Wenig Zustimmung für Grünen-Antrag zur Transformation der Industrie
Bündnis 90/Die Grünen fordern, die Industrie mit einem Programm für eine ökologisch-soziale, digitale Transformation auf die Herausforderungen des Klimawandels vorzubereiten. Der Bundestag hat am Freitag, 5. März 2021, erstmals über den dazu von der Fraktion eingebrachten Antrag (19/26911) debattiert und ihn im Anschluss an die einstündige Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der FDP-Fraktion, der Deutschland als Leitmarkt für die Industrie 4.0 etablieren wollte (19/14030). Die FDP stimmte für ihren Antrag, die Grünen enthielten sich, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/22345) vor.
Grüne: Industrie braucht Planbarkeit
„Die Dekarbonisierung der Industrie ist die zentrale Voraussetzung für ihre Zukunftsfähigkeit“, sagte der Grünen-Abgeordnete Dieter Janacek. „Wer aber die Energiewende so ausbremst wie der Wirtschaftsminister, gefährdet diese Zukunftsfähigkeit.“
Janacek begründete den Antrag damit, dass „die Industrie Planbarkeit“ brauche.
CDU/CSU: Eine Assoziation von Leipziger Allerlei
Von den anderen Fraktionen kam zum Antrag wenig Zustimmung. „Eine Assoziation von Leipziger Allerlei“ machte der Unionsabgeordnete Carsten Müller aus. „Hat es alles schon gegeben.“ Viele Punkte im Antrag seien unbestritten richtig, aber diese Forderungen würde die Bundesregierung bereits umsetzen. „Bei der Energieeffizienz in der Industrie legte die Regierung einen ambitionierten Plan vor, wir sind genau auf Kurs.“ Bisher würden 300.000 Beschäftigte im Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten. „Das ist aus Sicht der Union richtig und zeigt große Erfolge“, sagte Müller. Dies fuße auf einer klugen Industriepolitik.
Genau die Fragen der Finanzierung kritisierte auch Matthias Heider (CDU/CSU). „Vieles ist gut gemeint, aber Industriepolitik muss auch gut gemacht sein“, sagte er. Und stellte in Aussicht: „Wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht, sehe ich sogar gemeinsame Ansätze. Aber wo gehen Sie auf Wirtschaftswachstum ein?“ Dies sei indes der Schlüssel für den Weg aus der Krise. Der CSU-Abgeordnete Hansjörg Durz sagte, es sei grundsätzlich gut, wenn die Opposition nicht nur herummäkele, aber: „Die Grünen beweisen: Besser können sie es auch nicht.“ Er hätte sich von ihnen gewünscht, was die Industrie zeige, „nämlich Innovationen“.
AfD: Großes grünes Wunschkonzert
Markige Worte zum Antrag bemühte der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm. „Es geht um das große grüne Wunschkonzert“ begann er. Dies zeige das „ganze Zerstörungspotenzial der grünen Ideologie“. Auch die Union sei „schon ganz dabei, tanzt nach Ihrer Pfeife“, rief er den Grünen zu. Dabei drohe Hunderttausenden Unternehmen die Pleite.
Mit Blick auf die Solarindustrie merkte Holm an: „Wir können eben nicht billiger als China produzieren.“ Und zu einer geplanten Batteriefabrik: „Es wird wieder schiefgehen.“ Die „angeblich tolle E-Mobilität“ führe in die Sackgasse und koste Hunderttausende Arbeitsplätze. Holm fasste zusammen: „Kein Haus, kein Auto, kein Spaß. Das ist die Politik der Grünen.“
SPD: Industriepolitik ein starker Anker in der Krise
Für die SPD protokollierte der Abgeordnete Bernd Westphal, es sei gut, wieder über Industriepolitik zu sprechen. „Sie ist ein starker Anker in der Krise.“ Es reiche aber nicht, hohe Ansprüche in Anträgen zu formulieren: „Da muss Verantwortung in der Regierung übernommen werden.“ Westphal sagte mit Blick auf das von einem grünen Ministerpräsidenten regierte Baden-Württemberg: „Da ist nichts passiert beim Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Die SPD aber wolle First Mover für diese Technologien, „wir organisieren Schutz im Wandel“.
Der Abgeordnete Falko Mohrs von der SPD merkte an, es reiche nicht, wenn man Ziele formuliert, man müsse auch den Plan dazu beschreiben. „Es gibt kein einziges Wort zur Leitindustrie der Automobilwirtschaft in diesem Antrag“, sagte er. „Da kann ich doch nicht den größten Teil ausblenden.“ Schließlich sagte Der SPD-Abgeordnete Timon Gremmels, der Antrag sei anschlussfähig an die Programmatik der Sozialdemokraten. „Was Sie fordern, haben wir umgesetzt.“
FDP: Wir brauchen Gas als Übergangstechnologie
Der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben räumte einen Wandel bei den Grünen ein. „Deutschland ist nach wie vor eine starke Industrienation. Der Antrag der Grünen zeigt: Sie wollen sich diesen Tatsachen nicht mehr verschließen.“ Die Industrie stehe aber aktuell erst mal vor der Bewältigung der Corona-Folgen. Ein „Leipziger Allerlei“ im Papier vermochte Houben nicht ganz zu erkennen, bemängelte aber die Forderung nach einem Gasausstieg. „Wir brauchen Gas als Übergangstechnologie. Wie wollen Sie das mengenmäßig angehen?“
Für die Liberalen meinte Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann, die Grünen würden Unternehmen als kleines Kind hinstellen. „Die Industrie aber treibt alles voran, bei Wasserstoff brauchen wir Mengen, Mengen, Mengen.“
Linke: Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat
Zustimmung dagegen kam von den Linken. „Wir finden den Antrag ganz gut, einiges von uns wurde übernommen“, sagte der Abgeordnete Alexander Ulrich. „Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Der freie Markt, wie es die FDP will, regelt das nicht.“ Allerdings kritisierte Ulrich: „Wer 500 Milliarden Euro in die Hand nehmen will, muss auch sagen, woher. Das sagen die Grünen nicht.“
Thomas Lutze (Die Linke) meinte dazu: „Deutschland muss seine Abhängigkeit von der Autoproduktion endlich überwinden.“ Und: Digitalisierung müsse zuallererst als Bildungsaufgabe verstanden werden.
Neuer Antrag der Grünen
Es solle als Investitionsprogramm für die nächste Dekade angelegt sein und 500 Milliarden Euro umfassen, erklären die Grünen in ihrem Antrag (19/26911). Ausschlaggebend für alle geförderten Vorhaben müsse sein, dass sie die ökologische Transformation voranbringen und die Gesellschaft zukunftsfähig und klimagerecht machen. Entscheidend sei auch, dass die Programme unbürokratisch bei schnellen Planungsprozessen organisiert seien. Konkret geht es den Abgeordneten um eine grüne Wasserstoffstrategie, um Investitionszuschüsse für den Ersatz fossiler Technologien und Verfahren in der Grundstoffindustrie und etwa Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung wie beispielsweise in hocheffiziente Maschinen und Anlagen.
Je eher sich Unternehmen verantwortungsvoll auf den Kurs hin zur ökologisch-sozialen Transformation begeben, desto bessere Chancen hätten sie auf den Märkten der Zukunft, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß. Eine grüne Industriestrategie ermögliche sauber und sozialverträglich produzierte Güter, Prozesse und Dienstleistungen, die den Bestand der Industrie in Europa nachhaltig sichern und deren Stärken neu begründen würden. Zudem hätten Industriestaaten wie Deutschland als historisch größte Verursacher von Treibhausgasen eine besondere Verantwortung und müssten deshalb bei der Dekarbonisierung führend sein.
Abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion drang auf eine umfassende Innovationsoffensive, um die Industrie fit für den digitalen Wandel zu machen. Die größte Herausforderung für die Industrie sei, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, schrieben die Abgeordneten in ihrem abgelehnten Antrag (19/14030). „Die Vernetzung eingebetteter Systeme mit wirtschaftlichen Abläufen in Unternehmen ist der Übergang zur vierten industriellen Revolution.“ Die Innovationsmöglichkeiten, die sich daraus ergäben, könnten der Wirtschaft die notwendigen Produktionszuwächse verleihen, hieß es weiter. Für Deutschland mit seinem wirtschaftlichen und Forschungsprofil biete sich die Möglichkeit, gerade hier Marktführer zu werden.
Die Abgeordneten forderten unter anderem Nachbesserungen bei der Hightech-Strategie der Bundesregierung sowie bei der steuerlichen Forschungsförderung. Gigabit-Infrastrukturen müssten sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk flächendeckend aufgebaut werden. Die IT-Sicherheit der deutschen Industrie sollte mit einem ganzen Maßnahmenbündel verbessert werden. (pez/sas/05.03.2021)