Familie

Sachverständige skizzieren Handlungs­felder für künftige Ehrenamtspolitik

„Die Zeit ist reif für einen ordentlichen Ausschuss.“ Diesem Statement von Alexander Hoffmann (CDU/CSU), dem Vorsitzenden des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“, schlossen sich die Mitglieder des Gremiums und die Sachverständigen in der letzten Sitzung der Wahlperiode am Dienstag, 22. Juni 2021, an. 

Zu wichtig sei das ehrenamtliche Engagement von geschätzt fast der Hälfte der Bevölkerung für Gesellschaft und Demokratie als dass der Deutsche Bundestag dies nicht durch einen parlamentsrechtlich vollwertigen Ausschuss würdigen solle, so die Teilnehmer der Sitzung, in der es um eine Bilanz der Arbeit der zurückliegenden vier Jahre ging. 

Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement ist ein Unterausschuss des Familienausschusses.

„Ein Meilenstein in der Ehrenamts-Politik“

Stefan Zierke, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, würdigte die Arbeit des Gremiums und bedankte sich für dessen in der vergangenen Woche überreichten Abschlussbericht. Gesetzgeber und Bundesregierung hätten die Aufgabe, das Engagement von 40 Millionen Menschen zu würdigen und zu unterstützen.

Die 2020 gemeinsam eingerichtete „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ (DSEE) spiegele diesen Willen wider und zeige wie breit aufgestellt die Zivilgesellschaft in Deutschland sei. „Die Gründung der Stiftung ist ein Meilenstein in der Ehrenamts-Politik.“ Von deren Beratungskompetenz und Förderprogrammen sollten vor allem „die vielen“ profitieren und „nicht nur die großen Player“.

Mehrere Ministerien der Bundesregierung arbeiteten im Bereich des Ehrenamts zusammen. Dem Unterausschuss sei es gelungen, die Arbeit der einzelnen Häuser sowie die Interessen der Ehrenamtlichen und der Träger zu bündeln und den Themen, die das Ehrenamt beschäftigen, öffentlich Gehör und im Gesetzgebungsprozess Berücksichtigung zu verschaffen. 

„Noch immer zu hohe bürokratische Hürden“

„Auf Augenhöhe“ suche sein Haus die „partnerschaftliche, nachhaltige, auf Dauer angelegte Zusammenarbeit“ mit den Engagierten, sagte Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Die DSEE biete Beratung und Förderung an. Gemeinsam mit den beteiligten Ministerien und den Parlamentariern werde man weiter daran arbeiten, das Umfeld für ehrenamtliches Engagement in Deutschland zu verbessern. 

Noch immer sorgten zu hohe bürokratische Hürden für Unsicherheit in den Vereinen. Die weitere Entbürokratisierung bleibe daher wohl auf der Tagesordnung der kommenden Jahre. Die Engagement-Politiker im Bundestag müssten die Besonderheiten des Ehrenamtes bei allen Gesetzesvorhaben im Auge behalten. 

„Wir werden eine IT-Support-Hotline auf den Weg bringen“

Hohen Förderbedarf sieht Holze im Bereich des digitalen Strukturwandels der Vereine. Bei einem ersten Förderprogramm dazu habe die Zahl der Antragsteller den Förderrahmen um ein zehnfaches überstiegen. Bei der digitalen Transformation wolle die Stiftung weiter Partner der Ehrenamtlichen bleiben. Man werde aber nicht nur Projektmittel zur Ertüchtigung der Hardware- und Software-Infrastruktur ausreichen, sondern dies auch mit einem Beratungsangebot begleiten. „Wir werden eine IT-Support-Hotline auf den Weg bringen.“

Die Stiftung werde ihrem Auftrag entsprechend insbesondere den ländlichen und strukturschwachen Raum im Auge behalten und dafür ein extra Programm auflegen. Zudem werde man ein Mikro-Förderprogramm auf den Weg bringen. Es könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, wenn der Bund auf diese Weise durch eine eigene Institution als Geber und Ansprechpartner sichtbar werde, egal ob die Mittel an einen großen Verband gingen oder an eine kleine Initiative auf dem Dorf. 

„Zivilgesellschaftliches Potenzial wurde nicht abgerufen“

Mangels einer gemeinsamen engagementpolitischen Vision seitens der Regierungskoalition aber auch seitens der neuen Stiftung habe das „große Engagement-Potenzial der Zivilgesellschaft für unser demokratisches Gemeinwesen“ in den letzten Jahren leider „nicht abgerufen“ werden können, kritisierte Tobias Kemnitzer, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e. V

Es sei seitens des Unterausschusses in „handwerklich profunder Arbeit viel repariert, aber nicht genug vorgedacht“ worden. Auch der Stiftung mangele es noch an einer übergreifenden Idee, die die beiden eher unverbunden nebeneinander stehenden Säulen von Förderung und Service miteinander verbinde. Digitalisierung solle man unbedingt als Querschnittsaufgabe in Vereinen und Organisationen begreifen und nicht nur als einzelne Projekte. Und nach der Erschöpfung durch die Pandemie brauche es nun einen spürbaren Schub, um brach liegendes Engagement zu reaktivieren. Die „Corona-Unterstützung“ müsse in der kommenden Wahlperiode fortgeführt werden.

„Klärungsbedarf beim Gemeinnützigkeitsrecht“

„In der Digitalisierung werden wir ein großes Entwicklungsprogramm haben müssen“, unterstrich auch Dr. Ansgar Klein, Hauptgeschäftsführer beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), die bleibende Bedeutung dieses Bereichs für Ehrenamt und Vereine. Außerdem bestehe weiter Klärungsbedarf beim Gemeinnützigkeitsrecht. Es gebe nach wie vor große Unsicherheit bezüglich der politischen Dimension, die eigentlich vom Zweck gemeinnützigen Handelns nicht zu trennen sei. 

Zudem müsse man, am besten mit einer „kompetenten Bundesstrukturförderung“ stärker gegen Gewaltakteure vorgehen. Mit der neuen Bundesstiftung sei sein Netzwerk in guter Kooperation, wenngleich er nicht verstehe, warum das BBE nicht in den Stiftungsrat eingeladen worden sei. Die Stiftung dürfe das etablierte Netzwerk seiner Organisation selbstverständlich mit nutzen. (ll/22.06.2021)

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