AfD erntet Gegenwind für Anträge zur „Wirtschafts- und Lockdown-Krise“
Der Bundestag hat am Donnerstag, 4. März 2021, über Perspektiven für die vom Lockdown betroffene Wirtschaft debattiert. Impulsgeberin für die Aussprache war die AfD-Fraktion mit drei Anträgen. Darin setzt sich die Fraktion für einen „Aufbruch für Deutschland“ ein. Deutschland müsse „raus aus der Wirtschafts- und Lockdown-Krise“, so der Titel des ersten Antrags (19/26895). Darüber hinaus fordert sie eine „Senkung der Umsatzsteuer von 19 auf 15 Prozent beziehungsweise 7 Prozent auf 5 Prozent“ (19/27204). Der dritte Antrag der AfD trägt den Titel „Aufbruch für Deutschland – Beendigung der vom Staat zu verantwortenden Corona-Krise und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft“ (19/27206). Der erste und dritte Antrag wurden an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie zur weiteren Debatte überwiesen, der zweite an den Finanzausschuss.
AfD: Lockdown so schnell wie möglich beenden
Für die Antragsteller erklärte der Abgeordnete Tino Chrupalla (AfD), das Land befinde sich seit Monaten im Stillstand. Die Corona-Maßnahmen seien unhaltbar, unvermittelbar und unverständlich, kritisiert er. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das Land in eine Sackgasse manövriert; Plan und Willen für ein Wendemanöver fehlten. Die AfD lege schlüssige und zügig umsetzbare Einzelmaßnahmen und Konzepte vor: Grundvoraussetzung sei ein Ende des Lockdowns so schnell wie möglich. Die Wirtschaft müsse wieder hochfahren.
Die Geschäfte, die noch existierten, bräuchten sofort Corona-Hilfen, sonst sei kein Neustart möglich. Auf Verbraucherseite sehe es so aus, dass vielen Menschen Geld fehle. Damit begründete Chrupalla die Forderung seiner Fraktion nach einer dauerhaften Senkung des Mehrwertsteuersatzes, von 19 auf 15 Prozent beziehungsweise 7 auf 5 Prozent zum 1. Januar 2022. Finanziert werden könnte dies durch Einsparungen etwa bei Zahlungen an die EU.
CDU/CSU: Menschenleben vor Wirtschaft
Peter Bleser (CDU/CSU) bezeichnete die Anträge als Sammelsurium in Wahlkampf-Zeiten, die zudem schludrig angefertigt worden seien. Menschenleben stünden vor wirtschaftlichen Erwägungen, mahnte der Abgeordnete. Merkel handle klug, besonnen und halte gleichzeitig die Wirtschaft am Leben. Außerdem sei das Ziel nicht mehr weit, bis Ende des Sommers könne die Pandemie bewältigt sein.
Die AfD habe nicht verstanden, welche Chancen vor allem in der Energiewende lägen, fügte Bleser weiter an. Dabei sei letztere Voraussetzung für weiteren wirtschaftlichen Erfolg. Die AfD vertrete sicher nicht die Wirtschaft; Unternehmen nämlich überböten sich derzeit mit Ankündigungen zur eigenen Klimaneutralität, so der Abgeordnete weiter.
SPD: AfD-Forderungen würden Milliardenausfälle bedeuten
Die SPD-Abgeordnete Dr. Wiebke Esdar fokussierte auf die Steuerpläne der AfD. Sie sagte, Zukunft gebe es nicht für lau. Eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer werde nur zu einem geringen Teil an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben, das zeigten internationale Beispiele. Die vollmundigen Versprechen der AfD würden sich also nicht erfüllen, bilanzierte Esdar.
Wenn die AfD die unteren Einkommen hätte entlasten wollen, hätte sie der Abschaffung des Solidaritätszuschlags zugestimmt. Wer an die Mehrwertsteuer ran will, sollte sie klug reformieren, wie Esdar weiter sagte. Die Forderungen der AfD würden indes zu Milliardenausfällen führen. Dieses Geld würde für die öffentliche Infrastruktur fehlen, wo es jedoch dringend gebraucht werde. Es gehe darum, die Gemeinschaft zu stärken, nicht zu spalten.
FDP: AfD längst im Lager der Corona-Leugner
Michael Theurer (FDP) sagte, die AfD sei längst im Lager der Corona-Leugner angekommen. In den Anträgen würden Steuersenkungen, Bürokratieabbau und Fremdenfeindlichkeit vermischt und mit Unwahrheiten vermengt – etwa über die Geldflüsse zwischen Deutschland und der EU.
Wer ethnische Kriterien zur Grundlage von Politik macht, ende in Krieg und Krise, sagte Theurer. Die große Idee der Europäischen Union lebe von durchlässigen Grenzen. Ein klares Bekenntnis zur EU sei die Grundlage jeglichen Wachstums, so der Abgeordnete.
Linke: 500 Milliarden Euro für sozial-ökologischen Umbau
Für die Linksfraktion bezeichnete Alexander Ulrich die Anträge als überflüssig und als Geisterfahrt. Die AfD habe zusammengefasst, was dem Land massiv schaden würde – beispielsweise wolle die Fraktion zurück zur Kernkraft und das Lieferkettengesetz streichen.
Ulrich richtete allerdings auch kritische Worte an das Wirtschaftsministerium. Dieses sei in der Corona-Krise ein Schwachpunkt. Wenn Gesundheit vor wirtschaftliche Interessen gestellt werde, müssten Wirtschafts-Hilfsmaßnahmen aber auch ankommen. Das was derzeit passiere, sei eine wirtschaftliche Katastrophe, so Ulrich. Altmaier habe seit dem Sommer nichts dazu gelernt. Der Abgeordnete erneuerte die Forderung seiner Fraktion, 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft in die Hand zu nehmen. Finanziert werden solle dies mit höheren Steuern für Reiche und Wohlhabende und einem Aussetzen der „schwarzen Null“.
Grüne: Immer wieder Ausnahmesituationen wegen Klimakrise
Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die AfD beweise mit den Anträgen ihre rückwärtsgewandte und zukunftsfeindliche Grundhaltung. Deutschland brauche die Zuwanderung von Fachkräften und eine entsprechende Willkommenskultur – die Vorschläge der AfD wiesen jedoch in die andere Richtung, führte Müller als Beispiel an. Auch sie verwies auf das Engagement vieler Unternehmen, die von der Bundesregierung mehr Einsatz für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft forderten.
Die Bundesregierung nehme diese Themen allerdings nicht ernst genug. Deutschland fehle nach wie vor die erforderliche Infrastruktur und ein ordnungspolitischer Rahmen. Müller warnte davor, dass die Klimakrise Deutschland immer wieder in Ausnahmesituationen bringe werde. Das Land sei darauf nicht vorbereitet.
Erster AfD-Antrag
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem ersten Antrag (19/26895), Zahlungen an die EU zu kürzen, an der Energiewende zu sparen und abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. So sollten „Verlustquellen“ geschlossen und der Wirtschaft der Weg aus der Krise erleichtert werden, erklären die Abgeordneten. Risiken könnten abgebaut werden, indem die Haftungsketten der EU unterbrochen und „deutsche Risiken aus Budgethebelungen, wie beim Europäischen Fonds für strategische Investition, unterbunden werden“. Außerdem fordert die AfD ein Ende der Lockdown-Maßnahmen.
Zur Begründung heißt es unter anderem, Deutschland habe beim Umbau der Gesellschaft im Rahmen der Energiewende erhebliche Vorleistungen erbracht. Nun sollten andere Staaten nachziehen.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag bemängelt die AfD, dass im Zeitraum zwischen 2006 und 2018 das deutsche Steueraufkommen stärker als die verfügbaren Einkommen gestiegen sei. Dies belaste die Kaufkraft von Einkommen und Barvermögen von Bürgern und Unternehmen, heißt es.
Um diesem Trend entgegenzuwirken schlagen die Abgeordneten eine „Reduktion des Umsatzsteuersatzes von derzeit 19 Prozent auf 15 Prozent und des ermäßigten Steuersatzes von derzeit 7 Prozent auf 5 Prozent zum 1. Januar 2022“ vor.
Dritter Antrag der AfD
In ihrem dritten Antrag bezeichnen die Abgeordneten der AfD die „pauschal angelegte Lockdown-Politik der Bundesregierung“ als „freiheitsfeindlich, wirtschaftsschädlich und medizinisch nicht zielführend“. Statt der durch die Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gelte es, den Schwerpunkt der Schutzmaßnahmen auf die tatsächlichen Risikogruppen zu legen, schreiben die Abgeordneten.
Die Wirtschafts- und Gewerbeeinschränkungen des aktuellen Lockdowns, so die AfD, müssten unverzüglich aufgehoben werden. Gleiches gelte für Kulturinstitutionen. Unter Einhaltung der Hygienevorschriften müsse ein freier Betrieb wieder möglich werden, heißt es in dem Antrag. (pez/sas/ste/04.03.2021)