Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne vorangehende Debatte hat der Bundestag am Dienstag, 7. September 2021, über eine Reihe von Vorlagen entschieden:

Afghanistan: Abgesetzt von der Tagesordnung hat der Bundestag die Abstimmung über einen Antrag der AfD mit dem Titel „Lehren aus gescheitertem Afghanistan-Einsatz ziehen – Jährliche Debatte zur sicherheitspolitischen Lage der Bundesrepublik Deutschland im Deutschen Bundestag etablieren“ (19/32083). „Dem Deutschen Bundestag obliegt sowohl das Budgetrecht über die deutschen Streitkräfte, als auch die Entscheidungshoheit über die Auslandseinsätze der Bundeswehr“, heißt es in dem Antrag. Damit sei das deutsche Parlament das wichtigste Verfassungsorgan, um die Grundlagen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu debattieren und zu beschließen. In der jährlichen Debatte solle die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler eine Regierungserklärung abgeben.

Impfungen: Abgesetzt von der Tagesordnung hat der Bundestag die Abstimmung über einen weiteren Antrag der AfD  mit dem Titel „Grundrechte sind auch in Corona-Zeiten keine Geimpftenrechte – Die Wahrnehmung von Grundrechten darf nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden“ (19/32085). Der Bundestag solle demnach unter anderem feststellen, dass es Aufgabe des Staates sei, die Freiwilligkeit der individuellen Impfentscheidung zu gewährleisten. Eine Impfentscheidung könne dann nicht mehr als freiwillig bezeichnet werden, wenn an die Ablehnung der Impfung zwar keine staatlichen Zwangsmittel, aber sonstige gewichtige gesellschaftliche oder rechtliche Nachteile geknüpft werden. Der Bundestag solle dem Antrag zufolge die Bundesregierung auffordern, sicherzustellen, dass niemand politisch, sozial oder auf andere Weise unter Druck gesetzt oder diskriminiert wird, weil er aufgrund von möglichen Gesundheitsrisiken oder weil er es nicht möchte, sich nicht hat impfen lassen. 

Elterliches Sorgerecht: Abgesetzt von der Tagesordnung hat der Bundestag die Entscheidung über einen Antrag der AfD mit dem Titel „Gesetzliche Impfpflicht für Kinder ausschließen – Elterliches Sorgerecht wahren“ (19/32086). Der Bundestag solle feststellen, so der Antrag, dass eine Zwangsimpfung von Kindern gegen den Willen der Eltern einen massiven Eingriff in das im Grundgesetz festgelegte elterliche Sorgerecht darstellt. Ein Eingriff in das Elternrecht bedürfe einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage und unterliege strengen Anforderungen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit. Eine gesetzliche Impfpflicht für Kinder sei höchstens in Bezug auf solche Krankheiten verfassungsrechtlich zulässig, die für das Leben oder die Gesundheit des Kindes fatale Folgen haben können. Die Mehrzahl der Kinder zeige nach bisherigen Studien keine Symptome oder einen milden Krankheitsverlauf, wenn sie sich mit dem Coronavirus anstecken.

Präsenzunterricht: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde ein Antrag der FDP mit dem Titel „Staatliche Garantie für pandemiefesten Präsenzunterricht − Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung nicht erneut vorenthalten“ (19/32077). Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung dazu auf, gemeinsam mit den Ländern eine staatliche Garantie für Präsenzunterricht abzugeben. Zusätzlich soll mit den Kultusministern ein „Aktionsplan für pandemiesicheren Unterricht“ beschlossen werden, der unter anderem die Anschaffung mobiler Luftfilter, eine Ergänzung bisheriger Test- und Hygienekonzepte durch ausreichende Bestellungen von Lolli-Tests sowie eine Entbürokratisierung des Digitalpakts Schule beinhalten soll. Ferner sollte auch die Rückkehr zur Präsenzlehre an Hochschulen zum Wintersemester 2021 vorbereitet werden. Außerdem sollte ein Programm zur detaillierten Analyse von Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die mentale Gesundheit junger Menschen in die Wege geleitet werden.

Afghanistan II: Von der Tagesordnung abgesetzt wurde ein Antrag der FDP, der einen „EU-Sondergipfel für eine gemeinsame europäische Afghanistanpolitik“ fordert (19/32079). Wie die Abgeordneten schreiben, solle die Bundesregierung ebenso wie die EU-Partner dafür sorgen, dass Mittelzusagen für EU- und UN-Hilfsprogramme zur Versorgung der afghanischen Zivilbevölkerung sowie zur Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Afghanistans aufgestockt werden. Die EU müsse unverzüglich in Gespräche mit Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan, sowie den internationalen Partnern zur Einrichtung sicherer Fluchtkorridore in diese Länder eintreten und diesen Ländern sowie auch der Türkei Unterstützung für die Unterbringung afghanischer Flüchtlinge zusichern. Sichergestellt werden solle zudem, dass keine europäischen Gelder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit an die Taliban fließen.

Bundeswehreinsätze: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Einsätze der Bundeswehr im Ausland konsequent beenden“ (19/32081). Die zentrale Lehre aus den Entwicklungen in Afghanistan müsse darin bestehen, künftig nicht mehr die Bundeswehr in solche Einsätze zu schicken, sondern sie allein auf die Landesverteidigung auszurichten. Die Bundesregierung solle deshalb alle Schritte in die Wege leiten, „um die anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr wie in Mali, am Horn von Afrika, im Kosovo oder im Mittelmeer unverzüglich zu beenden und dabei dort, wo dies für deren Sicherheit notwendig ist, eine zeitgleiche Evakuierung aller Ortskräfte auf den Weg zu bringen, um weitere humanitäre Katastrophen zu vermeiden“.

Rüstungsexporte: Der Bundestag hat mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke gegen einen Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Rüstungsexporte in die Länder des Vorderen und Mittleren Orients sofort stoppen“ (19/32082) gestimmt, zu dem eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses vorlag (19/32248). Der erneute Siegeszug der islamistischen Terrormilizen der Taliban nach 20 Jahren Militärpräsenz der Nato in Afghanistan sei ohne Unterstützung durch Pakistan nicht denkbar, argumentierten die Abgeordneten der Linken. Die Bundesregierung habe allein in der aktuellen Wahlperiode Rüstungsexporte im Wert von fast 300 Millionen Euro „an die Taliban-Helfer in Islamabad genehmigt“. Im Rahmen ihrer Machtübernahme sei den Taliban überdies das Waffenarsenal der afghanischen Sicherheitskräfte in die Hände gefallen, darunter neben den von den USA gelieferten auch die seit 2001 aus Deutschland ausgeführten Rüstungsgüter. Das Beispiel Afghanistan zeige auf dramatische Weise, dass ein Endverbleib deutscher Rüstungsgüter nicht gewährleistet werden könne. Akut bestehe die Gefahr, dass Waffen aus Deutschland auch gegen deutsche Staatsbürger, gegen Angehörige der Bundeswehr oder gegen die Menschen, die evakuiert werden sollen, gerichtet werden. „War es in der Vergangenheit schon unverantwortlich, Rüstungsexporte in die Länder des Vorderen und Mittleren Orients zu genehmigen, so ist es jetzt zwingend, Waffenlieferungen dorthin zu beenden“, schrieben die Abgeordneten.

Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht: Hingegen mit breiter Mehrheit bei Enthaltung der AfD angenommen wurde eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses „über die Abgabe einer Stellungnahme und die Bestellung eines/einer Prozessbevollmächtigten zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1111 / 21 (Zustimmungsgesetz zur Änderung des ESM-Vertrages)“ (19/32259). Der Bundestag soll in dem Streitverfahren eine Stellungnahme abgeben und einen Prozessbevollmächtigten bestellen. Hintergrund ist, dass sieben FDP-Bundestagsabgeordnete Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen vom 27. Januar 2021 zur Änderung des Vertrags vom 2. Februar 2012 zur Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eingereicht haben (Aktenzeichen: 2 BvR 1111 / 21). Sie machen geltend, dass das Zustimmungsgesetz mit Zweidrittelmehrheit hätte verabschiedet werden müssen.

Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag hat zudem über 16 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen angenommen, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelt sich um die Sammelübersichten 935 bis 950 (19/3229219/3229319/3229419/3229519/3229619/3229719/3229819/3229919/3230019/3230119/3230219/3230319/323419/3230519/3230619/32307). 

(ste/07.09.2021)

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