Parlament

Der Rekordbundestag: Noch nie wurden so viele Drucksachen publiziert

Deckblatt eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung als Bundestagsdrucksache

Mehr als 31.000 Bundestagsdrucksachen wurden bislang in der laufenden Wahlperiode veröffentlicht. (DBT/Simone M. Neumann)

Die Wahlperiode ist noch nicht zu Ende, doch kann man schon jetzt eine klare Feststellung treffen: Noch nie hat ein Bundestag in vier Jahren mehr Drucksachen publiziert als der 2017 gewählte. In der laufenden 19. Wahlperiode sind bis Ende Juli dieses Jahres mehr als 31.700 Drucksachen veröffentlicht worden, das sind Gesetzentwürfe, Anträge, Große und Kleine Anfragen, Antworten der Bundesregierung, Entschließungs- und Änderungsanträge, Wahlvorschläge, Beschlussempfehlungen und Berichte, Verordnungen und Unterrichtungen. Gemessen an der Zahl der Drucksachen war der 17. Deutsche Bundestag von 2009 bis 2013 der zweitfleißigste – allerdings mit großem Abstand. Weniger als die Hälfte, nämlich „nur“ 14.838 Drucksachen, gehen auf sein Konto.

Warum ist das so? Noch nie war ein Bundestag mit 709 gewählten Abgeordneten größer als der aktuelle. Und es gibt sechs Fraktionen. Zwar zählte der allererste Bundestag 1949 noch acht Fraktionen, doch sank diese Zahl in den ersten vier Jahren auf fünf. Von 1960, als die Deutsche Partei ihren Fraktionsstatus verlor, bis zum Einzug der Grünen ins Parlament nach der Bundestagswahl 1983 blieb die Zahl der Fraktionen konstant bei drei: CDU/CSU, SPD und FDP.

Die wenigsten Drucksachen von 1980 bis 1983

Mit den wenigsten Drucksachen musste sich ausgerechnet der 9. Deutsche Bundestag in der verkürzten Wahlperiode von 1980 bis 1983 auseinandersetzen: nur 2.443 Vorlagen wurden in dieser letzten Phase der sozialliberalen Koalition beraten. Mehr als doppelt so viele waren es in der Wahlperiode von 1972 bis 1976 gewesen, als Annemarie Renger (SPD) Bundestagspräsidentin war: 5.953 Drucksachen beschäftigten das Parlament in dieser Zeit, in der auch die Kanzlerschaft von Willy Brandt auf Helmut Schmidt überging.

Bildete diese Zahl den Höchststand in den ersten neun Wahlperioden von 1949 bis 1983, so führte der Einzug der Grünen als vierter Fraktion zu mehr parlamentarischen Initiativen und damit auch zu mehr Bundestagsdrucksachen. 6.830 waren es in der 10. Wahlperiode bis 1987, 8.547 in der 11. Wahlperiode bis 1990 und 8.611 in der 12. Wahlperiode bis 1994.

Erste fünfstellige Drucksachennummer im März 1998

Die Wende und der am 2. Dezember 1990 gewählte erste gesamtdeutsche Bundestag führten nicht dazu, dass die Zahl der Drucksachen explosionsartig anstieg. Der 11. Deutsche Bundestag, am 25. Januar 1987 gewählt, zählte anfangs 519 Abgeordnete. Nach der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990 kamen 144 ostdeutsche Abgeordnete hinzu, sodass deren Gesamtzahl auf 663 anstieg.

Dem folgenden ersten gesamtdeutschen Bundestag nach der Wahl vom 2. Dezember 1990 gehörten 662 Abgeordnete an, die allerdings wie zu westdeutscher Zeit nur drei Fraktionen bildeten. Die PDS/Linke Liste und Bündnis 90/Die Grünen brachten es aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl nur zum Status einer Gruppe.

Die erste Bundestagsdrucksache mit einer fünfstelligen Nummer wurde am 3. März 1998, also im letzten Jahr der schwarz-gelben Koalition unter Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, veröffentlicht. Der Jahresbericht 1997 der Wehrbeauftragten Claire Marienfeld trägt die Drucksachennummer 13/10000 (die vorangestellte 13 steht für die Wahlperiode)..

Deutliche Zunahme im Fünf-Fraktionen-Parlament

Von einem rasanten Anstieg der Zahl der Drucksachen kann man dennoch nicht sprechen. Im Gegenteil: Der Höchststand der 13. Wahlperiode bis 1998 mit 11.472 Drucksachen wurde in den beiden folgenden „rot-grünen“ Wahlperioden bis 2002 und bis 2005 nicht erreicht. In der ersten Amtszeit von Bundestagspräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse sank die Drucksachenzahl auf 10.006, in der nur dreijährigen 15. Wahlperiode von 2002 bis 2005 sogar auf 6.016. In dieser Wahlperiode gab es im Gegensatz zur vorhergehenden nur vier statt fünf Fraktionen. Die PDS war lediglich mit den fraktionslosen Abgeordneten Petra Pau und Dr. Gesine Lötzsch im Parlament vertreten.

Einen deutlichen Schub verzeichneten die folgenden beiden Wahlperioden mit jeweils fünf Fraktionen im Parlament. In der Zeit der ersten Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel stieg der Drucksachen-Output auf 14.163, den die schwarz-gelbe Koalition von 2009 bis 2013 noch auf 14.838 steigerte. Eine Fraktion weniger bedeutete in der zweiten Großen Koalition unter Kanzlerin Merkel von 2013 bis 2017 auch gleich wieder weniger Drucksachen. Ohne die FDP summierten sie sich in diesen vier Jahren auf 13.705.

Kurs auf die 32.000. Drucksache

Der Einzug der AfD und der Wiedereinzug der FDP in den Bundestag nach der Wahl 2017 schufen dann die Voraussetzung für wahre Lawinen an parlamentarischen Initiativen in den vergangenen vier Jahren. Der Anfang war allerdings schleppend. Die langen Koalitionsverhandlungen und die Einsetzung eines „Hauptausschusses“ bis zur späteren Einsetzung der ständigen Ausschüsse führten dazu, dass die Parlamentsarbeit erst im Frühjahr 2018 richtig Fahrt aufnahm.

Viele Drucksachen bedeuten auch viel Beratungsbedarf. Manche Plenartagesordnung war mit dem zur Verfügung stehenden Zeitbudget – vor allem in den letzten Sitzungswochen im Frühjahr 2021 –  kaum noch in Einklang zu bringen. Gut möglich, dass bis zum Wahlperiodenwechsel im Oktober die Zahl von 32.000 Drucksachen deutlich überschritten wird. Die Bezeichnung „Drucksache“ ist übrigens geblieben, auch wenn die Papiervariante auf dem Rückzug ist und die elektronische pdf-Datei dominiert. (vom/27.07.2021)

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