Geschichte

Vor 20 Jahren: Bundestag beschließt das Terrorismusbekämpfungsgesetz

In einer dicken Rauchwolke verschwinden die einstürzenden Türme des World Trade Center in New York nach dem Anschlag am 11.9.2001.

Der Angriff auf das World Trade Center in New York löste eine weitgehende Antiterror-Gesetzgebung auch in Deutschland aus. (picture-alliance/dpa | Hubert Boesl)

Vor 20 Jahren, am Freitag, 14. Dezember 2001, verabschiedete der Deutsche Bundestag das Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBG). Als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington sollten mit dem sogenannten Sicherheitspaket II die bestehenden Sicherheitsgesetze an die Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus angepasst werden.

Das umfangreiche Maßnahmenpaket sieht mehrere Änderungen der Gesetze über den Bundesverfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, den Bundesnachrichtendienst, den Bundesgrenzschutz und das Bundeskriminalamt vor. Im Wesentlichen regelt es erweiterte Kompetenzen für Sicherheitsbehörden und einen verbesserten Datenaustausch, die Verhinderung der Einreise terroristischer Straftäter, identitätssichernde Maßnahmen im Visumverfahren, Verbesserungen bei der Grenzkontrolle,  eine verstärkte Überprüfung von sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten, biometrische Merkmale in Pässen und Personalausweisen, Beschränkungen für extremistische Ausländervereine, die Rasterfahndung, den Schusswaffengebrauch in zivilen Luftfahrzeugen nur durch Polizeibeamte und die Sicherstellung der Energieversorgung.

Warnungen vor einer Einschränkung von Freiheitsrechten

Die Vorstellung der vorgesehenen Kompetenzerweiterungen und der im Ausländergesetz vorgesehenen Verschärfungen im Oktober 2001 durch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) löste eine öffentliche Debatte um die Frage der inneren Sicherheit aus. Nicht nur Bürgerrechtler und Datenschützer warnten vor einer Einschränkung von Freiheitsrechten. Auch beim Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen regte sich Widerstand. Das Vorhaben, Ausweise und Pässe mit biometrischen Merkmalen – insbesondere einem Fingerabdruck – auszustatten, ging den Grünen eindeutig zu weit.

Auch zahlreiche Sachverständige hatten erhebliche Bedenken gegen den Entwurf geäußert und die Verfassungsmäßigkeit etlicher Maßnahmen infrage gestellt. Bei der Anhörung des Innenausschusses am 30. November 2001 zum Terrorismusbekämpfungsgesetz warnten die geladenen Experten – darunter Staatsrechtler, Richter und Anwälte – mehrheitlich:  Durch dieses Gesetz würde das verfassungsmäßige Recht auf informationelle Selbstbestimmung missachtet. Darüber hinaus würden mit Vorschriften etwa zum automatisierten Abgleich zwischen Ausländerzentralregister sowie Polizei und Geheimdiensten zur Weiterleitung personenbezogener Daten in den Ausländerbehörden und dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an den Verfassungsschutz Nicht-Deutsche faktisch unter Generalverdacht gestellt. Auch würden die Zuständigkeitserweiterungen für die Geheimdienste auf der einen sowie für das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt auf der anderen Seite die Trennung von Polizei und Geheimdiensten weiter aufheben.

Erst nach langwierigen Verhandlungen einigten sich SPD und Grüne auf einen Entwurf für das Terrorismusbekämpfungsgesetz. Am 12. Dezember 2001 schließlich konnte der Gesetzentwurf, in dem die Einführung des Fingerabdrucks nicht mehr enthalten war, im Bundestag zum ersten Mal beraten werden. Die zweite und dritte Beratung folgte bereits am 14. Dezember 2001. Als unzumutbar und der Sache nicht angemessen rügten deshalb die Oppositionsfraktionen FDP, PDS und CDU/CSU das parlamentarische Schnellschussverfahren.

FDP rügt fehlende Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition

In der Sache sei diese Hast nicht geboten, kritisierte die Fraktion der FDP. Die vorgesehenen Maßnahmen bedürften einer sorgfältigen Abwägung und Beratung. Gerade in der Abwägung dessen, was notwendig sei und dem, was auch unter dem Aspekt des neuen Sicherheitsbedürfnisses wie weit gehe, sei die Balance in dem Gesetzentwurf nicht eingehalten. Zuzugestehen sei aber, dass es ein ernsthaftes Bemühen der Koalition und der Bundesregierung gegeben habe, die Kritik der Sachverständigen aufzugreifen.

Ausdrücklich formulierte deshalb Dr. Max Stadler (FDP) für seine Fraktion: „Wir respektieren, dass der Bundesinnenminister und die Innenpolitiker von SPD und Grünen heute einen Versuch vorlegen, in rechtsstaatlicher Weise weitere Verbesserungen zur inneren Sicherheit zu beschließen.“

Sorgfältige parlamentarische Beratung notwendig

Herausgekommen sei dabei ein Gesetzentwurf, der wie keiner zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreift. Und gerade deswegen wäre eine besonders sorgfältige parlamentarische Beratung notwendig gewesen, betonte Stadler. Vor allem kritisierte er, dass mit dem gewählten Verfahren die Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition praktisch übergangen würden.

Weiter führte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion aus: Ohne Zweifel hätten die Ereignisse vom 11. September allen die besondere Verantwortung auferlegt, geeignete und rechtsstaatliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen. „Die FDP hat sich an dieser Aufgabe von Anfang an konstruktiv beteiligt.“ Man sei sich jedoch mit vielen Praktikern einig: Der wirkungsvollste Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit sei die bessere finanzielle, personelle und technische Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Die gesetzlichen Grundlagen für eine effektive Arbeit von Polizei, Geheimdiensten und Justiz hätten FDP und Union allerdings längst durch eine ausgiebige Gesetzgebungstätigkeit in den neunziger Jahren gelegt.

Am Koalitionsentwurf kritisierte er, dass die Geheimdienste Zugriff auf Kundendaten von Banken, Telekommunikationsunternehmen, Post- und Luftfahrtunternehmen erhalten, ohne dass dieser Zugriff auf Verdächtige begrenzt wäre. Weiter wünschte er sich bei diesen Eingriffen eine vorrangige richterliche Kontrolle. Auch erhalte der Bundesnachrichtendienst immer mehr Befugnisse im Inland, obwohl seine Aufgabe die Auslandsaufklärung sei.

PDS: Größter Eingriff in die Verfasstheit der Bundesrepublik

Auch die PDS-Fraktion schloss sich der Kritik an der Verfahrensweise an. Inhaltlich konnte sie diesen Gesetzentwurf ohnehin nicht mittragen. Die Notwendigkeit der Maßnahmen sei überhaupt nicht belegt, die dafür wesentliche Gefahrenanalyse durch die Bundesregierung bisher nicht vorgelegt worden. Auch fehle eine Definition des Begriffs des Terrorismus. Unstrittig sei, erklärte für ihre Fraktion Petra Pau (PDS), dass seit den Terroranschlägen vom 11. September ein neues Nachdenken über die öffentliche Sicherheit „hierzulande und auch in unserer Fraktion“ ausgelöst worden sei.

Auch gäbe es bei der Gefahrenvorbeugung, bei der Gefahrenabwehr und im Katastrophenschutz viel zu tun. Darüber herrsche Konsens. Hier gehe es jedoch um den größten Eingriff in die Verfasstheit der Bundesrepublik, den es im Namen der inneren Sicherheit jemals gegeben habe. Der verheißene Zugewinn an Sicherheit durch den Staat werde mit einem signifikanten Verlust an Sicherheit vor dem Staat – also Freiheit – bezahlt, kritisierte Pau. Angesichts dessen sei das parlamentarische Schnellschussverfahren schlicht unangemessen – um nicht zu sagen: verantwortungslos.

CDU/CSU: Maßnahmenkatalog nicht ausreichend

Auch die Unionsfraktion kritisierte die Kürze des parlamentarischen Verfahrens. Für die Fraktion wurde Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU) deutlich: „Dieses Vorgehen ist nicht nur zutiefst unparlamentarisch, sondern ich halte es auch für eine Unverschämtheit und für eine Missachtung der Parlamentarier, dass man ihnen zumutet, ein wichtiges Gesetz innerhalb nur einer Sitzung eines Fachausschusses durchzupauken.“ Anders als FDP und PDS war die Union hingegen von der Notwendigkeit des Maßnahmenkatalogs überzeugt. Die Vorschläge des Bundesinnenministers gäben mehr Einsatzmöglichkeiten gegen den Terror und seien im Großen und Ganzen akzeptabel, erklärte für die Union ihr Berichterstatter im Innenausschuss, Erwin Marschewski.

Die Maßnahmen seien jedoch nicht weitgehend genug. So fehle zum Beispiel die von der Union vorgeschlagene Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungen oder der Fingerabdruck in Ausweispapieren zur Identitätsermittlung. Auch wären eine Verschärfung der Vorschriften bei der Geldwäsche und ein Ausländerzentralregistergesetz, das insbesondere helfen würde, das Schlepperunwesen zu bekämpfen, notwendig. Der Fraktionssprecher für Inneres hätte sich gewünscht, „die SPD hätte alle Anträge der Union akzeptiert“. Um der „Bedrohung unseres Landes und der der freien Welt“ gemeinsam zu widerstehen, sage man dennoch Ja zum Antiterrorgesetzentwurf.

Innenminister: Terroristische Aktivitäten verhindern

Auch die Koalitionsfraktionen bedauerten die zeitliche Enge der parlamentarischen Beratungen. Der gesetzgeberische Handlungsbedarf sei nach den menschenverachtenden Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA jedoch unverkennbar. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) betonte, dass die im Einklang mit dem Parlamentsrecht stehende gewählte Verfahrensweise notwendig sei, damit der Bundesrat im Dezember erreicht werden und das Gesetz zum 1. Januar 2002 in Kraft treten könne.

Das Maßnahmenpaket sei notwendig, um die Sicherheitsinstitutionen mit den vorgesehenen Kompetenzerweiterungen in die Lage zu versetzen, frühzeitig terroristische oder gewaltbereite Aktivitäten erkennen zu können und so zu verhindern.  Zur Früherkennung solcher Aktivitäten bräuchten die Sicherheitsinstitutionen die Möglichkeit, in Finanztransaktionen hineinzuschauen, Reisebewegungen und Auffälligkeiten im Verhalten von bestimmten Personen festzustellen, verteidigte der Innenminister die Fortentwicklung der gesetzlichen Instrumente. „Wir müssen besser in der Lage sein, Personen zu identifizieren, damit es nicht gelingen kann, sich mit unterschiedlichen Identitäten zu tarnen. Jemandem, dem der Aufenthalt in Deutschland untersagt wird, darf es nicht möglich sein, unter einer anderen Identität wieder in unser Land zurückzukehren. Ich halte das für eine pure Selbstverständlichkeit.“ 

Koalition: Freiheit und Bürgerrechte werden gewahrt

Für die Koalition verteidigten auch Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) und Dieter Wiefelspütz (SPD) den Gesetzentwurf. „Dies ist ein Gesetz, das in jedem Detail uneingeschränkt rechtsstaatlich ist und die Sicherheit in Deutschland in zentralen Bereichen fördert. Deswegen ist es ein Gesetz, das von Kompetenz, Gestaltungskraft und Verantwortung zeugt“, stellte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion gleich zu Beginn der Debatte klar.

Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen zeigte sich zufrieden mit dem Gesetzentwurf: „Mit dem Sicherheitspakt II, mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz, ist der Koalition ein enormer Kraftakt gelungen. Wir garantieren den Bürgerinnen und Bürgern ein Maximum an Sicherheit. Zugleich wahren wir Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Bürgerrechte. Das Terrorbekämpfungsgesetz ist ein austariertes, verhältnismäßiges Bündel von Maßnahmen, mit denen wir die erforderliche Balance wahren.“

Bei der Herstellung von Sicherheit habe die Koalition einen klaren rechtsstaatlichen Kurs gewahrt, betonte Beck. Eine Reihe problematischer Verschärfungen aus der Opposition habe man verhindert. Datenschutzrechtliche Regelungen seien verstärkt worden. So gebe es die Einholung von Auskünften durch die Sicherheitsbehörden nur im Einzelfall. „Eine bundesweite Referenzdatei für diese biometrischen Merkmale – eine der größten Sorgen der Datenschützer bei diesem Thema – wird es nicht geben.“ Und er unterstrich: „Wir haben im Gesetzentwurf explizit vorgesehen, dass dies verboten ist.“

Bundestag und Bundesrat beschließen Sicherheitspaket

Gegen die Stimmen von FDP-Fraktion und PDS-Fraktion und bei einer Enthaltung aus der CDU/CSU-Fraktion wurde das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit den Stimmen der rot-grünen Regierungskoalition und der Unionsparteien angenommen. Eine Woche später, am 20. Dezember 2001, verabschiedete auch der Bundesrat das Antiterror-Paket II, das schließlich am 11. Januar 2002 verkündet wurde und rückwirkend zum 1. Januar 2002 in Kraft trat.

Die Regelungen waren zunächst auf fünf Jahre befristet. Durch die Einführung des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes im Januar 2007 wurden sie verlängert und inhaltlich erweitert. (klz/07.12.2021)

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