25 Jahre Parlamentsgeschichte im Deutschen Dom
Eine Ausstellung über die Geschichte des deutschen Parlamentarismus in einem Dom zu präsentieren und erlebbar zu machen, ist ungewöhnlich? Vielleicht, aber es ist nicht nur real, sondern spannend und sehr lebendig. Wo? Im Deutschen Dom am Gendarmenmarkt im Herzen von Berlin.
Es ist einer der schönsten Plätze Berlins, auf dem vor exakt 200 Jahren das von Karl Friedrich Schinkel erbaute Konzerthaus (1818 bis 1821) eingeweiht wurde. Das klassizistische Bauwerk macht den Platz, auf dem 36 Jahre zuvor der Deutsche und der Französische Dom eingeweiht worden waren, zu einer Dreiflügelanlage. Hier wurde 1996 die Parlamentsausstellung des Deutschen Bundestages im Deutschen Dom eröffnet.
Großes Interesse am Parlamentarismus in Deutschland
Ein Dom als Ausstellungsort, um die Entwicklung der Parlamentarischen Demokratie in Deutschland nicht nur zu zeigen, sondern sie erlebbar und lebendig zu machen, war nicht nur eine großartige Idee, das Interesse am Parlamentarismus in Deutschland war von Beginn an positiv und überraschend groß. Zu den Hunderttausenden, die die Ausstellung in den letzten 25 Jahren besuchten, um sich über die Entwicklung des Parlamentarismus zu informieren, gehörten auch viele Schulklassen.
Seit der Eröffnung am 2. Oktober 1996 durch die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Rita Süssmuth, ist bereits die dritte ständige Ausstellung des Deutschen Bundestages über die Ereignisse der deutschen Parlamentsgeschichte im Deutschen Dom zu sehen. Die erste Ausstellung „Fragen an die Deutsche Geschichte“ zog 1996 vom Reichstagsgebäude in den Deutschen Dom. Die zweite Ausstellung, die im Jahr 2002 eröffnet wurde, trug den Namen „Wege - Irrwege - Umwege. Die Entwicklung der Parlamentarischen Demokratie in Deutschland“ und war ebenso erfolgreich. Im Jahr 2013 startete die dritte Überarbeitung, die noch nicht abgeschlossen ist. Die jetzige Ausstellung trägt den schlichten Namen: Parlamentshistorische Ausstellung des Deutschen Bundestages.
Überblick über den Parlamentarismus in Deutschland
Auf Ebene 1 geht es um die Entstehung des Parlamentarismus in Deutschland sowie um den Deutschen Bundestag und seine Geschichte von 1949 bis heute.
Auf der Ebene 2 bekommen die Besucher einen Überblick über den Parlamentarismus im kaiserlichen Deutschland und der Weimarer Republik. Ebene 3 thematisiert die Zeit des Nationalsozialismus, die Nachkriegszeit sowie den Scheinparlamentarismus und die „Friedliche Revolution“ in der DDR. Anschließend wird das Wirken der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR dargestellt.
Parlamentsausstellung an einem einzigartigen Ort
Regierungsdirektor Andreas Baasner arbeitet seit acht Jahren im Deutschen Dom und kann sich keinen interessanteren Arbeitsplatz vorstellen. Der Sozialwissenschaftler erzählt mit viel Leidenschaft über seine Arbeit in der Ausstellung, den historischen Ort und das Thema Parlamentarismus. Ihm ist anzumerken, wie engagiert er die Weiterentwicklung der Ausstellungen im Deutschen Dom begleitet.
Für Baasner und seinen Kollegen Christian Klein ist diese Aufgabe kein gewöhnlicher Job, sondern ein Anliegen.
An diesem besonderen Ort, in dieser einzigartigen Ausstellung werden Fragen gestellt und Antworten gegeben: Wie und wo nahm der deutsche Parlamentarismus seinen Anfang? Wie funktioniert eine parlamentarische Demokratie? Wie werden demokratische Wahlen vorbereitet und realisiert? Auf welche Weise wurde der Parlamentarismus im Nationalsozialismus ausgeschaltet, und wann tagte der Deutsche Bundestag nach der Wiedervereinigung zum ersten Mal?
Multimedial, spannend und mit hohem Anspruch
Die Parlamentshistorische Ausstellung des Deutschen Bundestages gibt auf all diese und viele andere Fragen rund um das Thema „Entwicklung des Parlamentarismus in Deutschland“ umfangreich Antworten. Sie präsentiert sich multimedial, auf dem neuesten Stand der Ausstellungstechnik und mit dem Anspruch an die Besucher, selbst aktiv zu werden, um so den Parlamentarismus greifbar zu machen.
Durch die Gestaltung der Ausstellung wurde die Ästhetik der einzelnen Epochen spannend und punktgenau aufgegriffen. Von der Zeit der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung im Jahr 1848, des Deutschen Kaiserreichs und seiner Gründung 1871 als konstitutionelle Monarchie, über die Weimarer Republik, Hitlers Machtübernahme und den Scheinparlamentarismus in der DDR bis zum Deutschen Bundestag des wiedervereinigten Deutschlands.
Besucher erwartet ein ausgewogener Mix an Medien
Die Ausstellung präsentiert die Inhalte unter anderem mit in den jeweiligen Kontext passenden Filmdokumenten, Leuchtplakaten, Multimediaexponaten, digitalen Litfaßsäulen sowie Modellen, ohne verstaubt oder antiquiert zu wirken.
Andreas Baasner sagt: „Wir wollen nicht nur historische Exponate und Dokumente in Vitrinen präsentieren, sondern den Besuchern mit einem ausgewogenen Mix an Medien zeigen, wie unsere Parlamentarische Demokratie entstanden ist, wie sie funktioniert sowie welche parlamentarischen Orte es gegeben hat.“ Klein ergänzt: „Die Entwicklung der Parlamentarischen Demokratie in Deutschland kann für alle Altersgruppen spannend sein, nicht nur für Schüler oder Studenten. Das Thema ist für alle Bürger wichtig, und es lohnt, sich dafür zu interessieren. Wir erleben das in der Ausstellung immer wieder, wenn wir mit Besuchern ins Gespräch kommen“.
Interaktives Rollenspiel im Plenarsaalnachbau
In dem nachgebauten, aktuellen Plenarsaal – dem Herzstück der Ausstellung – wird der oft steinige Weg zur parlamentarischen Demokratie, wie wir sie heute kennen, für die Besucher der Ausstellung buchstäblich begehbar gemacht. „Mit professionellen Darstellern aus dem Besucherführungsdienst wurde im nachgebauten Plenarsaal vor der Pandemie regelmäßig das interaktive Rollenspiel einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages durchgeführt. Dabei geht es vor allem darum, die Arbeitsweise des Bundestages so vorzustellen, dass sie nachvollziehbar wird, um auf diese Weise Interesse und Neugierde zu wecken“, sagt Baasner.
Vor allem Schulklassen der Sekundarstufe zwei oder Abiturklassen hätten dieses Angebot gern angenommen. 50 Teilnehmer können für eine Stunde „Abgeordnete“ sein und an einer fiktiven Plenardebatte teilnehmen. Sogar Live-Schalten in den echten Plenarsaal seien während der Sitzungswochen möglich. Baasner freut sich, wenn dieses Format nach der Pandemie wieder angeboten werden kann.
Virtueller Rundgang durch das ursprüngliche Reichstagsgebäude
Zu den besonderen Exponaten der Ausstellung gehört ein interaktiver, virtueller Rundgang durch das ursprüngliche Reichstagsgebäude, wie es vom Architekten Paul Wallot in den 1880er Jahren entworfen wurde. „Dies ist in der Form einmalig in der deutschen Museumslandschaft“, sagt Christian Klein.
Um den alten Plenarsaal im kaiserlichen Reichstagsgebäude so authentisch wie möglich zu rekonstruieren, mussten unzählige historische Schwarz-Weiß-Fotos gesichtet und ausgewertet werden. Um die ursprüngliche Bestuhlung und den damaligen Sitz des Reichstagspräsidenten in einer Computeranimation darstellen zu können, haben Baasner und Klein den Ledergestalter in Hamburg ausfindig gemacht, der den Bestand des damals das Reichstagsgebäude ausstattenden Betriebes übernommen hat und der noch über originale Unterlagen verfügt. „Dass wir den Mann gefunden haben, war ein Riesenglück für die Rekonstruktion“, erklärt Klein.
Reichstagsgebäude im Wandel der Zeit
„Ein besonders wichtiges Anliegen der Parlamentshistorischen Ausstellung ist es, das Reichstagsgebäude im Wandel der Zeit zu zeigen“, meint Andreas Baasner und fügt an: „Wenn es gelingt, mit dieser Ausstellung bei vielen Menschen Interesse an der parlamentarischen Demokratie zu wecken, dann haben wir sehr viel erreicht.“
Dass ein großes Interesse am Thema Parlamentarismus besteht, zeigen die Besucherzahlen aus den Vor-Corona-Jahren. 2019 haben mehr als 380 000 Besucher die Ausstellung im Deutschen Dom besucht. Die exklusive Lage am Gendarmenmarkt, der nur einen Kilometer Luftlinie vom Brandenburger Tor und dem Reichstag entfernt liegt, ist ein großer Vorteil, es macht den Deutschen Dom zu einem Publikumsmagneten. Er steht allen interessierten Besuchern offen, der Eintritt ist frei. (bsl/27.09.2021)