Minister Özdemir stellt mehr Mittel für Ernährungssicherheit bereit
„Ernährungs- und Agrarpolitik ist Sicherheitspolitik“, mit diesen eindringlichen Worten eröffnete Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) vor dem Hintergrund des Überfalls Russlands auf die Ukraine die Debatte über den Haushaltsentwurf seines Hauses. „Der Krieg wird Auswirkungen auf Deutschland haben“, sagte Özdemir am am Donnerstag, 24. März 2022, in der ersten Lesung des Einzelplans 10 des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (20/1000). In der Debatte zeigten die Redner aller Parteien, mit Ausnahme der AfD-Fraktion, die Notwendigkeit einer Reaktion auf die aktuelle Lage, aber auch am Festhalten einer stärkeren ökologischen Ausrichtung der Landwirtschaft.
Minister: Landwirte unterstützen
Minister Özdemir betonte die Notwendigkeit, mehr Mittel für die Ernährungssicherheit bereitzustellen. Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) will die Mittel aus dem EU-Hilfspaket von 60 Millionen Euro für Deutschland auf 180 Millionen Euro aus dem nationalen Haushalt aufstocken und weitere Schritte prüfen, wie „Landwirte am besten unterstützt werden können“, sagte Özdemir.
Den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Produktion auf ökologischen Vorrangflächen insgesamt sowie die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zuzulassen, ist nach Auffassung des Ministers für „die Biodiversität eher kritisch zu sehen“ und erscheine als sehr weitgehender Ansatz.
CDU/CSU stellt zu hohe Importabhängigkeit fest
Der CDU/CSU-Fraktion gehen die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug. „Die Lebensmittelsicherheit und die Energiesicherheit müssen im Zentrum der Landwirtschaftspolitik stehen“, forderte Steffen Bilger (CDU/CSU).
Der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass Deutschland und Europa viel zu „importabhängig ist“, sagte er. Deshalb müssten wieder mehr Lebensmittel in Deutschland produziert werden, „nicht weniger, so wie es die Pläne des BMEL vorsehen“, so Bilger. Die von der EU vorgesehenen Programme „Farm-to-Fork“ und „New-Green-Deal“ sollten nach Ansicht Bilgers „komplett neu geplant“ werden.
Grüne fordern weniger Tieren in der Landwirtschaft
Das stößt bei der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf Widerstand. Dr. Sebastian Schäfer betonte die Notwendigkeit von weniger Tieren in der Landwirtschaft.
Für den Umbau der Ställe für mehr Tierwohl stehe ab 2023 eine Milliarde Euro im Haushalt, davon sollten die Landwirte Gebrauch machen und die Regierung bei Bedarf „die Zahlung von Fördermitteln ausweiten“.
SPD will mehr Entscheidungssicherheit für Landwirte
Auch Ester Dilcher (SPD) mahnte „mehr Entscheidungssicherheit“ für die Landwirte an, es könne nicht sein, dass immer mehr Höfe aufgegeben werden, weil „immer neue Investitionen kaum mehr zu stemmen sind“, sagte sie.
Der Etatentwurf würde „den Beruf Landwirt“ nur wenig attraktiv erscheinen lassen. Zwar gingen von den insgesamt 7,1 Milliarden Euro im Haushaltsentwurf vier Milliarden Euro an die Sozialversorgung der Landwirte, doch immer mehr Betriebe würden aufgeben.
FDP lehnt Flächenstilllegungen ab
Mehr Freiheiten für die Landwirte forderte Karlheinz Busen (FDP). In Frankreich gehe man „den richtigen Weg“, indem man sich von den Vorgaben wie der Flächenstilllegung verabschiedet habe. Auf diesen Flächen müssten nicht nur Futtermittel angebaut werden, sondern auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erlaubt werden, so die Forderung.
„Ärmere Länder sind durch den Krieg in der Ukraine massiv von Hunger bedroht, eine Verknappung von Lebensmitteln können wir uns nicht leisten“, sagte Busen.
AfD: Keine Zeitenwende im Agraretat
Der AfD-Fraktion geht das noch nicht weit genug. „Eine Zeitenwende, die von der Bundesregierung ausgerufen wurde, ist in dem Etatentwurf nicht zu finden“, stellte Peter Felser (AfD) fest.
Während EU-Länder wie Frankreich, Österreich und Polen Fördergelder für die Landwirte bereitstellten, „Frankreich hat den Landwirten ein Steuersenkungsprogramm in Höhe von 460 Millionen Euro für 2022 angekündigt“, sehe der Etat des Bundeslandwirtschaftsministers sogar eine Kürzung der Sozialausgaben für Landwirte in Höhe von 77 Millionen Euro vor.
Linke kritisiert Kürzung der Mittel im ländlichen Raum
Die Fraktion Die Linke bemängelt nicht nur die Kürzungen bei den Sozialausgaben im Etat. „Im Januar hat Minister Özdemir eine flammende Rede zur Zukunft der Landwirte gehalten, leider sind nur 3,3 Milliarden Euro für die Gestaltung übriggeblieben“, sagte Ina Latendorf (Die Linke).
Sie kritisierte, dass „für Rüstungsprojekte 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden, doch für die Ernährungssicherheit sind nicht mal zehn Prozent der Mittel eingeplant“. Auch die Kürzung der Mittel zur Verbesserung der Lebensbedingungen in ländlichen Räumen um 15 Millionen Euro seien „blanker Hohn“ im Angesicht der Debatte, gerade diese Regionen aufzuwerten.
Landwirtschaftliche Sozialpolitik ist größter Posten
Der Haushaltsentwurf für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sieht Mittel in Höhe von rund 7,1 Milliarden Euro vor. Damit soll der BMEL-Etat im Vergleich zum Vorjahr um rund 571 Millionen Euro schrumpfen, das Minus geht im Wesentlichen auf die nur für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 bereitgestellten Zusatzmittel des Konjunkturprogramms „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunft stärken“ zurück. Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag der BMEL-Haushalt bei rund 6,3 Milliarden Euro.
Der wichtigste Posten bleibt auch 2022 die landwirtschaftliche Sozialpolitik, für die Ausgaben von insgesamt 3,95 Milliarden Euro vorgesehen sind (2021: 4,21 Milliarden Euro). Davon entfallen 2,37 Milliarden Euro (2021: 2,48 Milliarden Euro) auf die Alterssicherung der Landwirte. Ein weiterer wesentlicher Ausgabenblock ist die landwirtschaftliche Krankenversicherung mit 1,44 Milliarden Euro (2021: 1,51 Milliarden Euro). Außerdem werden Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro (2021: 1,8 Milliarden Euro) gewährt, um land- und forstwirtschaftliche Unternehmer zu entlasten.
Umbau der Tierhaltung
Für den Umbau der Tierhaltung plant die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro im Bundeshaushalt ein. Diese sollen ab 2023 fließen und bis 2026 verteilt werden. Das Geld soll vor allem zur Förderung von Investitionen in Tierwohl-Ställe verwendet werden und ein erster Schritt für ein Paket zum Umbau der Tierhaltung sein.
Im Kapitel „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation“ ist nachzulesen, wie das Geld im Detail ausgegeben werden soll. Im Jahr 2022 umfassen die Mittel insgesamt 427 Millionen Euro (2021: 441,2 Millionen Euro). Davon sind 68 Millionen Euro (2021: 89,62 Millionen Euro) für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe veranschlagt. Gefördert werden können insbesondere Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Weiterer wesentlicher Ausgabeschwerpunkt mit 58 Millionen Euro (2021: 53,3 Millionen Euro) ist das Programm zur Innovationsförderung im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher.
Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes
An der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ beteiligt sich der Bund dem Entwurf zufolge mit 1,33 Milliarden Euro (2021: 1,16 Milliarden Euro).
Wie aus einer Anlage zum Einzelplan hervorgeht, sollen die Mittelzuweisungen des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft 5,05 Milliarden Euro (2021: 5,15 Milliarden Euro) betragen. Dazu zählen auch die Brüsseler Direktzuweisungen an die Landwirte. (nki/vom/24.03.2022)