Parlament

Josephine Ortleb: Es fühlt sich an, als wäre man in der Politik auf Montage

Die Abgeordnete Josephine Ortleb (SPD) sitzt in ihrem Abgeordnetenbüro und blickt auf einen Computerbildschirm.

Josephine Ortleb (SPD) in ihrem Berliner Bundestagsbüro (DBT/Simone M. Neumann)

Die 19. Legislaturperiode geht zu Ende und damit die erste der SPD-Abgeordneten Josephine Ortleb. Die Saarländerin hatte im Jahr 2017 auf Anhieb das Direktmandat in ihrer Heimatstadt Saarbrücken gewonnen. Damals war sie erst 30 Jahre jung, konnte aber bereits auf zehn Jahre politische Erfahrungen verweisen. 

76 Sitzungswochen und eine enorme Arbeitsdichte

Jetzt, am Ende ihrer ersten Legislaturperiode, nach vier Jahren und 76 Sitzungswochen, wirkt Josephine Ortleb immer noch frisch und leidenschaftlich, aber auch routinierter und professioneller. Zur Halbzeit der Wahlperiode im Sommer 2019 hatte sie die Arbeit als Bundestagsabgeordnete in den Sitzungswochen in Berlin mit einem Marathonlauf verglichen, der viel Energie erfordere.

 Heute fühlt sich die Saarländerin viel trainierter. „Ich merke, dass ich den Marathon in den Sitzungswochen sehr viel leichter wegstecken kann. Es ist eine Routine, die sich nach vier Jahren Training einstellt. Ich vergleiche es heute auch nicht mehr mit einem Marathon. In den Sitzungswochen in Berlin arbeite ich gefühlt Tag und Nacht. Bei einer so großen Arbeitsdichte fühlt es sich inzwischen an, als wäre man in der Politik auf Montage.“

Chancengleichheit durch die Bundesgleichstellungsstiftung

Wenn man Josephine Ortleb heute fragt, was sie in dieser Legislaturperiode an den Stellschrauben der Politik erreicht hat, muss sie nicht lange nachdenken und nennt als einen großen Erfolg die Bundesgleichstellungsstiftung, die auf den Weg gebracht wurde. „Ich war 2017 angetreten, die Chancengleichheit von Frauen zu verbessern, aber ich füge heute noch die Kinder hinzu, denn wir brauchen auch für Kinder Chancengleichheit, und die Bundesgleichstellungsstiftung kann das unterstützen und befördern“, sagt die SPD-Abgeordnete.

Als Sprecherin der Koalitionsfraktionen hat sie sich gemeinsam mit der CDU-Abgeordneten Silvia Breher dafür eingesetzt, diesen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Sie bezeichnet es als Herzensprojekt der SPD und sieht noch sehr viel Nachholbedarf. Als Beispiele nennt sie die noch immer unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen im Arbeitsleben – in gleichwertigen Berufen und in gleichen Tätigkeitsfeldern. „Ich finde es unglaublich, denn wir schreiben das Jahr 2021 und leben nicht mehr in den 1960er-Jahren“, sagt die Sozialdemokratin. „Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass Frauen an vielen Stellen unserer Gesellschaft, wo in der Wirtschaft oder in der Politik Entscheidungen getroffen werden, immer noch extrem unterpräsentiert sind.“ Gegen Diskriminierung, Hass und Hetze gegen Frauen im Netz macht sich die SPD-Politikerin ebenfalls stark: „Ich bin sehr froh, dass es jetzt strafrechtliche Veränderungen und Verschärfungen gibt, um Frauen besser zu schützen“, sagt Josephine Ortleb.

21 Mal am Rednerpult im Plenum

Dass die SPD-Fraktion die Arbeit der Abgeordneten schätzt und ihr vertraut, zeigt sich nicht nur darin, dass Josephine Ortleb 21 Mal im Plenum sprechen konnte, sondern besonders darin, dass sie die junge Abgeordnete bereits in ihrer ersten Legislaturperiode zur Parlamentarischen Geschäftsführerin gewählt hat. Eine Aufgabe, die sie besonders in der Corona-Pandemie gefordert hat.

Als Geschäftsführerin und als Parlamentarierin konnte sie die Kritik vieler Kolleginnen und Kollegen zu Beginn der Pandemie sehr gut nachvollziehen, dass das Parlament nicht immer ausreichend in die Entscheidungsprozesse der Regierung eingebunden wurde. „Das hat sich geändert, als das Parlament mehr Mitspracherecht eingefordert hat und es beim Infektionsschutzgesetz in ausreichendem Maße bekam. Die Abgeordneten hatten parteiübergreifend eine rote Linie gezogen und klargemacht, dass der Bundestag als Legislative in der Vorbereitung beteiligt werden muss, wenn am Ende Gesetze verabschiedet werden sollen“, erinnert sich Josephine Ortleb.

„Wirtschaftshilfen waren ohne föderale Struktur kaum möglich“

Dass in Deutschland bei Entscheidungen in einer Pandemielage der Föderalismus ein Hindernis sein könnte, findet Josephine Ortleb nicht. Sie hält regionale Unterschiede und damit unterschiedliche Entscheidungen der Landesregierungen für unverzichtbar, weil unterschiedliche Inzidenzen deutschlandweit unterschiedliche Begrenzungen und Einschränkungen von Freiheitsrechten erfordern können. „Wirtschaftshilfen zu Beginn der Pandemie wären für viele Berufszweige ohne föderale Struktur gar nicht so schnell möglich gewesen“, sagt die Abgeordnete.
Es gibt aber auch föderale Entscheidungen, die sie als Bundestagsabgeordnete nicht nachvollziehen kann: „Als mein eigenes Bundesland das Saarland-Modell einführte, während bundesweit die Inzidenzen gestiegen sind, konnte ich das nicht nachvollziehen, und ich kritisiere es nach wie vor.“

„Industrielle Strukturen klimaneutral machen“

Josephine Ortleb konnte in ihrer ersten Legislaturperiode viel erreichen und betrachtet sich als „im Parlament angekommen“: „Ich habe die Strukturen verstanden und darf als Parlamentarische Geschäftsführerin meiner Fraktion unterwegs sein. Das verstehe ich als Anerkennung meiner Arbeit. Deshalb kandidiere ich am 26. September erneut für den Deutschen Bundestag.“ In der Corona-Pandemie habe sie gesehen, dass es Arbeitsbereiche gibt, die überhaupt nicht abgesichert sind. „Ich denke zum Beispiel an Künstlerinnen und Künstler, aber auch an Solo-Selbstständige, die es in der Pandemie besonders schwer hatten und um ihre Existenzen kämpfen mussten“, sagt die Abgeordnete.

Deshalb müssten die Sicherungssysteme so verändert werden, dass wirklich alle berücksichtigt werden. Dafür will sie sich einsetzen, wenn ihr die Wählerinnen und Wähler in ihrem Wahlkreis Saarbrücken wieder ihre Stimme geben. Josephine Ortleb liegt aber auch der Klimaschutz am Herzen. „Wir sind ein industriell geprägtes Land, und für mich sind die Umwandlungen der industriellen Strukturen hin zu Klimaneutralität eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte.“ (bsl/02.08.2021)

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