Parlament

Frank Schwabe: Na­walny, Selahattin De­mir­taş und Osman Kavala freilassen

Der Abgeordnete Frank Schwabe mit blauem Schal

Frank Schwabe, direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Recklinghausen I, ist stellvertretender Leiter der deutschen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates. (picture alliance/dpa | Christoph Soeder)

„Das Ringen des Europarates um die Einhaltung von klaren Regeln“ gehörte 2021 zu den wichtigsten Themen für die Delegation der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, sagt Frank Schwabe (SPD), stellvertretender Delegationsleiter der deutschen Abgeordneten im Interview zur vierten Sitzungswoche in diesem Jahr, die vom 27. bis 30. September 2021 in Straßburg stattfand. Ob im Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny oder in den Fällen des kurdischen Politikers Selahattin Demirtaş und des türkischen Bürgerrechtlers Osman Kavala: Die Versammlung besteht nach den Worten Schwabes auf der Umsetzung der Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs durch die Mitgliedstaaten. „Die Umsetzung der Urteile ist die rote Linie für jeden Staat.“ Andauerndes regelwidriges Verhalten könne in letzter Konsequenz zum Ausschluss aus der Organisation führen. Das Interview im Wortlaut:

Herr Schwabe, was waren 2021 aus deutscher Sicht die wichtigen Themen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates?

Zweifellos das Ringen des Europarates um die Einhaltung von klaren Regeln. Deswegen war es wichtig – nachdem wir Russland eine Brücke gebaut haben, damit es Mitglied des Europarates bleiben kann –, dass wir dabei auch klargemacht haben, dass wir darauf bestehen, die gemeinsame Regeln einzuhalten, zum Beispiel im Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und bei den entsprechenden Berichten, die dazu auf den Weg gebracht wurden. Genauso haben wir immer wieder deutlich gemacht, dass wir die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Türkei in den Fällen von Selahattin Demirtaş und Osman Kavala einfordern.

Schon seit Längerem hat sich auch die Versammlung den Kampf gegen den Klimawandel zu eigen gemacht. Wird es Bürgerinnen und Bürgern aus Mitgliedstaaten des Europarates künftig möglich sein, das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einzuklagen? Wie wurde diese Frage während der Sitzungswoche diskutiert?

Diese Frage wurde in der Sitzungswoche diskutiert – ist aber noch offen. Wir haben im Grunde ein neues Kapitel aufgeschlagen: eben das Thema Umweltschutz stärker mit dem der Menschenrechte zu verbinden. Das findet ja bereits auf Ebene der Vereinten Nationen statt, und jetzt zieht der Europarat ein Stück weit gleich. Wie sich das am Ende auswirkt, ist noch nicht entschieden.

Wird es dazu eine neue Konvention geben oder wird man das Recht auf eine „sichere, gesunde und nachhaltige“ Umwelt, wie es in Entwürfen heißt, als Artikel in die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) einbauen? Wie geht der Arbeitsprozess jetzt weiter?

Die Europäische Menschenrechtskonvention zu verändern, ist sehr schwierig. Weil dabei die Sorge besteht, dann wichtige Elemente zu verlieren. Aus diesem Grund läuft es eher darauf hinaus, das Thema Umwelt und Menschenrechte beispielsweise im Rahmen einer neuen Konvention aufzugreifen.

Sie haben sich, nicht zuletzt als Berichterstatter der Versammlung, auch den Kampf gegen Korruption in Europa auf die Fahnen geschrieben. Was können Sie da für ein Zwischenfazit ziehen?

Der Europarat hat massive Aufklärungsarbeit betrieben bezüglich der eigenen Korruptionsfälle und daraus auch Konsequenzen gezogen. Mehr als ein Dutzend Abgeordnete wurden zum Teil hart sanktioniert. Aber wir haben auch unsere Regeln überarbeitet. Zum Beispiel die Regeln für die Teilnahme an Wahlbeobachtungsmissionen. Dort haben wir Regeln zu Transparenz von Nebeneinkünften eingeführt: Beim Europarat müssen wir nun mehr erklären und angeben als wir es lange Zeit beim Deutschen Bundestag mussten. Aber wir sind im Kampf gegen das Fehlverhalten von einzelnen Abgeordneten noch lange nicht am Ende. Wir brauchen eine dauerhafte Kontrollinstanz, um Korruption vorzubeugen und am Ende auch Korruptionsvorgänge ahnden zu können.

Wo sehen Sie jetzt den größten Handlungsbedarf? Was müssen die Regierungen der Mitgliedstaaten tun?

Die Regierungen der Mitgliedstaaten müssen vor allen Dingen den Europarat stärken. Wir brauchen eine ausreichende finanzielle Ausstattung und eine stärkere Beachtung. Damit sich diejenigen, die keine guten Ideen mit den Europarat verbinden, nicht durchsetzen können. Vor allen Dingen müssen wir auf nationaler Ebene die Korruptionspräventionsmechanismen umsetzen, die das Antikorruptionsgremium des Europarates, Greco, uns empfiehlt. Auch Deutschland hat dort immer noch Nachholbedarf. Zum Beispiel bei der Frage der personellen Ausstattung der Kontrollinstanz beim Deutschen Bundestag.

Hat auch die Versammlung beim Thema Korruption Fehler gemacht?

Natürlich hat die Versammlung Fehler beim Thema Korruption gemacht. Sonst wäre ja das Thema Korruption so auch gar nicht entstanden. Die Versammlung hat sich auch lange schwergetan mit der Aufklärung. Aber mittlerweile ist sie das energisch angegangen. Dennoch besteht die Sorge und Gefahr, dass sich auch solche Korruptionsvorgänge wiederholen können. Die Akteure und Länder, die da mitgemacht haben, sind ja alle noch da.

Wie verhält sich die Versammlung gegenüber dem Umgang der Türkei mit den Urteilen des EGMR in den Fällen des kurdischen Politikers Selahattin Demirtaş und des türkischen Bürgerrechtlers Osman Kavala und was ist dazu die Position der deutschen Delegation?

Die Versammlung hat mehrfach klargemacht, dass sie dringend einfordert sowohl Osman Kavala als auch Selahattin Demirtaş freizulassen und damit die Urteile des Gerichtshofs umzusetzen. Die Umsetzung der Urteile ist die rote Linie für jeden Staat. Wenn das nicht geschieht, dann wird die Mitgliedschaft aufs Spiel gesetzt. Und die Versammlung dringt darauf, dass das Ministerkomitee als Vertretung  der Regierungen dort energisch tätig wird – bis zum Fall des Ausschlusses eines Landes. Das ist auch die einhellige Meinung der deutschen Delegation.

(ll/07.10.2021)

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