Antje Lezius: Passgenaue Ausbildungsangebote werden immer wichtiger
Die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ hat am Dienstag, 22. Juni 2021, ihren Abschlussbericht nach fast dreijähriger Arbeit der Öffentlichkeit präsentiert. Im Interview nimmt die Vorsitzende der Kommission, die CDU-Abgeordnete Antje Lezius, zur Tätigkeit der Kommission und zu deren Ergebnissen Stellung. Das Interview im Wortlaut:
Frau Lezius, die Arbeit der Enquete-Kommission hat durch die in der Pandemie sichtbar gewordenen Schwächen im Bildungssektor eine neue Aktualität bekommen. Welche Herausforderungen sind Ihnen in den Beratungen begegnet?
Es gab schon vorher vielfältige Herausforderungen, und die sind in der Pandemie wie unter einem Brennglas hervorgetreten: Es bleiben weiter viele Ausbildungsplätze unbesetzt – aus den unterschiedlichsten Gründen. In der Pandemie konnten keine Praktika stattfinden, auch war der normale Ausbildungsbetrieb unterbrochen. Zudem macht mir der ernst zu nehmende Mangel an Lehrkräften an Berufsbildenden Schulen Sorgen. Aber den Digitalisierungsschub durch die Pandemie hätte man mit keinem Gesetz so erreichen können.
Sie haben als Gremium selbst ab etwa der Hälfte der Sitzungen digital getagt. Welche Auswirkungen hatte das?
Am Anfang hat es etwas geruckelt mit der Technik und den Abläufen, aber wir haben kooperativ und ohne Unterbrechung weitergearbeitet – auch wenn uns der persönliche Austausch gefehlt hat. Die hybriden Sitzungen hatten aber auch Vorteile: So mussten etwa die externen Sachverständigen nicht extra nach Berlin kommen.
Was sind aus Ihrer Sicht die großen Themen für die Berufliche Bildung in den nächsten Jahren?
Es sind die Megatrends, die wir alle spüren. Also die digitale Transformation, die Globalisierung, der demografische Wandel und die Künstliche Intelligenz. Was ich bei den jungen Erwachsenen herausgehört habe, war so etwas wie eine Sinnsuche in dem, wie sie arbeiten. Bei unseren Besuchen in Ausbildungsbetrieben haben wir die große Freude von Azubis erlebt, wenn sie etwas mitentscheiden konnten und gefordert wurden.
Attraktivität und Passgenauigkeit von Ausbildungsangeboten werden also noch wichtiger werden in der Zukunft.
Ja, wenn Unternehmen gute Auszubildende haben wollen, müssen sie sich und die Ausbildung in ihren Branchen attraktiv machen. „Handwerk hat goldenen Boden“ – das hat man ja gerade in der Pandemie gesehen, aber es muss noch besser kommuniziert werden, dass die berufliche Bildung viele Türen und Aufstiegsmöglichkeiten öffnet. Dabei muss auch das Elternhaus mit einbezogen werden.
Sie haben am Ende der einzelnen Kapitel Handlungsempfehlungen eingefügt. Was sind für Sie die wichtigsten?
Es gibt ungefähr 400 Empfehlungen. Wichtig sind etwa die Abschaffung des Schulgelds, die stärkere Förderung von internationalen Austauschprogrammen und der Pakt für berufsbildende Schulen. Zu betonen ist, dass nicht nur der Bund adressiert ist, sondern auch die Länder und alle an der beruflichen Bildung beteiligten Akteure. Alle müssen etwas beitragen, sonst funktioniert es nicht.
Sie fordern im Bericht einen Pakt für berufsbildende Schule. Sind diese bislang zu kurz gekommen?
Wie wichtig es ist, eine funktionierende technische Ausstattung zu haben, ist in der Pandemie deutlich geworden. Beim Digitalpakt Schule haben wir gesehen, dass es eine funktionierende Infrastruktur braucht. Darauf aufbauend braucht es auch eine dauerhafte, verlässliche Finanzierung digitaler Lehrausstattung für berufsbildende Schulen. Weil es dort oft recht spezialisiert ist, gibt es höhere finanzielle Bedarfe – da ist es nicht mit einem Laptop getan. Das bleibt eine Aufgabe für die kommende Legislatur.
Was waren denn größere Streitlinien in den Beratungen der Kommission?
Ich als Mediatorin bin für den Kompromiss, aber wenn man an Stellen nicht zusammenkommt, ist es gut, ehrlich zu sein. Deswegen haben wir uns für das Mittel der geteilten Voten in dem Abschlussbericht entschieden. Das betraf etwa die Themen Ausbildungsgarantie, ein Recht auf Weiterbildung oder Finanzierungsfragen.
Was wünschen Sie sich für die Umsetzung Ihrer zahlreichen Vorschläge?
Ich erhoffe mir, dass viele Handlungsempfehlungen als Grundlage für künftige politische Entscheidungen herangezogen werden, also auch bei den nächsten Koalitionsverhandlungen. Den Adressaten der Empfehlungen wünsche ich ein mutiges Vorgehen bei der Umsetzung.
(lbr/25.06.2021)