Umwelt

Fraktionen positionieren sich zur ge­plan­ten Um­welt­politik der Regierung

Die alleinige Zuständigkeit für den Klimaschutz hat das Bundesumweltministerium verloren. In der ersten Grundsatzdebatte im Bundestag über die wichtigsten umweltpolitischen Vorhaben der Ampelkoalition am Mittwoch, 12. Januar 2022, verteidigte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) jedoch die Entscheidung, den Klimaschutz in dem von Robert Habeck (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen) geführten Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz anzusiedeln, als Chance. Das Thema werde so ressortübergreifend auf mehrere Schultern verteilt. Gleichzeitig machte sie klar, wo die Bundesregierung künftig Schwerpunkte ihrer Umweltpolitik sieht: insbesondere beim Schutz der Artenvielfalt.

Ministerin: Artensterben ins Zentrum der Politik rücken

„Das Artenaussterben ist die zweite große ökologische Krise neben der Klimakrise. Sie wird und sie muss jetzt stärker ins Zentrum der Politik rücken“, erklärte Lemke. Die Lebensgrundlagen wie Wasser, Luft oder Lebensmittel seien in Gefahr. Bis zu einer Million Arten seien vom Aussterben bedroht. Diese Arten würden vor allem dem Menschen fehlen, warnte die Ministerin. Fruchtbare Äcker gebe es nicht ohne biologische Vielfalt, daher gelte es nun ein „Zeitalter der Renaturierung einzuleiten“.

In diesem Sinne kündigte Lemke an, den Moorschutz zu stärken und eine „Offensive für den Meeresschutz“ zu starten. Als zweite wichtige Säule neben dem Umweltschutz in der Politik ihres Hauses nannte die Grünen-Politikerin den Verbraucherschutz.

„Recht auf Reparatur“

Hier kündigte sie ein „Recht auf Reparatur“ an. Wenn Fernseher oder Waschmaschinen vorzeitig entsorgt werden müssten, weil ein Einzelteil nicht austauschbar sei, koste das Verbraucher schließlich sinnlos Geld. Es verschwende aber auch zugleich wertvolle Rohstoffe, so die Ministerin. 

Ziel sei es daher, Anreize für Hersteller zu schaffen, langlebige Produkte herzustellen. Initiativen kündigte Lemke auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft an: Um Plastikmüll zu reduzieren, werde sie sich unter anderem für höhere Recyclingquoten, für einen verbindlichen Anteil von Rezyklat und einheitliche Standards für recyceltes Plastik einsetzen, versprach Lemke.

CDU/CSU sieht „Verzwergung“ des Umweltministeriums

Steffen Bilger (CDU/CSU) warf der Ministerin vor, mit ihrem Programm dem Anspruch unideologischer, technologieoffener und integrativer Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik nicht gerecht zu werden. Mit der Umweltschutz- und Verbraucherschutzpolitik greife die Regierung tief in das alltägliche Leben der Menschen ein. Umso wichtiger sei ein „verbindender, kooperativer Ansatz“. Die weitgehende Verschiebung der Verantwortung für den Klimaschutz vom Umweltressort ins Wirtschaftsministerium habe zudem zu einer „Verzwergung eines einst stolzen Hauses“ geführt.

Statt der erforderlichen Bündelung sei nun eine weitere Fragmentierung zu befürchten, monierte der CDU-Abgeordnete. Allein „grüner Machtarithmethik“ sei es zuzuschreiben, dass nun gewachsene Strukturen „willkürlich zerschlagen“ würden. Das schade deutschen Interessen und dem internationalen Klimaschutz, so Bilger.

SPD: Natürlichen Klimaschutz in den Fokus nehmen

Diesen Vorwurf wies Carsten Träger (SPD) zurück: Von einer „Verzwergung“ könne nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Dass der Klimaschutz künftig ressortübergreifend behandelt werde, zolle der großen Bedeutung des Themas „Tribut“. Die Verteilung auf verschiedene Häuser verschaffe der Umweltpolitik zudem den nötigen Raum, den neuen Bereich des natürlichen Klimaschutz und damit dessen natürliche Verbündete wie Moore, Wälder und Feuchtgebiete zu stärken.

Eine weitere wichtige Aufgabe sah Träger im Hochwasserschutz. Mit dem geplanten Klimaanpassungsgesetz werde die Bundesregierung künftig Menschen besser vor den Folgen des Klimawandels schützen, versprach der SPD-Abgeordnete.

AfD: Atomenergie vereint Klimaschutz und sichere Versorgung

Grundsätzliche Kritik an der Politik der Bundesregierung übte Andreas Bleck für die AfD-Fraktion. In der Europäischen Union sei die Bundesregierung mit ihrer Ablehnung der EU-Taxonomie, die vorsehe, Investitionen in Atom- oder Gaskraftwerke als klimafreundlich einzustufen, „wieder mal der Geisterfahrer“. Atomkraft sei jedoch „CO2-arm und grundlastfähig“ und daher „die Antwort, auf die Frage, wie man Klimaschutz und Versorgungssicherheit in Einklang bringen kann“, erklärte Bleck.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Bundesregierung kümmerten die finanziellen Folgen von Inflation und hohen Energiepreisen für die Menschen zu wenig. Anstatt wie Polen und Tschechien die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas zu senken, würden in Deutschland die Bürger stattdessen mit EEG-Umlage und CO2-Abgabe „gnadenlos abkassiert“: „Ihre Politik gegen die globale Erwärmung ist eine Politik der sozialen Kälte.“

FDP: Kreislaufwirtschaft dient Klimaschutz und Rohstoffsicherung

Judith Skudelny (FDP) nannte den Schutz der Artenvielfalt als eine der „dringendsten und vornehmste Aufgaben“ der Bundesregierung und gab als Ziel vor, in dieser Legislaturperiode die Resilienz und Krisenfestigkeit der Natur zu erreichen. Dazu liege bereits ein im Koalitionsvertrag verabredetes, umfangreiches Maßnahmenpaket vor, das auch finanziell so unterlegt sei, dass ein Umschwung beim Schutz der Artenvielfalt erreicht werden könne, betonte die Abgeordnete. „Das ist vielen Regierungen vorher nicht gelungen“.

Dass punktuell der Naturschutz gegenüber Anliegen des Klimaschutzes zurückstehen müsse, sei unumgänglich – dennoch zeigte sich Skudelny optimistisch, dass es der Regierung gelingen werde, das bisherige Spannungsfeld aufzulösen. Mit den geplanten Regelungen zur Kreislaufwirtschaft werde darüber hinaus nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet, sie garantierten auch eine umweltschonende und sichere Rohstoffversorgung in Deutschland.

Linke fordert strengere Gesetze für besseren Verbraucherschutz

Ralph Lenkert (Die Linke) hielt der Ampelkoalition zwar beste Vorsätze zugute, argwöhnte aber, diese können nicht länger halten als die „guten Vorsätze zum neuen Jahr“. Das geplante Recht auf Reparatur klinge gut, doch eine Gewährleistung von zwei Jahren sei zu wenig, monierte der Abgeordnete. Die Linke fordere seit Langem für technische Produkte garantierte Nutzungszeiten und Reparierbarkeit. Und als Techniker wisse er, dass man Waschmaschinen sehr wohl so bauen könne, dass sie zehn Jahre hielten.

Die Bundesregierung müsse Hersteller daher endlich in die Pflicht nehmen, dass diese Sozial- und Umweltstandards einhielten. Selbstverpflichtungen reichten nicht aus. „Es braucht strenge gesetzliche Vorgaben“, verlangte Lenkert.

Grüne: Klima und Artenschutz als zentrale Herausforderungen

Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) schließlich unterstrich Klimaschutz und Artenschutz als zwei zentrale Herausforderungen der Zukunft.

Beide müssten gleichermaßen angegangen werden. Beide müssten aber auch zusammengedacht werden: „Klimaschutz ist auch Artenschutz.“ (sas/13.01.2022)

Marginalspalte