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Volkmar Klein: Deut­sch­land ist Wunschpartner für Aus­tralien und Neu­seeland

Porträt von Volkmar Klein.

Die Beziehungen zu den indopazifischen Ländern seien während der Pandemie gewachsen, sagt Volkmar Klein (CDU/CSU). (© CDU/Jan Kopetzky)

von Australien und Neuseeland über die ehemalige deutsche Kolonie Papua-Neuguinea bis hin zu zahlreichen anderen, kleineren Ländern des indopazifischen Raumes: Für die parlamentarischen Beziehungen zu diesen Staaten ist die Deutsch-Pazifische Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag zuständig. „Die Beziehungen sind in den letzten Jahren trotz Pandemie und Reisebeschränkungen sogar enger geworden“, sagt Volkmar Klein (CDU/CSU), Vorsitzender der Deutsch-Pazifischen Parlamentariergruppe. Die Länder der Region fühlten sich Deutschland als Werte-Partner verbunden, gemeinsam gehe man regionale und globale Probleme wie den Korea-Konflikt und den Klimawandel an. Für die indopazifischen Länder spiele Deutschland als größtes Land in der Europäischen Union zudem eine wichtigere Rolle wegen des EU-Austritts Großbritanniens. Im Interview blickt der CDU-Politiker auf die Arbeit der Parlamentariergruppe in der 19. Wahlperiode zurück:

Herr Klein, was war Schwerpunkt der Arbeit Ihrer Parlamentariergruppe in der zurückliegenden Wahlperiode ?

Wir sehen unsere Rolle vor allem darin, eine Brücke zu bauen und darauf zu achten, dass sich Freunde, in diesem Fall „like minded countries“, Partner-Länder, die dieselben Werte teilen wie wir, trotz der Entfernung nicht aus den Augen verlieren. Obwohl weit weg, ist die Asien-Pazifik-Region wichtig für uns. Je schwieriger das internationale Umfeld wird, desto wichtiger ist diese Zusammenarbeit. Mit Australien und Neuseeland reicht die Zusammenarbeit zudem über das regionale pazifische Umfeld hinaus. Deutschland, Australien und Neuseeland haben ein gemeinsames Gespür für die Probleme der Welt. Beide Länder „da unten“, vermeintlich am Rand der Welt, sind international immer bereit gewesen Verantwortung mitzutragen, in verschiedenen Krisengebieten.

Zum Beispiel?

Die Korea-Frage, der Konflikt um Nordkorea, ist ein gutes Beispiel für ein gemeinsames weltpolitisches Problem. In Australien ist das ein absolut wichtiges Thema. Wenn man auf eine Weltkarte schaut, dann denkt man hierzulande: Logisch, das muss ja auch so sein, darum kümmern sich die da unten. Aber das ist eine Verzerrung! Wirft man einen Blick auf einen Globus und misst mal nach, dann stellt man fest, dass der Abstand von Berlin nach Pjöngjang etwa eintausend Kilometer kürzer ist als der von Pjöngjang nach Canberra. Eigentlich müssten wir uns also mehr um die Korea-Frage kümmern. Auch die für uns ungewohnte Perspektive einer Upside-down-Karte, auf der Australien im Zentrum und der Süden oben dargestellt ist, veranschaulicht, wie unerwartet nah sich manche vermeintlich entfernte Regionen der Welt sind, wie relativ die eigene Größe ist und wie sehr manche angeblich isolierten Probleme uns alle etwas angehen.

Was sind die gegenseitigen Interessen und Erwartungen?

Die sind einerseits äußerst vielfältig, von der wirtschaftlichen bis zur kulturellen Zusammenarbeit. Und andererseits ziemlich gleich gerichtet, ziehen doch Deutschland, Australien und Neuseeland außenpolitisch an einem Strang. Deutschland ist für Australien und Neuseeland ein Wunschpartner, mit ähnlichen beziehungsweise sich ergänzenden wirtschaftlichen Interessen und demselben Werte-Fundament. Das zeigt sich auf zahlreichen Gebieten. Ich möchte auch das IPS-Programm des Bundestages erwähnen, das zum Austausch beiträgt. Neben uns sitzt ja gerade ein IPS-Stipendiat aus Neuseeland, der meine Arbeit im Bundestag drei Monate lang begleitet.

Wie sehr hat die Pandemie mit ihren Beschränkungen der Zusammenarbeit geschadet? Wie pflegen Sie die Beziehungen? Was war während der Pandemie möglich?

Die Verbindungen zwischen Deutschland und den beiden indopazifischen Ländern sind so vielfältig und stabil, dass sie auch die Corona-Zeit gut überstanden haben. Wir Parlamentarier pflegen zahlreiche Kontakte in unsere Partnerländer, nicht nur zu unseren Kolleginnen und Kollegen dort. Es gibt zudem immer wieder Treffen mit den Botschaftern beider Seiten. Noch im Februar 2020 hatten wir eine Delegationsreise in die Region. In den Monaten der Pandemie mussten wir uns leider mit Videokonferenzen begnügen. Wir hatten eigentlich vor, uns noch regelmäßiger auszutauschen, hätten noch einige Veranstaltungen mehr gemacht …

Was hat sich durch die Pandemie geändert?

Die Beziehungen sind in den letzten Jahren sogar enger geworden. Die Pandemie hat diese Entwicklung nicht brechen können. Einmal wegen der größeren Rolle Deutschlands in der internationalen Politik. Für die indopazifischen Länder spielt Deutschland heute aber auch eine wichtigere Rolle wegen des EU-Austritts Großbritanniens, aber auch wegen der teilweise befremdlichen Außenpolitik von US-Präsident Trump. Australien und Neuseeland suchen daher eine engere Verbindung mit Deutschland als größtem Land in der EU, Nato-Mitglied und als Werte-Partner.

Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die Beziehungen der Commonwealth-Länder Australien und Neuseeland zu Deutschland und zur EU?

Durch den Austritt Großbritanniens aus dem europäischen Binnenmarkt suchen Unternehmen auch aus Ländern des Britischen Commonwealth wie Australien und Neuseeland neue Zugänge zur Europäischen Union und nach Anknüpfungspunkten direkt auf dem Kontinent – und lassen dabei Großbritannien im wahrsten Sinn des Wortes vermehrt links liegen. Bisher war für diese vor allem Großbritannien und London das Tor zur EU. Dass das jetzt nicht mehr der Fall ist, spielte zuletzt bei vielen Gesprächen eine Rolle.

Erzählen Sie mal!

Das haben wir bei zahlreichen Veranstaltungen gemerkt, zum Beispiel bei der australischen Botschaft in Berlin, zu denen auch wir Parlamentarier regelmäßig eingeladen werden. Die hatten kürzlich ein Treffen mit 30 australischen Analysten institutioneller Anleger, die auf einer fact finding mission, einer Informationsreise in Europa nach neuen Investitionsmöglichkeiten für ihre Rentenfonds Ausschau hielten. In der Vergangenheit haben die dazu eine Woche in London verbracht. Nun waren die eine Woche in Berlin! Und haben von hier aus die Stadt, Deutschland und Mitteleuropa in den Blick genommen. Das zeigt, dass sich da etwas verschoben hat.

Australien ist ein Land und ein ganzer Kontinent in einem. Worauf beruht die Zusammenarbeit mit Deutschland vor allem? Was für Überlegungen gibt es für einen Ausbau der Beziehungen?

In Anlehnung an die „Australia Germany Advisory Group“ machen wir uns Gedanken darüber, wie beide Länder noch enger zusammenzuarbeiten können. Und trotz der Beschränkungen der Pandemie: Daran knüpfen wir an, diese Arbeit setzen wir fort. Das Momentum ist nicht verloren gegangen! Das bezieht sich auf viele Bereiche, von der kulturellen bis zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Momentan wird ja gerade die Wasserstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und Australien beschlossen. Dafür habe ich bei vielen Veranstaltungen geworben. Sogenannter grüner Wasserstoff aus Australien kann uns bei unserer Wasserstoffstrategie in Deutschland helfen. Die haben die Fläche, und wir haben die Technologie zur Erschließung und Verarbeitung. Bei all der bisherigen Zusammenarbeit besteht aber noch Luft nach oben.

Wie steht es um die geplanten neuen Freihandelsabkommen zwischen der EU einerseits und Australien und Neuseeland andererseits?

Auch da versteht sich die Parlamentariergruppe ein Stück weit als Wegbereiter. Wir haben dazu auf meine Einladung beide Botschafter sowie Fachleute aus Industrie, Landwirtschaft und aus Brüssel an einen Tisch gebracht, damit diese ihre Befürchtungen und Erwartungen artikulieren und sich austauschen konnten. Da wurde zum Beispiel kritisch über die künftige Verwendung regionaler Herkunftsbezeichnungen diskutiert: Wer darf sein Produkt Schwarzwälder Schinken nennen und wer nicht? Das gehört ja zu den Knackpunkten für die Landwirtschaft. Wir haben dann bei den Kritikern um Verständnis für die geplanten Abkommen geworben, und unterstrichen, dass diese insgesamt für uns einen großen Mehrwert bringen.

Inwieweit bezieht die Parlamentariergruppe weitere, kleine Länder im pazifischen Raum ein?

In der offiziellen Darstellung unserer Gruppe werden seit dieser Legislaturperiode zwei weitere Länder, Papua-Neuguinea und Timor-Leste, mitgenannt. Darüber hinaus denken wir zahlreiche kleine Inselstaaten bei unserer Arbeit mit, weil es auch dort zahlreiche Themen gibt, die uns interessieren und die eine Zusammenarbeit sinnvoll erscheinen lassen: vom Klimawandel über den Anstieg des Meeresspiegels bis zum „deep sea mining“, also dem Tiefseebergbau. Letzteres wird in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen und Umwelt- und Migrationsfragen aufwerfen. Es wird darum gehen müssen, Regeln zu erarbeiten, damit keine Schäden entstehen.

Was ist mit Papua Neuguinea?

Es ging mir nicht zuletzt darum, dass auch Papua Neuguinea an unsere Arbeit angebunden sein muss, ein wichtiges Land in der Region mit vielen Millionen Einwohnern, und zudem eine ehemalige deutsche Kolonie. Diese Zeit haben die Leute heute in bester Erinnerung und werfen uns geradezu Liebesentzug vor, weil wir uns nicht genug um ihr Land kümmern. Es ist falsch, dass die Bundesrepublik dort keinen Botschafter hat. Ich wünsche mir ausdrücklich, dass Deutschland dort eine Botschaft eröffnet.

Wie sehr beschäftigt Sie Chinas Rolle im pazifischen Raum?

China ist der große Spieler in der Region. Das war auch in der Parlamentariergruppe ein Thema. Die Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen der neuseeländischen und australischen mit der chinesischen Volkswirtschaft sind sehr groß. Australien und Neuseeland wollen da unbedingt Anschluss behalten. Zugleich ist es für beide eine schwierige Gratwanderung zwischen diesem wirtschaftlichen Austausch und der Abgrenzung, wenn Werte, Menschen- und Grundrechte und die Freiheit in Gefahr geraten. Die müssen sich immer wieder fragen, wie viel Konflikt sie sich leisten können ohne zu große wirtschaftliche Schäden anzurichten. Bei der Diskussion um den chinesischen Internetkonzern Huawei sind die Australier dabei insgesamt robuster vorgegangen als wir und haben gesagt: Dieses Unternehmen mit seinen Verflechtungen zum chinesischen Staat wollen wir bei uns nicht. Also China ist der große Faktor in der Region, die Interaktion mit Peking führt regelmäßig zu Konflikten. Auch bei Treffen der Parlamentariergruppe mit Australiern und Neuseeländern hat man immer das Gefühl, dass da China als der Elefant im Raum ist. (ll/26.07.2021)