Klimaschutz

Antrag zu Trans­formation der Automobil­industrie abgelehnt

Der Deutsche Bundestag hat am Freitag, 18. März 2022, zwei Anträgen der CDU/CSU-Fraktion mit den Titeln  „Durch Technologieoffenheit die Transformation der Automobilindustrie beschleunigen und die Klimaschutzziele erreichen“ (20/1009) und „Tempo machen bei Verkehrsprojekten – Weitere Beschleunigungspotenziale heben“ (20/1011) beraten. Beide Vorlagen wurden abgelehnt. Die erste gegen die Stimmen der Antragsteller, die zweite Vorlage gegen die Stimmen der einbringenden Fraktion sowie der AfD. 

CDU/CSU fordert Technologieoffenheit

Dr. Christoph Ploß (CDU/CSU) forderte zu Beginn der Debatte „technologieoffen“ an die großen Herausforderungen dieser Zeit heranzugehen. Das gelte für die Frage, wie Deutschland im Mobilitätsbereich unabhängig von russischen Öl- und Gasimporten werden kann. Ein technologieoffenes Herangehen sei aber aus Sicht der Union auch wichtig, um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren.  Ploß kritisierte in diesem Zusammenhang die FDP, die im Wahlkampf noch davor gewarnt habe, sich allein auf Batterieantriebe zu konzentrieren. Jetzt spreche die Bundesregierung, der auch die FDP angehöre, davon, dass das Ende des Verbrennungsmotors bevorstehe. „Das ist genau das Gegenteil dessen, was sie im Wahlkampf versprochen haben“, sagte er an die FDP gewandt.

Alle zur Verfügung stehenden Werkzeuge müssten genutzt werden, um die Klimaziele zu erreichen. Aber auch, damit die deutschen Autobauer und Zulieferer weiterhin stark bleiben. Ob Batterie, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe (E-Fuels): Es müssten gleiche Rahmenbedingungen für alle klimafreundliche Technologien in Deutschland gewährleistet werden. Daher sei es falsch, das Ende des Verbrennermotors auszurufen, sagte Ploß.

SPD: Bundesregierung macht Tempo

Auf den Unionsantrag zur Planungsbeschleunigung ging Jürgen Berghahn (SPD) ein. Bei dem Thema müsse Tempo gemacht werden, sagte er. Genau dies tue die Bundesregierung auch. Erst in der vergangenen Woche sei das „Zukunftspaket leistungsfähige Autobahnbrücken“ vorgelegt worden. Mit dem darin enthaltenen Neun-Punkteplan werde eine Zeitenwende eingeleitet, befand Berghahn. „Wir haben einen sehr konkreten Fahrplan ausgearbeitet und setzen diesen auch um.“ Etwa bei der maroden und aktuell gesperrten Rahmedetalbrücke auf der Bundesautobahn A45.

Dass nun die Union ein schnelleres Planungstempo verlange nannte der SPD-Abgeordnete interessant. Einige der Ideen in dem Antrag seien gut und würden auch berücksichtigt. Unter den vielen CSU-Bundesverkehrsministern in den letzten Jahren hätten diese aber längst umgesetzt sein können. Berghahn kündigte beschleunigte Planungen auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien an. Noch vor Ostern würden erste gesetzliche Maßnahmen verabschiedet, „um unsere Energieversorgung auch für die Zukunft zu sichern“, sagte er.

AfD: Massive Arbeitsplatzverluste zu befürchten

Aus Sicht von Dr. Dirk Spaniel (AfD) ist die Verkehrswende ein politisches Projekt auf EU-Ebene mit dem Ziel, „das Autofahren immer unbezahlbarer und unattraktiver zu machen“. Beleg dafür sei die Flottenverbrauchsvorgabe der EU, die den Antrieb mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren perspektivisch unmöglich macht, weil die Verbrauchsvorgaben nicht zu erfüllen seien.

Die damit gewollte Transformation der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität gehe mit einem Kompetenzwechsel der Industrie einher – von metallverarbeitender Industrie zur Elektrochemie. „Das geht in der Praxis überhaupt nicht“, sagte Spaniel. Die mittelständische Industrie, die heute Metallteile verarbeite, könne keine Batteriezellen herstellen. Das sei eine „komplett infantile Vorstellung“. Die Transformation führe also zu massiven Arbeitsplatzverlusten, warnte der AfD-Abgeordnete. Der richtige Weg, so Spaniel, sei die Anerkennung der synthetischen Kraftstoffe auf den Flottenverbrauch auf europäischer Ebene.

Grüne: Union hat Alternativen vernachlässigt

Nyke Slawik (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Union vor, in ihrer 16-jährigen Regierungszeit die Menschen vom Auto abhängig gemacht zu haben, „weil sie die Alternativen vernachlässigt haben“. Der Schienen- und ÖPNV-Ausbau sei vollkommen vergessen, Dienstwagen hingegen fett gefördert worden. „Dafür zahlen gerade hierzulande Millionen Menschen einen hohen Preis an der Zapfsäule“, sagte Slawik. Die Union predige das Märchen von der Technologieoffenheit, „dabei haben wir alles was wir brauchen schon heute“.

Slawik weiter: „Die E-Autos kommen. Ob Sie wollen oder nicht.“ Auch eine Stärkung von Schiene und Rad sei für das Klima unverzichtbar. Das deutsche Straßennetz, so die Grünenabgeordnete werde dadurch gerettet, dass endlich ein Fokus auf Sanierung anstatt auf überdimensionierte Neubauten gelegt werde.

Linke: Wandel zu „anderen Industrieprodukten“

Für Thomas Lutze (Die Linke) stellt sich vor allem die Frage, wie die tarifgebundenen und überdurchschnittlich bezahlten Arbeitsplätze in der Automobilindustrie erhalten werden können. Der Antrag der Unionsfraktion, so Lutze, stelle diese erst ganz weit hinten. Dies zeige, welchen geringen Stellenwert die Mitarbeiter in der Automobilindustrie bei der Union hätten. Zu konstatieren sei außerdem, dass mit Ausnahme von Porsche keine Hersteller noch etwas in Richtung Verbrennermotor tue.

Die Forderung nach Technologieoffenheit sei also „Schnee von gestern“. Die Automobilhersteller hätten sich längst auf die Veränderungen eingestellt. Benötigt werde nun ein Wandel der Autoproduktion „zu anderen Industrieprodukten“. Ein Grundrezept dafür gebe es noch nicht, räumte der Linken-Abgeordnete ein. „Aber wir brauchen Industrieproduktion für Fahrräder, Batteriezellen, Straßenbahnen und Bussen.“ So könnten die Arbeitsplätze erhalten werden.

Regierung: Technologieoffene Klimaschutzpolitik

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), Oliver Luksic (FDP), sagte, es gebe nicht eine Technologielösung, die alles kann – „vom Zweirad bis zum Flugzeug“. Deshalb fördere das BMDV auch technologieoffen alternative Kraftstoffe.

„Wir machen technologieoffene Klimaschutzpolitik“, sagte er. „Wir benutzen aber nicht das Wort Technologieoffenheit, um beim Klimaschutz nichts zu tun, wie in der Vergangenheit.“

FDP: Produktion von E-Fuels hochfahren

Jürgen Lenders (FDP) kündigte an, bei allem war getan werde, die Technologieoffenheit im Auge zu behalten. Die FDP denke auch an die Menschen in den ländlichen Räumen. Neben Rad und ÖPNV gehöre dort das Auto mit Verbrennungsmotor zu den Verkehrsmitteln. „Wir müssen also die Produktion von E-Fuels hochfahren“, sagte Lenders.

Mit Blick auf den Antrag der Unionsfraktion zur Planungsbeschleunigung urteilte er: „Die 33 aufgeschriebenen Punkte sind eine Aufzählung Ihrer eigenen Unzulänglichkeiten.“

Erster Antrag der CDU/CSU

Für eine technologieoffene und ideologiefreie Strategie zur Erreichung ambitionierter CO2-Einsparziele im Individualverkehr machte sich die Unionsfraktion stark in ihrem ersten Antrag (20/1009). Das Maßnahmenpaket „Fit for 55“ als Teil des Europäischen Klimagesetzes sehe vor, die Emissionen im Straßenverkehr bis 2030 um 55 Prozent verglichen mit 2021 zu reduzieren. Dabei werde derzeit zuallererst an Elektromobilität gedacht. Das wollte die Unionsabgeordneten ändern.

Es sei genauso wichtig, neben der E-Mobilität zu prüfen, inwiefern andere Antriebsarten und Treibstoffe Emissionen im motorisierten Individualverkehr ebenfalls kurzfristig senken können. Plug-in-Hybride, Wasserstoffautos und Autos, die mit regenerativen Kraftstoffen angetrieben werden (Biokraftstoffe und strombasierte, synthetische Flüssigkraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien), kämen als Alternativen in Betracht.

Gesamten „Lebenszyklus eines Fahrzeugs“ betrachten

Statt lediglich auf die Abgase am Auspuff zu schauen, müsse der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs und dessen CO2-Fußabdruck betrachtet werden, betonten die Abgeordneten. Für Deutschland als führender Automobilstandort in Europa sei es zudem wichtig, die Industrie in den Transformationsprozess einzubinden. 

Der private Pkw werde das beliebteste Verkehrsmittel in Deutschland bleiben. Deshalb forderten die Abgeordneten die Bundesregierung auf, sich eindeutig zur Technologieoffenheit im motorisierten Individualverkehr und zu allen zur Verfügung stehenden Instrumenten und Technologien zu bekennen, um die Klimaschutzziele zügig zu erreichen und den nationalen Transformationsprozess vor dem Hintergrund des Maßnahmenpakets „Fit for 55“ nachhaltig zu gestalten.

Zweiter Antrag der CDU/CSU

Die CDU/CSU-Fraktion drängte auf eine schnellere Umsetzung von Verkehrsinfrastrukturprojekten. In einem Antrag (20/1011) forderte sie die Bundesregierung auf, konsequent und unverzüglich weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Verfahren bei der Planung, der Genehmigung und beim Bau von Infrastrukturprojekten voranzutreiben.

Konkret sprach sich die Fraktion unter anderem für die Novellierung des Bundesfernstraßengesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes aus. So sollte im Bundesfernstraßengesetz im Fall des Ersatzes einer notwendigen Trasse sowie einer baufälligen Brücke durch ein in Größe und Funktion baugleiches Bauwerk auf das Planfeststellungsverfahren verzichtet werden. Zudem sollte zukünftig Planfeststellungsfreiheit auch den Verzicht auf eine formelle Umweltverträglichkeitsprüfung umfassen, insbesondere bei Ersatzbauten.

Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes

Das Allgemeine Eisenbahngesetz sollte so geändert werden, dass die Ausstattung einer Bahnstrecke mit einer Oberleitung ohne die Einschränkungen räumlich begrenzter Anpassung, insbesondere auch von Tunneln mit nicht nur geringer Länge möglich ist. Ebenso soll neben Oberleitungen auch die gesamte Infrastruktur für CO2-reduzierende Antriebsarten von der Planfeststellung ausgenommen werden. Hierzu sollten ebenso Umrichter- oder Unterwerke für die Einspeisung des Bahnstroms, sowie Tank- und Ladeinfrastruktur für hybride oder wasserstoffbasierte Antriebsformen gehören. Beim Ausbau der Radinfrastruktur sollte nach dem Willen der Union auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden.

Die Union sprach sich zudem dafür aus, die Anhänge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union mit tatsächlich gefährdeten Tier- und Pflanzenarten wissenschaftlich fundiert zu aktualisieren. Ebenso müsse die Vogelschutzrichtlinie dahingehend überarbeitet werden, dass projektbezogene Verbote sich ausschließlich auf nachweislich gefährdete Arten beschränken. (mis/irs/hau/18.03.2022)

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