Petitionen

Pflege in Würde und klimaverträgliches Bauen

Die Forderungen nach einem umfassenden Maßnahmenpaket für ein klima- und sozialverträgliches Bauen und für eine bessere Pflege hat der Petitionsausschuss am Montag, 1. März 2021, in öffentlicher Sitzung unter Leitung von Marian Wendt (CDU/CSU) diskutiert.

Erste Petition für klima- und sozialverträgliches Bauen

Grundlage für die erste Forderung war eine öffentliche Petition des Architekten Michael Wicke, Mitglied der Initiative Architects for Future, die 57.476 Online-Mitzeichnungen auf dem Petitionsportal des Bundestages verbucht hat. 

Mit der Petition fordert Wicke einen klima- und sozialverträglichen Bausektor. Durch ein umfassendes Maßnahmenpaket solle vollständig auf nachhaltiges Bauen und Betreiben von Gebäuden umgestellt werden, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen und die Lebensqualität der gesamten Umwelt zukunftssicher zu gestalten. Als vordringlich benennt der Petent elementare Änderungen bezüglich Baustoffen, Kreislauffähigkeit, Ökobilanzierung, Bestandsschutz, Biodiversität, Bildung und Lehre sowie der Bedarfsplanung.

„Schon jetzt werden Kies und Sand knapp“

„40 Prozent des CO2-Ausstoßes in Deutschland werden durch den Bau und Betrieb von Gebäuden verursacht“, sagte der Petent vor den Abgeordneten. „Das ist doppelt so viel wie der gesamte Verkehr“, fügte er hinzu. Auch mit Blick auf den Ressourcenverbrauch schneide der Bausektor „erschreckend schlecht ab“. 90 Prozent der mineralischen, nicht nachwachsenden Rohstoffe würden in der Baustoffproduktion verbraucht. „Schon jetzt werden Kies und Sand knapp“, sagte Wicke. Die aktuellen baupolitischen Rahmenbedingungen müssten geändert werden – „und zwar jetzt“. Es brauche eine Bauwende.

Zwei der sieben Forderungen aus der Petition stellte der Petent vor dem Ausschuss in den Vordergrund. So müsse dem Prinzip „Umbau statt Neubau“ gefolgt werden. Ressourcen und Emissionen seien am schnellsten einzusparen, „wenn wir erst gar nicht bauen“. Das Vorhandene reiche aus, müsse aber optimal genutzt und erhalten werden. Bauen im Bestand sowie die nachhaltige energetische Sanierung müssten daher besser gefördert werden, verlangte Wicke. Gleichzeitig müssten bürokratische Hindernisse beseitigt werden, die heute das Bauen im Bestand verteuerten. Abriss hingegen dürfe nur noch erlaubt werden, „wenn er sozial und ökologisch begründet wird“.

„Bauprodukte kreislaufgerecht rückbauen“

Als zweiten wichtigen Punkt wurde eine funktionierende Kreislaufwirtschaft angeführt. Die „grauen Energiekosten“ sowie die Umweltfolgekosten müssten Beachtung finden, sagte die den Petenten begleitende Architektin Elisabeth Broermann. Gefordert wird daher unter anderem, dass der Marktpreis von Baumaterialien „alle Umweltfolgekosten“ umfasst. Auch müssten Bauprodukte kreislaufgerecht rückgebaut und verbaut werden, „um sie nach Dekonstruktion wieder verwenden zu können“.

Ressourcenaufwand und CO2-Ausstoß eines Gebäudes müssten über den ganzen Lebenszyklus transparent dargestellt werden. Ziel der Petition ist es auch, die Flächenversiegelung zu minimieren. Sie soll nur noch genehmigt werden, „wenn sie am Gebäude oder in direkter Umgebung ökologisch ausgeglichen wird“.

„Bundesregierung ist sich der Problematik bewusst“

Die Bundesregierung sei sich der Problematik bewusst, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), Volkmar Vogel (CDU), während der Sitzung. Er verwies darauf, dass das Bundesprogramm Energieeffizientes Gebäude einen Nachhaltigkeitsfaktor umfasse, der die in der Petition adressierten Themen beinhalte.

Zudem werde im Baulandmobilisierungsgesetz, das sich gegenwärtig im parlamentarischen Verfahren befinde, die Frage der Umnutzung von nicht mehr benötigten Gebäuden thematisiert, um Ressourcen zu schonen und sich trotzdem Innovationen nicht zu versperren. Um tatsächlich voranzukommen, brauche es aber die Zusammenarbeit aller staatlicher Ebenen – Bund, Länder und Kommunen, sagte Vogel.

Zweite Petition für eine bessere Pflege

Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte standen im Mittelpunkt der zweiten Petition, die der Petitionsausschuss in der Sitzung beriet. Die bis dato erfolgreichste Online-Petition in der Geschichte des Petitionsausschusses des Bundestages fordert eine Gesundheitsreform „für eine bessere Pflege zum Schutz der Pflegebedürftigen“ mit 206.667 Online-Mitzeichnungen. Mit ihren Unterschriften auf entsprechenden Listen haben zudem mehr 121.554 Menschen die Petition des Journalisten Bernhard Albrecht „analog“ unterstützt. Dank des mehr als deutlich überschrittenen Quorums (50.000 Unterstützer innerhalb von vier Wochen) wurde die Petition im Anschluss beraten.

Dabei verwies Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf erreichte Verbesserungen durch die „Konzertierte Aktion Pflege“ der Bundesregierung. Es gebe unter anderem mehr Perspektiven zur beruflichen Weiterentwicklung, eine bessere Bezahlung und Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Journalist Bernhard Albrecht, dessen Petition 206.667 Online-Mitzeichnungen und 121.554 „analoge“ Unterschriften aufweisen kann, räumte ein, dass in der Pflege mehr getan worden sei, als von den vorherigen Bundesregierungen.

„Grundziele sind nicht erfüllt worden“

Es gebe aber dennoch viel Ärger. Einige der Organisationen, die die Konzertierte Aktion Pflege unterstützt hätten, seien enttäuscht, weil ihre Grundziele nicht erfüllt worden seien. Die den Petenten begleitende Leiterin des Bereichs Gesundheit in der Robert-Bosch-Stiftung, Bernadette Klapper, sagte, die Aktion sei „ziemlich quantitativ ausgerichtet“. Das Bemühen um mehr Gehalt sei anzuerkennen.

Ebenso wie das Bemühen um mehr Fachkräfte aus dem Ausland ziele dies aber „auf mehr Hände ab“. Maßnahmen für echte Attraktivität, echte Wertschätzung und mehr Zutrauen fielen hingegen viel zu dünn aus und würden zudem in die Zukunft verschoben, kritisierte sie.

Plädoyer für bessere Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte

In seiner Eingabe fordert Stern-Autor Albrecht mit Blick auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte unter anderem verlässliche Arbeitszeiten, die Entlastung von Bürokratie sowie Personalschlüssel „nach echtem Bedarf“. Der Petent spricht sich auch für die Aufwertung des Berufsbildes der Pflege aus. Beiträge dazu seien höhere Gehälter, Zulagen und Entlohnung von Weiterqualifizierung, mehr Entscheidungsmöglichkeiten an den Patienten sowie bessere Karrierechancen. Benötigt werde zudem die konsequente Abkehr von Profitdenken und ökonomischen Fehlanreizen durch eine Gesundheitsreform.

Derzeit gelte: Je billiger die Pflege, desto höher der Gewinn, kritisiert der Petent. In den Krankenhäusern müssten Pflegende immer mehr Patientinnen und Patienten in immer kürzerer Zeit „durchschleusen“. Schuld seien der hohe ökonomische Druck und das Abrechnungssystem nach „Fallpauschalen“. Mehr „Fälle“ bedeuteten mehr Geld. „Hauptsache, die Stationen sind voll – egal, ob gute Pflege möglich ist“, heißt es in der Petition. Gewinne dürften aber nicht an Dritte, zum Beispiel Aktionäre, abfließen. Sie gehörten ins solidarisch finanzierte Gesundheitssystem reinvestiert, wird verlangt.

Spahn: Personalmangel ist ein Henne-und-Ei-Problem

„Wir brauchen jetzt eine grundlegende Reform unseres Gesundheitssystems. Nur so werden Pflegeberufe wieder attraktiv. Nur dann werden sich junge Menschen dafür interessieren – und auch die, die aus dem Beruf geflohen sind, zurückkehren“, heißt es in der Petition.

Aus Sicht von Gesundheitsminister Spahn ist der Personalmangel in der Pflege ein „Henne-und Ei-Problem“. Viele würden ihm sagen: „Ich komme in die Pflege zurück, wenn es mehr Kollegen und weniger Stress gäbe.“ Seine Antwort sei dann: „Es gäbe mehr Kollegen und weniger Stress, wenn alle Stellen besetzt werden könnten.“ Es sei sehr schwierig, eine Spirale, die sich in den letzten Jahren in eine Richtung gedreht habe, nun wieder zurückzudrehen. Gleichwohl sei damit begonnen worden, so Spahn. „Wir halten mit dem vollen Wasserstrahl auf das Problem. Die in der Pflege Tätigen haben aber das Gefühl, es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, erläuterte er seine Sicht des Problems.

„Gewinnmaximierenden Geschäftsmodellen Riegel vorschieben“

Was die geforderte Abkehr vom Profitdenken in der Pflege angeht, so sagte Spahn: „Gewinn braucht jeder, auch die Caritas und die AWO.“ Sichergestellt sein müsse aber, dass die Gewinne nicht zulasten der Pflege gehen. Ein Beitrag dazu sei die Ausgliederung der Pflegekosten aus den Fallpauschalen seit Anfang 2020. Alles, was für Pflege aufgewendet wird, werde den Krankenhäusern refinanziert.

Auch wenn nicht alle Betreiber in der Altenpflege problematisch seien, gebe es doch internationale Konzerne und Fonds, die über die Ausdünnung des Personals ihre Gewinne maximierten, befand Petent Albrecht. Derartigen Geschäftsmodellen müsse ein Riegel vorgeschoben werden. „Man muss die Pflegeversicherung und die Pflege so gestalten, dass Finanzinvestoren sich nicht die Taschen füllen können“, forderte er. (hau/01.03.2021)

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