeiters im Erstattungsverfahren darlegen. Viele Firmen kämpften anschließend um die Rückerstattung der Vorausleistungen.
„Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung berücksichtigen“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält eine inhaltliche Aufwertung der geltenden Bestimmungen zum Freistellungsanspruch und der Entstehung von Entgeltfortzahlungsansprüchen bei kranken Kindern für richtig und erforderlich. Der DGB warnte aber zugleich vor den finanziellen Auswirkungen einer Leistungsausweitung und empfahl, die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung über das Jahr 2021 hinaus zu berücksichtigen.
Teil einer Reform sollte die Altersbegrenzung von zwölf Jahren sein, die mehr oder minder willkürlich gewählt worden sei und nicht den tatsächlichen Erkrankungsprävalenzen und möglichen Belastungssituationen für Eltern entspreche. (pk/24.02.2021)