Parlament

Laschet: Täter des Ukrainekriegs werden zur Verantwortung gezogen

Armin Laschet sitzt an einem Tisch hinter einem Mikrofon

Armin Laschet (CDU/CSU), stellvertretender Leiter der deutschen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER) (© DBT/ Florian Gaertner / photothek)

„Konsequenter und reaktionsschneller“ müsse man künftig reagieren, wenn ein Mitgliedsland gegen die Grundwerte des Europarates verstoße, sagt Armin Laschet (CDU/CSU), stellvertretender Leiter der deutschen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER), die vom 25. bis 28. April 2022 in Straßburg zu ihrer zweiten Sitzungswoche des Jahres zusammenkam. Im Interview spricht der Bundestagsabgeordnete und frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der bereits als Minister für Europafragen zuständig und von 1999 bis 2005 Mitglied des Europäischen Parlaments war, über die Erschütterung der europäischen Ordnung durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Vertiefung der europäischen Integration und darüber, was er sich persönlich für seine Mitarbeit in der Versammlung vorgenommen hat. Das Interview im Wortlaut:

Herr Laschet, die zweite Sitzungswoche des Jahres war auch Ihre zweite Sitzungswoche in der Versammlung des Europarates. Wie erleben Sie als Neuer im Europarat, aber mit viel europäischer Erfahrung im Gepäck, die Organisation?

Die PVER befasst sich mit aktuellen und brisanten Themen, empfängt hochrangige Gäste, stützt sich auf sehr qualifiziertes und motiviertes Personal und bietet eine Fülle von Ansprechpartnern aus ganz Europa. Gerade die Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern, die nicht der EU angehören, von denen aber einige die Mitgliedschaft anstreben, bringen eine wichtige Perspektive ein. Diese Sitzungswoche wurde nach den zurückliegenden pandemiebedingten Beschränkungen fast wieder im Normalbetrieb veranstaltet. Man spürte - auch gerade vor dem Hintergrund der angespannten außenpolitischen Lage - die Erleichterung, wieder von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen zu können. Und mich beeindrucken die Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine, die für ihre Anliegen kämpfen und nach der Sitzungswoche wieder zurückreisen in ihr bombardiertes Land.

Ein großes Plus für den Europarat war immer, dass er mit seinen 47 Mitgliedern auch Russland, und somit fast alle europäischen Länder, umfasste. Verliert die Organisation nach dem Rauswurf Russlands an Bedeutung?

Der Ausschluss Russlands war angesichts des Angriffskriegs gegen die Ukraine unvermeidlich. Dennoch war er schmerzlich, für den Europarat, aber besonders für die Menschen in Russland, die künftig ohne den Schutz der Menschenrechtskonvention der Repression und Willkür der aktuellen Regierung ausgesetzt sind. Das mit dem Beitritt Russlands verfolgte Ziel, das Land fest im Kreis der europäischen Wertegemeinschaft zu verankern, ist vorerst gescheitert. Der Ausschluss hat auch verdeutlicht, dass man die eigenen Werte sehr ernst nimmt und bereit ist dafür einzutreten. Das war ein wichtiges Signal an diejenigen Mitgliedstaaten, die ihre Verpflichtungen nicht immer in der gewünschten Weise nachkommen wollen. Insofern besteht die Aussicht, dass es hier insgesamt zu einer Besinnung auf die Kernaufgaben der Organisation, also pluralistische Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte kommen kann, was die Bedeutung des Europarates stärken könnte.

Was für Ziele sollte die Versammlung nun vorrangig verfolgen? Ist eine Neuausrichtung nötig?

Der Europarat muss sich ständig anpassen, er kann nicht statisch sein und gerade die Versammlung misst dabei regelmäßig den Puls unserer Mitgliedsländer. Wir müssen uns zum einen den großen Herausforderungen und Gefahren für unsere Demokratien widmen. Unsere Aufgabe bleibt andererseits, gesellschaftliche Entwicklungen wahrzunehmen und neue menschenrechtliche Problemstellungen aufzugreifen, und für sie in Zusammenarbeit mit den Regierungen und der Zivilgesellschaft Lösungen mit europäischen Standards und Mindestanforderungen zu erarbeiten. Da besteht großes Potenzial, zum Beispiel auch bei Fragen wie der Verbindung zwischen Menschenrechten und Umweltschutz. In dieser Sitzungswoche hat sich die Versammlung unter anderem mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Pornographie im Internet oder mit unzulässiger Gewalt durch Polizeikräfte befasst.

Ließe sich die momentane Einigkeit gegenüber dem russischen Angriffskrieg dazu nutzen, Probleme und Fehlentwicklungen wie Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit in den verbleibenden Mitgliedstaaten anzupacken?

Es gibt derzeit eine große Bereitschaft, dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der auch ein Angriff auf unsere Werteordnung und die regelbasierte internationale Zusammenarbeit ist, mit Geschlossenheit zu begegnen. Wir haben erleben müssen, dass abwarten und zögerliche Reaktionen die Erosion der Grundwerte nicht aufhält und zu sehr negativen Folgen führen kann. Aus dieser Erfahrung müssen wir lernen und künftig bei Verstößen konsequenter und reaktionsschneller sein.    

Den Ukraine-Krieg Russlands hat die Versammlung in Form von zwei Berichten adressiert, die darauf zielen, das Geschehen dort politisch und rechtlich aufzuarbeiten. Was sind die wichtigsten Botschaften, die von diesen Berichten ausgehen?

Die zum Teil einstimmig verabschiedeten Beschlüsse verdeutlichen zunächst einmal die große Solidarität gegenüber der Ukraine. Die Berichte wurden von den Vorsitzenden der größten Fraktionen in der Versammlung, von Frank Schwabe für die Sozialisten, Demokraten und Grünen, und von Aleksander Pociej für die Europäische Volkspartei und Christdemokraten gefertigt. Sie ergänzen sich und es werden eine Fülle von ganz konkreten politischen, völkerrechtlichen und technischen Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine und auch der Flüchtenden vorgeschlagen. Wir wollen der Ukraine helfen, die Kriegsverbrechen zu dokumentieren und strafrechtlich aufzuarbeiten. Für das international geächtete Verbrechen des Angriffskriegs soll ein neues internationales Tribunal geschaffen werden. Es soll sich auch auf die Expertise des Europarates und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stützen können. Die Botschaft ist hier: Die Verbrechen werden festgehalten, die Täter und ihre Befehlsgeber werden eines Tages zur Verantwortung gezogen.

Die Abgeordneten haben zudem einen Bericht zur Förderung der strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und dem Europarat angenommen. Was für Mehrwerte birgt ein stärkeres Zusammenwirken beider Organisationen? Wo sehen Sie neue Anknüpfungspunkte?

Der Europarat kann die Europäische Union bei ihrem Erweiterungsprozess und bei der Nachbarschaftspolitik unterstützen, insbesondere die Umsetzung eines einzigartigen und lückenlosen gemeinsamen Rechtsraums. Die Verhandlungen über den hierzu erforderlichen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die auch im Rahmen des Vertrages von Lissabon als Ziel gesetzt wurden, finden wieder statt. Da hierüber beidseitiger Konsens besteht, könnten die besonderen rechtlichen Herausforderungen im Hinblick auf die Umsetzung nun gelöst werden. Die rechtliche Würdigung des Europäischen Gerichtshofs bleibt jedoch abzuwarten, da es in der Vergangenheit an der Vereinbarkeit mit dem Europäischen Primärecht scheiterte.

Was haben Sie persönlich sich für Ihre Arbeit innerhalb der Versammlung für die kommenden drei, vier Jahre vorgenommen?

Menschen zusammenbringen, über nationale Grenzen hinweg Lösungen zu finden, - das ist mein Ziel. Es ist eine Herausforderung die Aufgaben als nationaler Abgeordneter mit denen in der Versammlung, in der ich im Präsidium vertreten bin, möglichst gut zu verbinden. Das ist nicht immer einfach, schon allein, da sich die Sitzungswochen der Versammlung regelmäßig mit denen des Bundestages überschneiden. Es lohnt aber alle Anstrengungen.

(ll/06.05.2022)