Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 15. April 2021, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:

Versorgungsausgleich I: Der Bundestag nahm einen Gesetzentwurf zum Versorgungsausgleichsrecht (19/26838) gegen die Stimmen der Linken an. Vorgesehen ist unter anderem, dass der Versorgungsträger ohne Zustimmung der ausgleichsberechtigten Person die externe Teilung eines Anrechts nur verlangen kann, wenn bestimmte Wertgrenzen nicht überschritten werden. Hier sollen künftig in dem Fall, dass der Versorgungsträger hinsichtlich mehrerer Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung die externe Teilung verlangt, die Ausgleichwerte mit Blick auf die Wertgrenzen zusammengerechnet werden. Mit der Strukturreform war in Abkehr von dem früheren Ausgleichssystem, das eine Gesamtsaldierung der Versorgungsanrechte und einen Einmalausgleich über die gesetzliche Rentenversicherung vorsah, das Prinzip des Einzelausgleichs eingeführt worden. Ziel der Reform war es, mehr Teilungsgerechtigkeit herbeizuführen und den Ausgleich der Versorgungsanrechte für die Betroffenen verständlicher zu gestalten. Vor diesem Hintergrund können nun Entscheidungen der Strukturreform grundsätzlich nicht ohne rechtstatsächliche Untersuchung infrage gestellt werden. Dazu ist eine Evaluierung des Versorgungsausgleichs geplant, auf deren Basis über Änderungsbedarf entschieden werden kann. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugrunde (19/28503 Buchstabe a).

Versorgungsausgleich II: Der Bundestag lehnte einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Aufhebung einer Sonderregelung im Versorgungsausgleichsgesetz (19/13552) gegen die Stimmen der Linken und der Grünen ab. Danach sollte Paragraf 17 des Gesetzes aufgehoben und die externe Teilung werthaltiger Versorgungen zurückgenommen werden. Wie es in dem Entwurf heißt, enthält der Paragraf eine Sonderregelung hinsichtlich der externen Teilung von Betriebsrenten für bestimmte betriebsnahe Versorgungsarten. Während für die externe Teilung auf Verlangen des Versorgungsträgers grundsätzlich enge Wertgrenzen gelten würden, hebe die Sonderregelung diese Wertgrenzen für die Direktzusage als häufigste Versorgungsform und die betriebliche Unterstützungskasse erheblich an. Die Sonderregelung könne im Ergebnis zu einer Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes führen, der eine notwendige Folge des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie, der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und des Schutzes der während der Ehe beziehungsweise Lebenspartnerschaft erworbenen Versorgungsansprüche sei. Diese Verletzung gehe in der Praxis vor allem zulasten von Frauen. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugrunde (19/28503 Buchstabe b).

Versorgungsausgleich III: Der Bundestag lehnte einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine Anpassung des Zeitpunktes des Versorgungsausgleichs gegen die Stimmen der Linken und Grünen bei Enthaltung der FDP ab. Die Bedeutung des Versorgungsausgleichs für die Altersabsicherung geschiedener Eheleute erfordere ein Höchstmaß an Kontrolle, wenn es um die Richtigkeit der Entscheidung geht, heißt es in dem Antrag der Grünen (19/17793). Dies sei bei einer Durchführung zum Zeitpunkt der Scheidung nicht wirklich gewährleistet, weil sich bis zum Zeitpunkt des Renteneintritts nicht nur Zinssätze und Rentenbewertung, sondern auch die Rechtslage in vielerlei Hinsicht ändern könne. Der Bundestag sollte die Bundesregierung deshalb auffordern, bei der anstehenden Evaluierung des Versorgungsausgleichsgesetzes insbesondere zu prüfen, inwiefern die Durchführung des Versorgungsausgleichs erst bei Eintritt in das Rentenalter und eine Beschränkung der familiengerichtlichen Grundentscheidung über den Versorgungsausgleich zum Zeitpunkt der Ehescheidung auf die Feststellung der auszugleichenden Ehezeit und der in den Ausgleich einzubeziehenden Rente zu einer signifikanten Senkung der Abänderungsverfahren und zu mehr Rechtssicherheit für die geschiedenen Ehepartner führen würde. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugrunde liegen (19/28503 Buchstabe c).

Eurocontrol: Die Abgeordneten stimmt einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bereitstellung und den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen und -diensten durch Eurocontrol in der Bezirkskontrollzentrale Maastricht (19/27524) zu. Dagegen stimmte die AfD, die Linksfraktion und die Grünen enthielten sich. Im Rahmen der Einführung einer Kostenzuordnungsmethode werden die den verschiedenen Bereichen der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) zurechenbaren Kosten, unter anderem jene der Kontrollzentrale Maastricht (Maastricht Upper Area Control Centre/MUAC), transparent bestimmt und eindeutig dem jeweiligen Teil des Budgets zugeordnet. Die Umsetzung dieser Kostenzuordnungsmethode setzt die Änderung der Maastricht-Vereinbarung zwischen Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden auf der einen und Eurocontrol auf der anderen Seite vom 25. November 1986 voraus. Mit dem Gesetz werden die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes „für das Eingehen einer völkervertraglichen Bindung“ geschaffen. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses zugrunde (19/28479).

Abgesetzt: Seefischereigesetz: Der Bundestag hat die Abstimmung über eine Aktualisierung des Seefischereigesetzes (19/26840) von der Tagesordnung abgesetzt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, die Fischereiaufsicht seewärts der äußeren Begrenzung des deutschen Küstenmeeres ganz oder teilweise der Bundespolizei und der Zollverwaltung zu übertragen und die Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung durch eine Rechtsverordnung zu regeln. Damit personenbezogene Daten verarbeitet werden können, bedürfe es einer datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage im Seefischereigesetz. Ferner ist laut Regierung eine Änderung erforderlich, um der europarechtlichen Verpflichtung zur Durchsetzung des dynamischen europäischen Fischereirechts nachzukommen. Die bereits geregelten Ordnungswidrigkeitstatbestände einschließlich der derzeit bestehenden sogenannten Blankettnorm reichten für eine Durchsetzung des europäischen Fischereirechts nicht aus. 

Imame: Der Bundestag lehnte einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Förderung von Ausbildungsprogrammen für Imame und islamische Religionsbedienstete in Deutschland (19/6102) gegen die Stimmen der Linken und der Grünen ab. Darin sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, in Kooperation mit islamischen Theologen und muslimischen Verbänden „zu prüfen, wie islamisch-theologische und praxisorientierte Ausbildungsprogramme für Imame und islamische Religionsbedienstete etabliert werden können“. Auch sollte die Bundesregierung „Lösungen für langfristige Finanzierungsmodelle der Ausbildungsprogramme und die Honorierung für Imame und islamische Religionsbedienstete“ entwickeln. Ferner forderte die Fraktion die Bundesregierung unter anderem auf zu prüfen, „wie der Einsatz und die Bezahlung von in Deutschland ausgebildeten Imamen und islamischen Religionsbediensteten in den Gemeinden unabhängig von ausländischen Finanzierungsquellen gewährleistet werden kann“. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses zugrunde (19/25176).

Totenscheine: „Hinterbliebene entlasten – Totenscheine durch die gesetzliche Krankenkasse finanzieren“ lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (19/8274), zu dem der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/25827) vorgelegt hatte. Der Antrag wurde mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. In Deutschland müsse zur Feststellung des Todes und zum Ausstellen eines Totenscheins ein Arzt hinzugezogen werden, schrieb die Fraktion Die Linke. Da die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Tod ende, müssten Angehörige die vollen Kosten für den Totenschein tragen. Nach der Streichung des Sterbegeldes seien gerade Angehörige aus unteren Einkommensschichten von den Kosten für den Totenschein belastet, für den mehr als 100 Euro anfallen könnten. Die ärztliche Todesfeststellung sollte daher von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden, so die Fraktion.

Bildungsaustausch: Der Bundestag lehnte einen Antrag der FDP-Fraktion zur Stärkung des deutsch-schweizerischen Bildungs- und Forschungsaustauschs (19/23104) gegen die Stimmen der AfD und der FDP bei Enthaltung der Grünen ab. Danach sollten mit dem Schweizer Bundesrat Gespräche zur Schaffung eines Deutsch-Schweizerischen Jugendwerks zur Intensivierung des binationalen Jugendaustauschs aufgenommen werden. Die Bundesregierung sollte sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Schweiz wieder als Programmland in das Nachfolgeprogramm von Erasmus+ aufgenommen und als vollassoziiertes Land auch am Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ beteiligt bleiben kann. Die FDP unterstrich, dass Deutschland und die Schweiz als gemeinsamer Sprach-, Wirtschafts- und Kulturraum seit jeher enge Beziehungen pflegen. Die grenzüberschreitende Kooperation in Bildungs- und Forschungsfragen sei vor allem für den südlichen Teil Baden-Württembergs von großer Bedeutung. Die Hochschulverbünde Eucor und die Internationale Bodensee-Hochschule zeigten große Erfolge. Das weltweit nahezu einzigartige System der dualen Berufsausbildung zeichne beide Staaten aus. Anders als die anderen Nachbarländer Deutschlands sei die Schweiz jedoch kein Mitglied der Europäischen Union. Das stelle den Bildungs- und Wissenschaftsaustausch vor besondere Herausforderungen. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zugrunde (19/28520).

Digitale Lernförderung: Die Abgeordneten lehnten einen weiteren Antrag der FDP mit dem Titel „Digitale Lernförderung von Kindern in der Grundsicherung schaffen“ (19/27806) auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (19/28482) ab. Nur die FDP stimmte dafür, die Linksfraktion und die Grünen enthielten sich. Die Liberalen schrieben in ihrer Vorlage: „Durch pandemiebedingten Digitalunterricht zuhause werden Kinder und Jugendliche, die in sozioökonomisch schwierigen Bedingungen aufwachsen und bei denen das Elternhaus keine oder nur wenig Unterstützung beim Lernen leisten kann, benachteiligt. 68 Prozent der Eltern mit niedrigem Haushaltseinkommen sorgen sich um die Bildungszukunft ihrer Kinder.“ Sie forderten deshalb von der Bundesregierung, ein Programm aufzulegen, das sozial benachteiligte Kinder im Umgang mit digitalen Geräten und Lernplattformen fördert. Hierdurch sollte die Teilhabe am digitalen Unterricht und die Nutzung von digitalen Geräten zur Bildung, auch in Zukunft, besser ermöglicht werden.

Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Bundestag stimmte seinem Beitritt zu dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Aktenzeichen 2 BvR 547 / 21 bei Enthaltung der AfD-Fraktion zu. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vor (19/28500). Hintergrund des Verfahrens ist eine Verfassungsbeschwerde von Prof. Dr. Bernd Lucke und weiteren 2.280 Antragstellerinnen und Antragstellern gegen den mit 750 Milliarden Euro ausgestatteten EU-Wiederaufbaufonds (19/26821, 19/27901). Das Verfassungsgericht hatte die Ausfertigung des entsprechend von Bundestag und Bundesrat gebilligten Gesetzes bis zur Entscheidung über den Eilantrag gestoppt.

Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag stimmte zudem zwölf Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen ab, die beim Bundestag eingegangen waren und vom Petitionsausschuss beraten worden sind. Es handelt sich um die Sammelübersichten 836 bis 847 (19/2790619/2790719/2790819/2790919/2791019/2791119/2791219/2791319/2791419/27915, 19/2791619/27917).

„Auszahlungen aus privater Altersvorsorge nicht besteuern“

Darunter findet sich auch eine Petition mit der Forderung, Direktversicherungen, Lebensversicherungen und Rentenverträge, auch im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, die der privaten Altersvorsorge dienen, von der Einkommensteuer zu befreien. Zur Begründung ihrer Eingabe verweisen die Petenten darauf, dass die private Altersvorsorge von der Politik und der Wirtschaft als ein wesentlicher Baustein zur Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung gesehen und durch verschiedene Maßnahmen gefördert werde. Es sei aber vielfach den Menschen unklar, dass auf die später fälligen Auszahlungssummen Steuer- und Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Diese Regelungen seien in höchstem Maße ungerecht und würden als unsozial empfunden, schreiben die Petenten.

Die durch den Petitionsausschuss in seiner Sitzung am 24. März 2021 verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales „als Material“ zu überweisen, „soweit es um eine steuerliche Förderung von betrieblicher und privater Altersvorsorge geht“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zufolge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition mit der erwähnten Einschränkung „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.

Förderung beruht auf dem Prinzip der nachgelagerten Besteuerung

Wie der Ausschuss in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung unter Berücksichtigung einer Stellungnahme der Bundesregierung schreibt, beruht die Förderung der privaten Altersvorsorge und der betrieblichen Altersversorgung auf dem Grundsatz, „dass in der Ansparphase eingezahlte Beiträge steuerlich gefördert und die sich daraus ergebenden Leistungen nachgelagert im Zeitpunkt der Auszahlung besteuert werden“. Dem Prinzip der nachgelagerten Besteuerung folgend würden also die sich daraus ergebenden Altersleistungen besteuert. Die nachgelagerte Besteuerung, so heißt es in der Vorlage, habe für den Steuerpflichtigen den Vorteil, dass aufgrund der in der Regel geringeren Einkünfte in der Rentenphase der Steuersatz dann geringer ist als während der aktiven Erwerbsphase.

Der Petitionsausschuss betont außerdem die grundlegende Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung für die Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards im Alter und zur Vermeidung von Altersarmut. „Sie ist und bleibt die wichtigste Säule der Alterssicherung in Deutschland.“

„Hemmschwellen für Altersversorgungsvereinbarungen absenken“

Insgesamt bestehe aber durch veränderte wirtschaftliche und demografische Strukturen die Gefahr einer ansteigenden Altersarmut, heißt es weiter. Die private und betriebliche Altersvorsorge sei von daher zu einer unverzichtbaren Aufgabe geworden, um den erarbeiteten Lebensstandard annähernd zu sichern und Armut im Alter zu vermeiden.

Dennoch sei es so, dass vielfach Menschen auf diese an sich notwendige private Vorsorge verzichten. Ein Handlungsfeld der Politik müsse es daher sein, bestehende Hemmschwellen zum Abschluss entsprechender privater und betrieblicher Altersversorgungsvereinbarungen abzusenken, wenn nicht gar zu beseitigen, schreibt der Petitionsausschuss. (hau/eis/15.04.2021)

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