Parlament

Schäuble erinnert an den Überfall auf die Sowjet­union vor 80 Jahren

Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble hat zu Beginn der Plenarsitzung am Mittwoch, 23. Juni 2021, an den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941, erinnert. Mit dem Angriff habe sich der im Polen- und im Balkanfeldzug begonnene Vernichtungskrieg ausgeweitet. Nirgendwo in Europa habe die deutsche Besatzungsherrschaft vor Terror, Gewalt und Verbrechen gegen Menschlichkeit zurückgeschreckt; auf besonders grausame Art habe sie aber im Osten und Südosten Europas gewütet. Getrieben von ihrer rassistischen Ideologie seien die Nationalsozialisten dem Vorsatz gefolgt, Menschen und Kulturen auszulöschen. „In ihren Worten: Juden, Bolschewisten und Slawen zu vernichten“, sagte Schäuble. 

„Ein angemessener Platz in unserer Erinnerungskultur“

Der Bundestagspräsident hob hervor, dass mehr als 27 Millionen Menschen, davon mehr als die Hälfte Zivilisten, ihr Leben verloren. Der Bundestag habe in einer Vereinbarten Debatte am 9. Juni an die Grausamkeit des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion erinnert. „Wir haben bekräftigt, den Opfern dieses Krieges einen angemessenen Platz in unserer Erinnerungskultur einzuräumen. Dem dient auch unser Beschluss, hier in Berlin eine Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu errichten“, sagte Schäuble.  

Das Gedenken in Deutschland und in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion verdeutliche, so der Bundestagspräsident, wie wichtig der Respekt für die unterschiedlichen Erfahrungen und die damit verbundenen Gefühle sei. Er sei „Grundlage für den Austausch und für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“, ohne die sich der Friede und die Stabilität auf dem Kontinent nicht dauerhaft werde sichern lassen und „um die wir uns deshalb sehr bemühen müssen“. Hier sei man allerdings schon einmal viel weiter gewesen. Dies zeigten nicht zuletzt die geschichtspolitischen Betrachtungen, mit denen „der russische Staatspräsident auf die innenpolitische Debatte in unserem Land einzuwirken versucht“.

Internationale Jugendbegegnung im Bundestag

Nach den Worten Schäubles lebt Erinnerung nur fort, „wenn nachfolgende Generationen sie pflegen“. Auch dafür setze sich der Bundestag ein: In diesem Jahr beschäftige sich die Internationale Jugendbegegnung mit den Verbrechen, die das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg an der Zivilbevölkerung verübt hat.

Die Jugendbegegnung, die traditionell zum Tag des Gedenkens am 27. Januar stattfindet, habe wiederholt verschoben werden müssen. Umso mehr freue er sich, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer „heute bei uns zu begrüßen“.

Sicherheitsarchitektur als Garantie für den Frieden

Schäuble sieht die Deutschen in der Verantwortung, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und „unsere freiheitlichen Werte zu verteidigen“, die Menschenrechte, das Völkerrecht und die darauf gründende Sicherheitsarchitektur, „die uns und unsere Verbündeten eint“. Sie sei die Garantie für den Frieden – in Europa und der Welt. 

Diesem Frieden diene die Bundeswehr, insbesondere die Soldatinnen und Soldaten, die „in unserem Auftrag in den Krisengebieten der Welt Dienst tun“. Auf der Tribüne begrüßte Schäuble einige Rückkehrer der Afghanistan-Mission „Resolute Support“. Er wies darauf hin, dass „in diesen Tagen“ dieses Mandat endet, das der Deutsche Bundestag vor sieben Jahren beschlossen und mehrfach verlängert hatte. Damit finde ein internationaler militärischer Einsatz in Afghanistan seinen Abschluss, der „nach den Terroranschlägen vom 11. September vor 20 Jahren begann“.

Dank an die Afghanistan-Rückkehrer

Der Bundestagspräsident dankte im Namen des Deutschen Bundestages allen, die am Einsatz in Afghanistan beteiligt waren, für Ihre Einsatzbereitschaft und dafür, Leib und Leben riskiert zu haben. „Wir vergessen nicht die Soldatinnen und Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben verloren haben. Wir wissen um den schweren Verlust für ihre Familien. Und wir denken auch an alle Veteranen, die körperlich oder seelisch versehrt zurückgekehrt sind“, betonte Schäuble.
Die Bundeswehr habe in diesem Einsatz manches erreicht für die Sicherheit in Deutschland und für die Menschen in Afghanistan. „Aber wir müssen ehrlich Bilanz ziehen. Viele Hoffnungen, die sich mit dem internationalen Einsatz verbanden, sind nicht in Erfüllung gegangen. Und das liegt nicht an Ihnen, den Soldatinnen und Soldaten“, betonte Schäuble.

„Ein Anfang für eine umfassende Gesamtbilanz“

Die auf die Rede Schäubles folgende Aktuelle Stunde im Bundestag zum geordneten Rückzug der Nato-Truppen aus Afghanistan ist nach seinen Worten ein „Anfang für eine umfassende Gesamtbilanz“. Die Erfahrungen am Hindukusch „lehren uns Demut, zurückhaltender in unseren Erwartungen und in der Einschätzung unserer Möglichkeiten zu sein“. Und sie „mahnen uns, unsere Schutzverpflichtung gegenüber der Bundeswehr ernst zu nehmen – im Übrigen auch gegenüber den afghanischen Ortskräften, die für die Bundeswehr, die Bundespolizei und andere deutsche Organisationen tätig gewesen sind“, so Schäuble unter Beifall.

Der Bundestagspräsident abschließend : „Aber von unserem Auftrag, den Frieden in der Welt zu sichern, rücken wir nicht ab.“ (vom/23.06.2021)

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