Parlament

Bürgerrat übergibt Gut­ach­ten mit Handlungs­em­pfeh­lungen für die Politik

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hält einen Bericht in den Händen. Neben und hinter ihm stehen zwei Männer und Frauen mit Abstand vor Wänden mit Fotos und dem Schriftzug Bürgerrat.

Bundestagspräsident Schäuble bei der Entgegennahme des Berichts des Bürgerrates in der Bosch-Stiftung in Berlin (DBT/Henning Schacht)

Rund zwei Monate nach dem Auftakt hat der Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ am Freitag, 19. März 2021, nun sein Gutachten mit Handlungsempfehlungen an den Schirmherren des Bürgerrats, Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble, im Rahmen einer per Livestream übertragenen Veranstaltung übergeben.

Handlungsempfehlungen für die Politik

Rund 160 per Los ausgewählte Bürger hatten in dem unter anderem vom Verein „Mehr Demokratie“ initiierten und vom Ältestenrat des Bundestages beauftragten Bürgerprojekt darüber diskutiert, wie Deutschland künftig auf der weltpolitischen Bühne agieren soll.

Das Ergebnis ihrer Arbeit umfasst 76 Seiten und enthält 32 Empfehlungen für fünf Themenbereiche: Europäische Union, Frieden und Sicherheit, nachhaltige Entwicklung, Demokratie und Rechtsstaat sowie Wirtschaft und Handel.

Allgemeine Leitsätze und konkrete Forderungen

Neben allgemeineren Leitsätzen, in denen die Bürger das Eintreten der Bundesrepublik für Nachhaltigkeit, Klimaschutz, die Wahrung der Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit betonen, gibt es auch konkrete Forderungen – wie etwa jene nach der Schaffung eines Nachhaltigkeitsministeriums oder nach einem Aufnahmeprogramm der EU für Geflüchtete.

Die Bandbreite der Themen ist ebenso groß wie das vom Bundestag vorgegebene Thema.

Schäuble: Vertrauen kostbarstes Gut in der Demokratie

Das Thema sei komplex und „vielleicht zu umfassend gewesen“, räumte so auch Bundestagspräsident Schäuble nach der Entgegenahme des Gutachtens ein. Von dem Instrument des Bürgerrates jedoch zeigte er sich erneut überzeugt: Sein Potenzial liege in der Fähigkeit, Demokratie lebendig zu halten und zu stärken. „Das kostbarste Gut in der Demokratie ist das Vertrauen“, betonte Schäuble.

Dieses Vertrauen sei aber nicht zuletzt in der Corona-Pandemie schwächer geworden. Umso wichtiger sei es, die Anliegen des Bürgerrates jetzt ernst zu nehmen. Schäuble versprach, sich dafür einzusetzen, dass der Bundestag über die Empfehlungen berät. „Die Bürgerinnen und Bürger, die sich so engagiert haben, sollen eine Reaktion sehen.“ Auch wolle er dem kommenden Bundestag empfehlen, Bürgerräte als Instrument der Demokratieförderung einzusetzen.

Bundestag soll über Gutachten beraten

Diese Position fand in einer anschließenden Diskussionsrunde mit Abgeordneten viel Unterstützung: Michael Grosse-Brömer, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, und Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, zeigten sich zugleich beeindruckt von dem Engagement der Bürgerräte und ihrer „gut strukturierten“ Auseinandersetzung mit dem Thema.

Es sei „selbstverständlich“, dass sich der Bundestag im Plenum und in den entsprechenden Fachausschüssen damit beschäftige, bekräftigte Haßelmann. Grosse-Brömer hielt es zudem für sinnvoll, dass sich auch „das eine oder andere Ministerium“ damit befasst.

Bürgerräte machen Politik „bürgernäher“

Grigorios Aggelidis (FDP) betonte zudem, Bürgerräte böten der Politik eine große Chance – nämlich zu lernen, wieder „bürgernäher“ zu sein.

„Wir Politiker können uns von Ihrer Arbeit abschauen, wie wir die Bürger mehr mit einbeziehen und so das Vertrauen in die Demokratie nachhaltig stärken können.“

Skepsis gegenüber einzelnen Empfehlungen

Dr. Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion, gestand anfängliche Skepsis gegenüber dem Bürgerrat ein, da einer der Organisatoren, der Verein „Mehr Demokratie“, die Zusammenarbeit mit seiner Partei ausgeschlossen habe: „Die AfD ist die größte Oppositionsfraktion im Bundestag und von Millionen Wählern gewählt“, betonte Baumann.

Wie dieses Vorgehen zum Ziel des Vereins „Mehr Demokratie“ passe, sei unklar. Von der Arbeit der Bürger zeigte sich der AfD-Politiker jedoch positiv überrascht: Zwar sehe er manche Empfehlung kritisch, aber die Empfehlung, das deutsch-russische Verhältnis zu verbessern, unterstütze er klar.

„Kathedralen, Moscheen oder Synagogen der Demokratie“

Helge Lindh (SPD) hob wiederum hervor, dass gerade die Ergebnisse, die die Politik „herausforderten“, die eigentliche Qualität der Bürgerrate ausmachten: „Bürgerräte sollen ja nicht einfach nur die parlamentarische Arbeit spiegeln, sondern sie stärken.“

Bürgerräte seien „Kathedralen, Moscheen oder Synagogen der Demokratie“, in denen die Demokratie erlebbar werde, sagte Lindh und sprach sich dafür aus, die Fähigkeit von Bürgerräten, „auch bei gesellschaftlich umstrittenen Fragen“ über die Diskussion zu Antworten zu kommen, noch stärker zu nutzen. (sas/19.03.2021)

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