Haushalt

Krisen prägen die erste Lesung der Schluss­runde zum Etat 2022

Zum Abschluss der ersten Lesung des Bundeshaushalts 2022 (20/1000) und des Finanzplans für die Jahre 2021 bis 2025 (19/31501) hat der Bundestag am Freitag, 25. März 2022, in einer Schlussrunde zwei Stunden lang Bilanz der viertägigen Beratungen gezogen. Im Anschluss wurden beide Vorlagen zur federführenden Beratung in den Haushaltsausschuss überwiesen. Die abschließende Beratung des Haushalts im Plenum soll in der Sitzungswoche vom 31. Mai bis 3. Juni stattfinden. 

FDP: Die Koalition hat sich schlagkräftig formiert

Otto Fricke (FDP) sagte zu Beginn der Debatte, die Koalition habe es geschafft, sich innerhalb eines halben Jahres schlagkräftig zu formieren. Beim Haushalt erkenne sie die Realitäten an und reagiere gleichzeitig auf das, „was an neuen Dingen auf uns zukommt.“ Er sei stolz darauf, dies geschafft zu haben, „auch wenn jetzt erst die Arbeit im Ausschuss beginnt“.

Mit Blick auf die Unionsfraktion, als „einzig ernst zu nehmende Opposition“, kritisierte er deren „immer mehr“ Haltung. Es gelte sich stattdessen darauf zu konzentrieren, was in einer sozialen Marktwirtschaft wirklich notwendig sei. Einen zweiten „Unions-Ergänzungs-Haushalt“, neben dem notwendigen Ergänzungs-Haushalt aufgrund der Ukrainekrise, werde es aber nicht geben, machte Fricke deutlich.

CDU/CSU fordert generationengerechte Haushaltspolitik

Aus Sicht von Yannick Bury (CDU/CSU) gilt es die Frage zu beantworten, „ob und wie wir die Freiheit und Sicherheit in Europa dauerhaft sichern können, und zwar nicht nur für unsere Generation und nicht nur für die nächsten vier Jahre“.

Gleichzeit gebe es die Herausforderung, Freiheit und Sicherheit zu sichern, ohne heute so viele Schulden aufzutürmen, dass der nächsten Generation alle Handlungsmöglichkeiten genommen werden, um selber auf kommende Herausforderungen reagieren zu können. Das zusammenzubringen sei generationengerechte Haushaltspolitik, sagte Bury. „Auf diese Herausforderungen geben Ihr Haushaltsentwurf und Ihre Finanzplanungen bisher noch keine überzeugenden Antworten“, sagte der Unionsabgeordnete an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gewandt. 

SPD wirbt für zweites Entlastungspaket

Kevin Kühnert (SPD) wies die Kritik zurück. Die Union habe dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht nur zugestimmt, sondern wolle noch zusätzliche 25 Milliarden im Einzelplan 14 (Bundesministerium der Verteidigung) oben draufpacken. Noch im ersten Regierungsentwurf aus der Regierungszeit der Union sei eine Nettoneuverschuldung von 99,7 Milliarden Euro vorgesehen gewesen, wovon CDU und CSU heute nichts mehr wissen wollten, sagte Kühnert.

Die Koalition hingegen habe ein zweites Entlastungspaket im Umfang von gut 20 Milliarden Euro „für den ländlichen Raum und für Großstädterinnen und Großstädter“ auf den Weg gebracht. Vieles was darin enthalten sei, habe auch die Union gefordert, sagte der SPD-Abgeordnete und verwies unter anderem auf die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1.Juli 2022. 

AfD kritisiert Methode der Nebenhaushalte

Für Peter Boehringer (AfD) schwebte das neue „Lauterbach-Diktum, wonach wir immer im Ausnahmezustand sein werden“, über der gesamten Haushaltswoche. Mehr als zehn Milliarden Euro würden für Corona-Tests ausgegeben „und noch mehr für MRNA-Impfungen, die Masseninfektionen in keinerlei Weise verringern“.

Der Bundestag werde zudem über Nebenhaushalte immer weiter entmachtet, beklagte der AfD-Abgeordnete. „Das Sondervermögen Bundeswehr wird technisch betrachtet womöglich die Blaupause für Milliardenpositionen, die künftig neben der Schuldenbremse stehen“, sagte er. 

Grüne: Koalition stellt sich den aktuellen Krisen

„Diese Koalition ist handlungsfähig und stellt sich den aktuellen Krisen“, befand Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen). Nach der Corona-Pandemie und der Klimakrise gebe es jetzt eine neue schrecklich Krise mitten in Europa. Ihn wundere die Kritik der Union am Haushalt, so Kindler. Es sei doch völlig klar, „dass wir auf diesen russischen Angriffskrieg im weiteren Verfahren reagieren müssen“.

Daher sei es richtig, dass die Bundesregierung noch einen Ergänzungsetat vorlegen werde. Es könne schließlich heute noch niemand konkret wissen, was künftig finanziert werden müsse. „Wir werden entschlossen handeln und das Notwendige konkret finanzieren“, kündigte der Grünenabgeordnete an. Nach dem ersten Entlastungspaket folge nun ein zweites. Darin werde Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbunden, statt beides gegeneinander auszuspielen. 

Linke: Hochrüstung der Bundeswehr hilft den Menschen nicht

Janine Wissler (Die Linke) kritisierte das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr. „Eine massive Hochrüstung der Bundeswehr hilft den Menschen in der Ukraine nicht“, sagte sie. Ein neues Wettrüsten mache die Welt nicht sicherer – „ganz im Gegenteil“. Im Übrigen stimme auch das viel beschworene Bild von der kaputtgesparten Bundeswehr nicht, befand Wissler.

Der Verteidigungshaushalt sei seit 2014 um 40 Prozent gestiegen. Das Geld versickere aber durch dubiose Beraterverträge und ein Beschaffungswesen, „bei dem die Rüstungsindustrie die Preise selbst festlegt“. Das Problem werde nicht dadurch gelöst, dass in dieses „schwarze Loch“ noch mehr Geld gesteckt wird, sagte die Linken-Abgeordnete. 

Minister: Bundeswehr wurde über viele Jahre vernachlässigt

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sah das anders. Das Sondervermögen sei nötig geworden, weil die Bundeswehr über viele Jahre vernachlässigt worden sei. Von einem Schattenhaushalt könne zudem keine Rede sein. „Ein Sondervermögen, dass im Grundgesetz steht, steht nicht im Schatten“, so Lindner. Noch mehr Öffentlichkeit als eine Absicherung im Grundgesetz sei schier nicht vorstellbar. 
Der Finanzminister kritisierte zudem die Union. Es gehe nicht, auf der einen Seite Verschuldung zu kritisieren und auf der anderen Seite nach immer Mehr zu rufen. 

Weiterberatung im Haushaltsausschuss

Der Haushaltsausschuss unter Vorsitz von Helge Braun (CDU/CSU) wird das Haushaltsgesetz mit seinen Anlagen, den Einzelplänen, sowie den Finanzplan in den kommenden Sitzungswochen beraten und gegebenenfalls Änderungen am Regierungsentwurf beschließen. Dabei wird er auch die Fachausschüsse des Bundestages gutachtlich zu Rate ziehen.

Die letzten Entscheidungen werden voraussichtlich am Donnerstag, 19. Mai, in der sogenannten „Bereinigungssitzung“ im Haushaltsausschuss getroffen. Diese Sitzung dauert häufig bis in die frühen Morgenstunden. Die viertägige zweite Beratung des Haushalts im Plenum soll in der Sitzungswoche vom 31. Mai bis 3. Juni stattfinden.

Die Fraktionen haben die Möglichkeit, während der zweiten Beratung ihre Änderungsanträge zum Haushaltsgesetz insgesamt oder zu den Einzelplänen einzubringen, über die direkt im Anschluss an die jeweilige Debatte abgestimmt wird. Die dritte Lesung und Verabschiedung des Haushalts ist für Freitag, 3. Juni, vorgesehen. In diesem Zusammenhang wird dann auch über Entschließungsanträge der Fraktionen abgestimmt.

Ausgaben von 457,6 Milliarden Euro vorgesehen

Der Entwurf des Haushaltsgesetzes 2022 sieht Ausgaben von 457,6 Milliarden Euro vor. Das sind 115,1 Milliarden Euro weniger als im Haushalt für 2021 einschließlich seiner beiden Nachtragshaushalte eingestellt waren. Der Anteil der Investitionen liegt bei 50,8 Milliarden Euro, das sind 8,5 Milliarden Euro weniger als 2021.

Es werden Steuereinnahmen von 332,5 Milliarden Euro erwartet, 48,5 Milliarden Euro mehr als im vergangenen Jahr. Deutlich zurückgeführt werden soll die Nettokreditaufnahme, und zwar von 240,2 Milliarden Euro 2021 auf nun 99,7 Milliarden Euro.

Sondervermögen „Bundeswehr“ und Ergänzungshaushalt

Zugleich soll aber ein Sondervermögen „Bundeswehr“ geschaffen und mit einer Kreditermächtigung in Höhe von 100 Milliarden Euro ausgestattet werden, um in den kommenden Jahren die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Zusammen mit dem Aufwuchs im regulären Verteidigungsetat sollen damit die Verteidigungsausgaben ansteigen, ohne dass das Ziel verfehlt wird, die reguläre Kreditobergrenze nach der Schuldenregel des Grundgesetzes („Schuldenbremse“) ab dem Jahr 2023 wieder einzuhalten.

Darüber hinaus plant die Bundesregierung derzeit ein zusätzliches Programm, um vor allem die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine abzufedern und ihre humanitären Anstrengungen in dessen Folge zu verstärken. Sie hat dazu einen Ergänzungshaushalt angekündigt, der zusammen mit dem Haushaltsgesetz 2022 beraten werden soll.

Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat

Mit dem Haushaltsgesetz überwiesen werden ohne Debatte auch die Einzelpläne 01 (Bundespräsident und Bundespräsidialamt), 02 (Deutscher Bundestag) und 03 (Bundesrat). Beim Bundespräsidialamt sind Ausgaben von 44,89 Millionen Euro vorgesehen (2021: 44,65 Millionen Euro), beim Bundestag von 1,1 Milliarden Euro (2021: 1,06 Milliarden Euro) und beim Bundesrat von 35,29 Millionen Euro (2021: 41,19 Millionen Euro).

Die Einnahmen belaufen sich beim Bundespräsidialamt wie 2021 auf 190.000 Euro, beim Bundestag auf 1,82 Millionen Euro (2021: 1,78 Millionen Euro) und beim Bundesrat auf 20.000 Euro (2021: 90.000 Euro).

Verfassungsgericht, Datenschutzbeauftragter, Kontrollrat

Ebenfalls überwiesen werden die Etatentwürfe des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und des Unabhängigen Kontrollrats. Das Bundesverfassungsgericht (Einzelplan 19) soll 2022 35,91 Millionen Euro ausgeben können (2021: 37,17 Millionen Euro). Die Einnahmen sollen wie 2021 40.000 Euro betragen.

Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Einzelplan 21) sollen 43,24 Millionen Euro zur Verfügung stehen (2021: 31,54 Millionen Euro), wobei sich die Einnahmen wie 2021 auf 90.000 Euro belaufen sollen.

Der Unabhängige Kontrollrat (Einzelplan 22), der die Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes kontrolliert, soll 12,38 Millionen Euro (2021: 4,69 Millionen Euro) erhalten, Einnahmen sind nicht eingeplant. (hau/vom/25.03.2022)

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