Recht

AfD mit Normen­kontroll­antrag zum Bevölkerungs­schutzgesetz gescheitert

Mit breiter Mehrheit haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 6. Mai 2021, einen Antrag der AfD-Fraktion (19/29309) auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 93 Absatz 1 Nr. 2 des Grundgesetzes zurückgewiesen. Der Antrag bezog sich auf das am 21. April 2021 vom Bundestag verabschiedete vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (19/28444, 19/28692, 19/28732, 19/28733).

Das Stimmergebnis stand nach namentlichen Abstimmung bei 563 zu 84 – bei einer Enthaltung. Der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht hätte die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Abgeordneten benötigt, was in Summe 178 Stimmen entspricht.

Antrag auf abstrakte Normenkontrolle

Nach Ansicht der Antragsteller ist das Infektionsschutzgesetz in seiner gegenwärtigen Form mit dem Grundgesetz unvereinbar. So sei etwa die Festlegung auf einen bestimmten Schutzmaßnahmen-Automatismus bei Erreichen eines Sieben-Tage-Inzidenzwerts von 100, wie ihn neuerdings der Paragraf 28b regelt, unverhältnismäßig, hieß es in der Vorlage. Der Inzidenzwert leide darüber hinaus an einer „immanenten Schwäche der Aussagekraft“, schrieb die Fraktion.  

Außerdem durchbreche die Bestimmung die Vollzugskompetenz der Länder, denen nun kein Auswahlermessen bei der Wahl geeigneter Maßnahmen mehr verbleibe. Auch verkürze sie ohne Not den Rechtsschutz, weil betroffenen Bürgern nur noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht offenstehe.

AfD: Das scharfe Schwert ist die Normenkontrollklage

Zu Beginn der Debatte warb Stephan Brandner (AfD) bei den anderen Fraktionen um Unterstützung im Kampf gegen das „offensichtlich verfassungswidrige  Infektionsschutzgesetz“. Er verwies darauf, dass neben der AfD auch die FDP und die Linksfraktion sowie Teile der Unionsfraktion gegen das Gesetz gestimmt hätten. Die FDP jedoch habe das „stumpfe Schwert“ der Verfassungsbeschwerde gewählt. Unter dem Vorsitz des ehemaligen stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Harbarth habe das Bundesverfassungsgericht aber alle Eilanträge abgelehnt.

„Das scharfe Schwert ist die Normenkontrollklage“, sagte Brandner. Dafür brauche es 25 Prozent der Abgeordneten, weshalb die AfD-Fraktion sowohl die FDP- als auch die Linksfraktion mit Bitte um Beteiligung angeschrieben habe. Aktuell sei noch keine Antwort eingegangen. Die AfD werde dennoch alles unternehmen, „um gegen diese offensichtlich verfassungswidrige Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorzugehen“, kündigte Brandner an.

CDU/CSU: Grundrechte gelten nicht schrankenlos

Nina Warken (CDU/CSU) nannte es erstaunlich, „dass die AfD seit Neuestem so viel Wert auf die Verfassung und die darin verbürgten Werte legt“. Da, wo es opportun erscheine und vermeintlich Stimmen bringe, erkläre sich die AfD zu Verfassungshütern. „Das ist nicht nur entlarvend, das ist auch lächerlich“, befand sie. Selbstverständlich würden Grundrechte „auch und gerade in Krisenzeiten“ gelten. Nicht aber völlig grenzen- und schrankenlos, wie man schon im juristischen Grundstudium lernen würde. Sie könnten insbesondere dort eingeschränkt werden, wo die Rechte anderer betroffen werden.

„Betroffen ist durch die Pandemie das ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“, sagte die Unionsabgeordnete. Aus ihrer Sicht ist zu erkennen, „dass die getroffene Maßnahmen anfangen zu greifen“. Den Antrag der AfD-Fraktion bewertete sie als „unbegründet, wenn nicht gar unzulässig“.

FDP rügt AfD-Antrag als „peinlich und unqualifiziert“

Von einem peinlichen und unqualifizierten Antrag sprach Dr. Wieland Schinnenburg (FDP). Unter anderem sei der von der AfD angestrengte Vergleich des Verteidigungsfalls mit den Corona-Schutzmaßnahmen „makaber und juristisch schlicht und ergreifend unsinnig“.

Schinnenburg verteidigte auch das Vorgehen der FDP gegen das geänderte Infektionsschutzgesetz mittels Verfassungsbeschwerde. Diese sei ein sehr scharfes Schwert. Das Bundesverfassungsgericht habe keineswegs festgestellt, dass das Gesetz verfassungskonform sei, sagte er. Das Gericht habe im Eilverfahren geurteilt und entschieden, dass die Folgen einer Aufhebung des Gesetzes „eher schlimmer sind“. Gleichwohl sei er optimistisch, so der FDP-Abgeordnete weiter, dass der FDP-Antrag im Hauptsachverfahren Erfolg haben werde. 

SPD: Es geht Ihnen nur um den kleinlichen Streit!

Dr. Edgar Franke (SPD) betonte, die bundeseinheitlichen Regelungen des vierten Bevölkerungsschutzgesetzes seien notwendig gewesen, um die Pandemie bei einer Inzidenz von über 100 in den Griff zu bekommen. Ausgangssperren seien ein ziemlich scharfes Schwert, räumte er ein. Sie könnten helfen, die Kontakte einzuschränken, müssten aber verhältnismäßig sein. Ausgangssperren ab 22 Uhr – erweitert für Sport und Spazierengehen bis 24 Uhr – seien eine angemessene und maßvolle Regelung, befand Franke. Auch deshalb sei möglicherweise der Eilantrag abgelehnt worden.

Der AfD warf Franke vor, sich gar nicht erst die Mühe zu machen, vernünftige Argumente oder gar Lösungsvorschläge zu präsentieren. Es gehe der Fraktion bei der Werbung um Unterstützung für eine Normenkontrollklage nicht um die Freiheit. „Es geht Ihnen nur um den kleinlichen parteipolitischen Streit“, sagte der SPD-Abgeordnete. 

Linke: Das Hohe Haus muss sich mit Bullshit beschäftigen

Niema Movassat (Die Linke) warf der AfD-Fraktion vor, mit der Debatte YouTube-Content generieren zu wollen. „Während Millionen Menschen in Deutschland ernsthafte Anliegen haben, etwa weil sie Angst vor dem Ruin oder Angst um ihre Gesundheit haben, zwingt die AfD dieses Hohe Haus dazu, sich mit Bullshit zu beschäftigen“, sagte der Linken-Abgeordnete.

Seine Fraktion habe vor zwei Wochen gegen das vierte Bevölkerungsschutzgesetz und die damit verbundene Änderung des Infektionsschutzgesetzes gestimmt, sagte er. Zum einen, weil die nächtlichen Ausgangssperren nicht erforderlich seien. „Vor allem aber, weil die Bundesregierung seit mehr als einem Jahr in der Corona-Krise nur hin und her schlingert“, sagte Movassat. Einig sei sie sich lediglich in dem Ziel, dass die Wirtschaft „für den Profit der Reichen und Mächtigen“ weiterlaufen müsse. 

Grüne: AfD nach dem Virus größte Gefahr in der Pandemie

Die AfD missbrauche den Begriff der Freiheit für ihre „freiheitsfeindliche, antidemokratische Ideologie“, sagte Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen). Die AfD habe schon im vergangenen Jahr, noch vor der zweiten Welle, das Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen gefordert. „Damit haben Sie nichts anderes gefordert, als die Freiheit für das Virus und damit die Gefährdung von unzähligen Menschenleben in unserem Land“, befand Dahmen.

Die „Fakten- und Evidenzfreiheit“ der AfD sei neben dem Virus die größte Gefahr in dieser Pandemie für alle Menschen. Freiheit bedeute nicht, die Freiheit, das Leben von Mitmenschen zu gefährden. Vielmehr müssten alle Parlamentarier den Schutz des Lebens in das Zentrum ihrer Arbeit stellen, forderte der Grünen-Abgeordnete. (hau/ste/eis/06.05.2021) 

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