Abgeordnete wollen Signal gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei
Der Bundestag hat angesichts der Menschenrechtslage in der Türkei ein „klares Signal“ der Bundesregierung und der EU gegenüber dem Regime von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gefordert. In einer auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anberaumten Aktuellen Stunde kritisierten die Abgeordneten am Mittwoch, 24. März 2021, unter anderem die Verurteilung von Oppositionellen und Journalisten, das eingeleitete Verbotsverfahren gegen die zweitgrößte Oppositionspartei HDP sowie den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen.
Grüne fordern „deutlich spürbare Sanktionen“
Grünen-Politikerin Claudia Roth sprach im Plenum von einer „Welle von Repressionen“ und nannte den Austritt aus der Istanbul-Konvention „im allerbittersten Wortsinn einen Schlag ins Gesicht der Frauen in der Türkei“.
Der Bundestag stehe an der Seite der vielen mutigen Frauen, „die sich gegen die patriarchale Gewaltdominanz der Islamisten in der AKP verwahren“, betonte Roth, die „deutlich spürbare Sanktionen“, ein Ende der Rüstungsexporte in die Türkei und keine Ausweitung der Europäischen Zollunion forderte. Auch müsse der „asylrechtwidrige und menschenrechtsverachtende Flüchtlingsdeal“ von EU und Türkei beendet werden.
Linke: Zollunion einfrieren, Waffenexporte beenden
Für ein Einfrieren der Zollunion und ein Ende der Waffenexporte sprach sich auch Sevim Dağdelen (Die Linke) aus. Erdoğan habe den Kurs des Landes in Richtung islamistischer Unterdrückungsstaat verschärft, urteilte sie.
Bundesregierung und Europäische Union machten sich mitschuldig an Verbrechen in der Türkei, wenn sie das Land weiter mit Rüstungslieferungen und Wirtschaftshilfen unterstützten. „Wer wirklich helfen möchte, darf es nicht bei wortreicher Politik belassen, sondern muss handeln“, sagte Dağdelen.
FDP für Sanktionen gegen das „Regime“
Gyde Jensen (FDP) warf der Bundesregierung vor, Kritik am türkischen Präsidenten zur „reinen politischen Pflichterfüllung“ zu machen, die „mit Phrasen abgehandelt“ werde. Dabei sollte sie ihre Verantwortung als derzeitige Vorsitzende im Ministerkomitee des Europarats deutlicher werden lassen und ihre Beziehungen zur Türkei in einem Grundlagenvertrag neu regeln.
„Die Zivilgesellschaft muss unsere neue Partnerin sein“, betonte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, die sich zugleich für Sanktionen „die das Regime selbst treffen“ aussprach. Auch sollte die EU ein funktionierendes Asyl- und Migrationssystem aufbauen, da dies die entscheidende Grundlage dafür sei, „dass die EU sich nicht weiter von der Türkei erpressen lassen muss“.
CDU/CSU: EU-Außen- und Sicherheitspolitik neu ausrichten
Für die CDU/CSU warf Michael Brandt dem Erdoğan-Regime „offene Verachtung für freies Denken, ja für die Freiheit selbst vor“. Der Nato-Partner verletze die Werte des Militärbündnisses und erpresse Europa mit dem Flüchtlingsdeal. „Wir müssen glasklar bleiben: Wer uns erpressen will, der will und kann kein verlässlicher Partner mehr sein“, stellte Brandt klar.
Er sprach sich für eine strategische Neuausrichtung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik aus, „um der wachsenden Bedrohung durch die globale autoritäre Herausforderung begegnen zu können“.
AfD: Deutschland muss Wertekatalog im eigenen Land durchsetzen
Nach Ansicht von Prof. Dr. Lothar Maier (AfD) versucht Erdoğan eine ethnisch homogene Bevölkerung zu schaffen. Dies gelte auch für die Türken im Ausland. Hierzulande habe die türkische Politik eine Reihe von Instrumenten, „um unsere Politik zu beeinflussen“, kritisierte Maier mit Verweis auf Moscheevereine und türkische Medien.
Er forderte, Deutschland müsse seinen Wertekatalog im eigenen Land durchsetzen und dürfe Ehrenmorde, Zwangsheirat und Zwangsverschleierung nicht dulden.
SPD will klare Ansagen gegen Menschenrechtsverletzungen
Gabriele Heinrich (SPD) verlangte „klare Ansagen aus Berlin, Brüssel und dem Europarat“ gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Wenn dies nichts bringe, müssten weitere Sanktionen verhängt und die Türkei gegebenenfalls aus dem Europarat ausgeschlossen werden.
SPD:
Ihr Fraktionskollege Frank Schwabe warnte allerdings davor, den Ausschluss aus dem Europarat zu leichtfertig zu fordern. „Der Europarat ist nicht für die Staaten gemacht, sondern für die Menschen“, sagte Schwabe, selbst Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Seine Mitglieder hätten sich der Gerichtbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) unterworfen und Souveränitätsrechte an die Organisation abgegeben. Die „rote Linie“ sei allerdings überschritten, wenn die Türkei die Urteile des EGMR nicht bald umsetze, betonte Schwabe. (joh/24.03.2021)