Parlament

Einsetzung eines Unter­suchungs­ausschusses zu Afghanistan beraten

Die AfD-Fraktion fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung des deutschen Engagements in Afghanistan zwischen 2001 und 2021 und hat dazu einen Antrag vorgelegt (20/1867), den der Bundestag am Donnerstag, 19. Mai 2022, erstmals erörtert und zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen hat. Der Untersuchungsausschuss soll sich nach dem Willen der Fraktion „ein Gesamtbild zum politisch-militärisch-zivilen Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan verschaffen und die genauen Gründe für sein Scheitern eruieren“.

AfD: Kein einziges Ziel erreicht

René Springer (AfD) sprach von einem Einsatz, der 2021 mit einem Desaster geendet sei: Kein einziges Ziel sei erreicht worden, Afghanistan sei in ein Chaos gestürzt worden. „Wir waren in den Augen vieler Afghanen keine Befreier, wir waren Besatzer, ein westlicher Fremdkörper in einer archaischen Stammeskultur.“

Die Aufarbeitung in einem Untersuchungsausschuss werde weder verwundete und traumatisierte Bundeswehrsoldaten heilen, noch die 59 im Einsatz getöteten Soldaten zurückholen. Es bestehe aber die Pflicht „falsche Versprechen, Täuschungen und Lügen“ aufzuklären.

SPD: Aufarbeiten und Lehren ziehen

Dr. Ralf Stegner (SPD) wandte sich gegen eine „heldenhafte Aufklärerpose“ der Antragsteller. Die brauche es nicht, denn die Ampelfraktionen wollten wie im Koalitionsvertrag vereinbart einen Untersuchungsausschuss zum Abzug aus Afghanistan und eine Enquete-Kommission zum Einsatz auf den Weg bringen.

Es gehe darum, die Verantwortung des deutschen Engagements aufzuarbeiten und Lehren für andere Bundeswehreinsätze zu ziehen. „Wer wirklich etwas lernen will, verzichtet auf vorgezogene Schlussforderungen“, sagte Stegner.

Union: Wieder Terror in Afghanistan

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) warf diesen vor, das parlamentarische Instrument des Untersuchungsausschusses entweder nicht verstanden zu haben oder missbräuchlich einsetzen zu wollen: „Im Zentrum steht die Beweisaufnahme zur Sachverhaltsermittlung und nicht die Agitation.“ 

Seitdem die Nato nicht mehr in Afghanistan präsent sei, seien Chaos, Terror und Elend zurückgekehrt, sagte Röttgen. Der Einsatz sei auf US-Initiative und wider besseres Wissen der Europäer beendet worden. „Der Abzug aus Afghanistan hat europäische Ohnmacht sichtbar gemacht“.

Grüne werfen AfD „Effekthascherei“ vor

Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einem „total absurden Antrag“. Eine Beschäftigung mit 20 Jahren Einsatz würde einen solchen Ausschuss auf Jahrzehnte beschäftigen. Allein der Kunduz-Untersuchungsausschuss habe zwei Jahre benötigt, um das Geschehen weniger Wochen zu beleuchten.

Den Antragstellern gehe es um „Effekthascherei“ und nicht um Ergebnisse, sagte Brugger. Untersuchungsausschüsse seien ein „Mittel zur Aufarbeitung, nicht zur Abrechnung“.

Linke kündigt „besseren Antrag“ an

Für Dr. Gregor Gysi (Die Linke) war der „Krieg in Afghanistan von Anfang an falsch“ und seine Partei habe dies auch immer so benannt. Zu keiner Zeit habe dieser Einsatz die Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung gehabt. Mit dem „fluchtartigen Ende“ hätte sich auch eine Politik immer neuer Bundeswehreinsätze im Ausland als gescheitert erwiesen.

Es gelte nun, der Ampel für die „dringende Aufarbeitung“ auf die Sprünge zu helfen, sagte Gysi und kündigte an: „Wir werden einen besseren Antrag einreichen.“

FDP: Vor dem Einsatz standen Terroranschläge

Alexander Müller (FDP) kritisierte insbesondere, dass die AfD den Afghanistaneinsatz „in Bausch und Bogen“ verurteilen wolle. Er erinnerte daran, dass vor diesem Einsatz die weltweiten Terroranschläge des al Qaida-Netzwerks standen, darunter die Anschläge vom 11. September 2001.

Die AfD maße sich an, mit dem Wissen von heute die Entscheidung von damals zu verurteilen, gegen Osama bin Laden und „seine Terrorbande“ vorzugehen, die Unterschlupf in Afghanistan gefunden hatten. „Sagen Sie das den Witwen und Waisen von 9/11 ins Gesicht. Es ist wirklich zum Schämen.“

Antrag der AfD 

Geklärt werden soll nach den Vorstellungen der Fraktion unter anderem, „aus welchen Gründen die deutschen Bundesregierungen so lange am Afghanistan-Engagement festhielten und dem Deutschen Bundestag immer wieder Anträge zur Mandatsverlängerung des Bundeswehreinsatzes vorlegten“ und warum sie „die wirkliche Lage am Hindukusch, die von so vielen Beobachtern längst – gemessen an den ursprünglichen Zielen – als dramatisch erkannt worden war, so eklatant verkannten und dies über einen so langen Zeitraum hinweg“.

Zu den vorgeschlagenen Untersuchungsgegenständen zählen darüber hinaus Fragen zur Ausrufung des Nato-Bündnisfalls nach den Terroranschlägen des 11. September 2001, zu langjährigen Vorwürfen über Wahlfälschungen, Korruption und Duldung des Opiumanbaus in Afghanistan, zum Ausbleiben einer Exit-Strategie der Nato und zum Umgang mit afghanischen Ortskräften. (ahe/19.05.2022)

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