Arbeit

Künftigen Kurs in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bewertet

Zu Beginn der Debatte über die Vorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales betonte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese (SPD), die neue Bundesregierung wolle „mehr sozialen Fortschritt wagen“. Es gelte, das Leben der Menschen in Deutschland besser zu machen „durch Respekt vor ihrer Leistung, durch höheres Einkommen, durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sagte Griese am Donnerstag, 13. Januar 2022. Sie vertrat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der sich wegen des Kontakts zu einer positiv getesteten Person in häuslicher Quarantäne befand.

Regierung will bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf 

Griese sprach von einer „guten Ausgangslage“. Die Arbeitslosigkeit liege bei fünf Prozent – 2005 seien es noch 13 Prozent gewesen. Zu verzeichnen sei zudem ein Rekord bei der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. In einigen Regionen fehle es nicht an Arbeitsplätzen, sondern an Arbeitskräften, so die Staatssekretärin. Dringend nötig sei daher mehr Tempo beim Thema Fachkräftesicherung.

Dabei setze die Regierung vier Prioritäten: So sollen durch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr Frauen in den Arbeitsmarkt gelangen. Es sollen zudem die qualifizierte Zuwanderung verbessert und die Weiterbildung gestärkt werden, sagte Griese. Schließlich würden mit dem Bürgergeld neue Regeln geschaffen, die Menschen besser befähigen, in Arbeit zu kommen. Die SPD-Politikerin ging auch auf den geplanten Mindestlohn von zwölf Euro ein. Das sei ein Plus von 22 Prozent und damit „eine der größten Lohnerhöhungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.

CDU/CSU: Viele Leistungsversprechen „ohne Preisschild“

Er sei stolz auf den von der Union geleisteten Beitrag dazu, dass sich der leistungsfähige Sozialstaat in der Krise bewährt, sagte Hermann Gröhe (CDU/CSU). Auch in der Opposition werde seine Fraktion ihren Beitrag zu einer zeitgemäßen Weiterentwicklung des Sozialstaates leisten, kündigte er an. Kraftvolle Solidarität brauche aber auch wirtschaftliche Stärke. „Wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung gehören untrennbar zusammen“, betonte Gröhe. Einige der Vorhaben der neuen Bundesregierung fänden seine Zustimmung, sagte er weiter. Dazu gehörten die geplante Entfristung des Teilhabechancengesetzes sowie die Stärkung der Aus- und Weiterbildung.

Im Koalitionsvertrag, so der Unionsabgeordnete, fänden sich aber auch viele Leistungsversprechen „ohne Preisschild“. Das schwäche das Vertrauen in den Sozialstaat. Mit Blick auf die Erhöhung des Mindestlohns sagte Gröhe, es gebe sehr gute Gründe dafür. Ein „politischer“ Mindestlohn sei aber der falsche Weg. Durch die Aushebelung von mehr als einhundert Tarifverträgen werde die Tarifpartnerschaft geschwächt, kritisierte er.

Beim Bürgergeld gibt es aus Sicht Gröhes kein gemeinsames Verständnis innerhalb der Koalition. Für die Union sei klar, dass eine bessere Verzahnung unterschiedlicher Hilfesysteme und die Stärkung der Vermittlung in den Arbeitsmarkt unterstützenswert sind. „Einen schrittweisen Weg in ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnen wir aber entschieden ab“, so Gröhe.

Grüne: Rentenniveau darf nicht weiter absinken

Frank Bsirske (Bündnis 90/Die Grünen) räumte ein, dass der Weg zu einer klimagerechten Gesellschaft Veränderungen mit sich bringen werde, die wiederum Verunsicherungen bei den Arbeitnehmern auslösen. Die Grünen würden diese Bedenken sehr ernst nehmen, sagte Bsirske. „Der ökologische Umbau wird nicht gelingen, wenn das Soziale auf der Strecke bleibt“, betonte er. Es dürfe daher nicht zu einem weiteren Absinken des Rentenniveaus kommen. Auch dürfe man nicht länger wegschauen, „wie die Tarifbindung sinkt und Betriebsratswahlen behindert werden“, sagte der langjährige Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Es gelte das Tarifsystem zu stärken und die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung repräsentativer Tarifverträge zu binden.

Bsirske verlangte zudem, die Erhöhung des Mindestlohns umgehend in Angriff zu nehmen. Ziel des Bürgergeldes sei es, das Hartz-IV-System zu überwinden und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, machte der Grünen-Abgeordnete deutlich. Dazu werde in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezuges die Leistung ohne die Anrechnung des Vermögens erbracht. Im Rahmen einer Teilhabevereinbarung sollen laut Bsirske Angebote und Maßnahmen sowie Mitwirkungspflichten gemeinsam vereinbart werden.

AfD: Offene Grenzen ein Angriff auf den Sozialstaat

René Springer (AfD) verwies auf eine 5,3-prozentige Inflation, Energiepreise, „die durch die Decke gehen“, und steigende Dieselpreise, die Pendlern den Sprit ausgehen lassen würden. Zudem seien die Nahrungsmittelpreise um sechs Prozent gestiegen, „und die Schlangen an den Tafeln werden immer länger“. Gleichzeitig aber fordere Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), die Preise für Lebensmittel zu erhöhen. „Dieses Land wird von einer gesättigten Elite regiert, die sich vom Volk vollkommen abgekoppelt hat“, befand Springer.

In vielen anderen europäischen Staaten gebe es Regierungsprogramme zur Eindämmung der Kostensteigerung. Die Bundesregierung habe hingegen keine einzige dahingehende Maßnahme beschlossen. Der AfD-Abgeordnete sagte außerdem, die durchschnittliche Rente einer Frau mit drei Kindern liege bei 751 Euro „Ein arbeitsloser Afghane, der nie einen Cent in unser Sozialsystem einbezahlt hat, hat einen Anspruch auf 944 Euro Sozialhilfe.“ Das sei eine Schande. Die Politik der offenen Grenzen sei ein Angriff auf den Sozialstaat, sagte Springer.

FDP: Die Koalition stabilisiert die Renten

Johannes Vogel (FDP) lobte zu Beginn seiner Rede den neuen Stil der Koalition, der von Vertraulichkeit und „guten Kompromissen“, die allen Seiten etwas zumuten würden, geprägt sei. Als Beleg führte Vogel eine Wortmeldung des Präsidenten von Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, an, der mit Blick auf den Bereich Arbeit und Soziales eingeschätzt habe, das der aktuelle Koalitionsvertrag deutlich besser sei als jene, bei denen die Union beteiligt war. Der FDP-Abgeordnete betonte außerdem, die Koalition stabilisiere die Renten – auch durch „mehr Einwanderungspolitik“ und die neue Aktienrente.

Durchbrochen werde auch der Stillstand bei der Digitalisierung in der Arbeitswelt – durch Weiterbildung, aber auch durch die Modernisierung der Regelungen zum Home Office und „mehr Fairness für Selbstständige“. Mit dem neuen Bürgergeld sei zudem mehr Chancengerechtigkeit verbunden. Änderungen bei den Zuverdienstregelungen in der Grundsicherung seien nötig, weil die jetzigen Regelungen „die Menschen in der Grundsicherung festhalten anstatt ihnen eine trittfeste Leiter hinzustellen“.

Linke: Mindestlohn muss flächendeckend kontrolliert werden

Von einem Etikettenschwindel sprach Susanne Ferschl (Die Linke), wenn Hartz IV künftig Bürgergeld heißt, es aber keinen Regelsatzerhöhung gibt. Ein großes sozialpolitisches Projekt hingegen sei die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, was von der Linksfraktion schon seit 2017 gefordert werde. „Mich persönlich würde es freuen, wenn das Projekt zeitnah umgesetzt würde“, sagte sie. Damit der Mindestlohn aber wirkt, müsse er flächendeckend kontrolliert werden. Hier habe sie Zweifel, weil dafür das von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geführte Ministerium zuständig sei. Die FDP, so Ferschl, sei aber bislang nicht als Hüterin von Arbeitnehmerrechten aufgefallen.

Kritik übte sie auch an der Ausweitung von Minijobs zulasten regulärer Jobs. Die Annahme, dass Minijobs ein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung sind, sei ein „neoliberales Märchen“, was nun auch ein SPD-Kanzler nachplappere.

SPD: Durch Bürgergeld wird Leistung wieder anerkannt

Der Sozialstaat müsse in den Dienst derjenigen gestellt werden, die ihn brauchen, „um ihnen das Leben leichter zu machen“, sagte Dagmar Schmidt (SPD). Beispielhaft für den bürgernahen Sozialstaat sei das Bürgergeld. Damit werde Leistung wieder anerkannt. „Wer in der Grundsicherung ankommt, muss keine Angst haben, das zu verlieren, was er sich erarbeitet hat“, betonte Schmidt. Zwei Jahre lang blieben Vermögen und Wohnung unangetastet, um Zeit zu haben, sich um einen neuen Job zu kümmern.

In Teilhabevereinbarungen sollen weitere Wege vereinbart werden, die die Vorstellungen und Möglichkeiten der Arbeitslosen in den Mittelpunkt stellen. Abgeschafft werde der Vermittlungsvorrang, „damit niemand eine Arbeit annehmen muss, die nichts taugt, um dann sechs Monate später wieder vor der Tür des Job-Centers zu stehen“, sagte die SPD-Abgeordnete. „Wir wollen echte Perspektiven schaffen“, machte sie deutlich. (hau/13.01.2022)

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