Parlament

Debatte zum Frauen­tag: Deutschland kommt nur langsam voran

Im Kampf für gleiche Rechte bleibe noch viel zu tun – zu dieser Bilanz kamen Rednerinnen fast aller Fraktionen im Bundestag, der sich am Donnerstag, 17. Februar 2022, in einer Debatte zum Internationalen Frauentag schon gut drei Wochen vor dem eigentlichen Termin am 8. März mit der Lage von Frauen in Deutschland befasste. Ob gleiche Bezahlung oder paritätische Besetzung von Führungspositionen – in Sachen Gleichstellung komme Deutschland nur langsam voran, monierten viele Rednerinnen. Zudem brächte Corona alte Rollenbilder zurück, wie eine Abgeordnete mit Verweis auf eine aktuelle Studie bemerkte. Danach reduziere jede fünfte Frau wegen der Pandemie ihre Arbeitszeit, während die meisten Männer weiterarbeiteten.

Ministerin: Für Gleichstellung auch in der EU kämpfen

„Warum sind wir nach mehr als 100 Jahren Internationalem Frauentag immer noch nicht gleichberechtigt und gleichgestellt?“, fragte so auch Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen), die die Debatte zum Frauentag im Plenum eröffnete. In diesem Tempo könne es nicht weitergehen. Spiegel kündigte an, den Kampf für Frauenrechte und insbesondere gegen Armut von Frauen im Alter aufnehmen zu wollen: Das Entgelttransparenzgesetz werde überarbeitet, partnerschaftliche Gleichberechtigung gefördert, so die Ministerin.

Unbezahlte Care-Arbeit im Haushalt müsse „auf mehrere Schultern“ aufgeteilt werden. Das werde die Bundesregierung fördern und sich auch auf europäischer Ebene für Gleichstellung verstärkt einsetzen: „Wir beenden die Blockade bei der Führungspositionen-Richtlinie und werden die Lohntransparenzrichtlinie aktiv unterstützen.“

CDU/CSU: Corona ist eine Krise der Frauen

In vielem stimme sie mit der Ministerin zwar überein, erklärte daraufhin Mareike Lotte Wulf (CDU/CSU). Doch Spiegels Ausführungen enthielten leider „viele Appelle“ und nur wenig „Konkretes“, so ihre Kritik. Konkret müsse die Lage der Frauen aber betrachtet werden – denn die sei aktuell alles andere als gut: „Corona ist eine Krise der Frauen“, so Wulfs Fazit. Ob im Gesundheitssektor, in Kitas und Grundschulen: Oft in „Mangelberufen“ beschäftigt, schulterten Frauen die Hauptlast der Pandemie.

Da Frauen auch eher im Dienstleistungssektor arbeiteten, seien sie zudem verstärkt von Arbeitslosigkeit bedroht. Eine Erhöhung des Mindestlohns, die die Ampel-Koalitionäre planten, sei daher in ihrer Wirkung für Frauen „relativ zu sehen“. Frauen profitierten am meisten von einer guten Konjunktur und besser bezahlten Jobs.

SPD: Mit höherem Mindestlohn gegen Altersarmut bei Frauen

Dies wollte Ariane Fäscher (SPD) so nicht stehen lassen. Mit der Erhöhung des Mindestlohns ab Oktober werde die Koalition „endlich einen entscheidenden Schritt“ weiterkommen, um das Missverhältnis anzugleichen und Frauen vor Altersarmut besser zu schützen.

Es gehe nicht an, dass Frauen im Schnitt fast 20 Prozent weniger Lohn für ihre Arbeit erhielten. „Wir wollen die Hälfte des Geldes und die Hälfte der Macht“, forderte die Sozialdemokratin und monierte, dass in deutschen Vorständen noch immer mehr Männer als Frauen säßen.

Die Linke: Lohnunterschiede endlich beheben

Dieser Kritik schloss sich auch Heidi Reichinnek (Die Linke) an. Ungeduldig erinnert die junge Abgeordnete daran, dass auch im Bundestag noch immer erst knapp 35 Prozent der Abgeordneten weiblich seien. Existierende Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern dürften zudem nicht mit dem Verweis auf die Berufswahl von Frauen entschuldigt und hingenommen werden: „Wir können uns doch nicht damit zufriedengeben, dass sogenannte Frauenberufe eben schlechter bezahlt werden und direkt in die Altersarmut führen,“ monierte die Abgeordnete.

Doch mache auch der Koalitionsvertrag der Ampel hier kaum Hoffnung. Strukturelle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen werde seit langem beklagt, aber geändert habe sich trotzdem nur wenig.

AfD kritisiert „Phantomdebatte“ über gendergerechte Sprache

Mariana Harder-Kühnel (AfD) warf den Rednerinnen der anderen Fraktionen vor, „Phantomdebatten“ zu führen. Diskussionen um gendergerechte Sprache oder „die leidige Frauenquote“ verstellten den Blick auf die „wirklichen Probleme von Frauen“ in Deutschland. Diese könnten nämlich nicht mehr „angstfrei ohne männliche Begleitung auf die Straße“ gehen.

Auch den Opfern häuslicher Gewalt, den Opfern von Ehrenmorden und Zwangsverheiratungen helfe die Bundesregierung nicht, behauptete die AfD-Abgeordnete. Im Gegenteil: „Durch Ihr politisch korrektes, kultursensibles Schweigen machen Sie sich mitschuldig daran, dass bereits erkämpfte Frauenrechte verloren gehen.“

FDP: Aufbruch in der Gesellschaftspolitik

Offenkundig nicht so stehen lassen konnte Nicole Bauer (FDP) diesen Angriff. Sie verteidigte die Gesellschaftspolitik der Ampel-Koalition energisch als „modern und progressiv“: „Wir setzen die Segel auf Aufbruch, wir wollen etwas verändern“, rief sie. Frauen müssten endlich die gleichen Chancen bekommen wie Männer. Und die Freiheit, selbst über ihr Leben zu entscheiden, ohne von Männern bedroht zu werden.

Daher ziele die Politik der Regierung darauf, Frauen besser vor Gewalt zu schützen – „im digitalen Raum und in der realen Welt“. Die Istanbul-Konvention werde „vorbehaltlos“ umgesetzt. Der Paragraf 219a, der es Frauen schwer mache, sich „niederschwellig“ auf ärztlichen Internetseiten über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, werde zudem abgeschafft.

Grüne: Frauen in der Corona-Pandemie entlasten

Auch Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) lenkte den Blick auf die Zukunft: Die Grünen seien Koalition angetreten, den „Stillstand“ in der Gleichstellungspolitik zu beenden. Mit Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) sei eine „engagierte Feministin“ Frauenministerin geworden, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) setze im Auswärtigen Amt zudem ein Zeichen für eine „feministische Außenpolitik“, lobte die Abgeordnete.

Gleichwohl musste die Grünen-Politikerin einräumen, dass es auch Rückschritte gebe. Corona wirke sich negativ auf die Geschlechtergerechtigkeit aus, Frauen arbeiteten weniger, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Männer kaum. Frauen müssten jetzt schnell entlastet werden, drängte Schauws. Zusätzlich zu mehr Kinderkrankentagen brauche es flexible Arbeitszeitmodelle, die es ermöglichten, Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen. Als weitere Pläne zählte die Abgeordnete die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 auf, zwei Wochen Schutzzeit für das zweite Elternteil nach der Geburt sowie einer Weiterentwicklung des Elterngeldes. „So schaffen wir Frauen Perspektiven.“ (sas/17.02.2022)

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