Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne Debatte hat der Bundestag am Donnerstag, 2. Juni 2022, über eine Reihe von Petitionsvorlagen abgestimmt:

Petitionen: Das Parlament stimmte sechs Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen zu, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 98 bis 103 (20/189820/1899, 20/1900, 20/1901, 20/1902, 20/1903).

Vererbung digitalen Eigentums rechtssicher gestalten

Darunter befand sich auch eine Petition, in der eine Änderung des Erbrechts gefordert wurde. Digitale Benutzerkonten und Nutzungslizenzen an digitalen Inhalten sollen im Todesfall in die Erbmasse fallen und an die Erben übergehen, hieß es in der öffentlichen Eingabe (ID 77201).

Anbieter von Online-Bibliotheken würden sich in der Regel unter Verweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Nutzungsbestimmungen weigern, erworbene Lizenzen für Musik, Filme, Serien und Computerspiele an die Erben zu übergeben, schreibt der Petent. Dabei sollten seiner Auffassung nach „digitale Besitztümer“ in einer digitalen Welt denselben rechtlichen Stellenwert haben wie „analoge Besitztümer“. Außerdem seien die Benutzerkonten in sozialen Medien für die Erben und Hinterbliebenen von besonderem Wert, „da so Gründe für einen eventuellen Suizid zum Vorschein treten könnten“. Daher solle ein digitales Erbrecht eingeführt werden.

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses vom 18. Mai verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sah vor, die Petition dem Bundesministerium der Justiz als Material zu überweisen, „soweit Vererbbarkeit des digitalen Eigentums rechtssicher gesetzlich geregelt werden soll“ sowie das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition mit der erwähnten Einschränkung „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.

Universalsukzession auf Online-Accounts

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verwies der Ausschuss auf den Streit um das digitale Erbe eines 2012 in einem Berliner U-Bahnhof verstorbenen 15‑jährigen Mädchens. Facebook hatte das Konto des Mädchens nach Mitteilung von dessen Tod in den „Gedenkzustand“ versetzt. Ein Zugang zum Nutzer-Konto sei den erbenden Eltern auch mit den zutreffenden Zugangsdaten nicht mehr möglich gewesen. Die Erben begehrten jedoch Zugriff auf die Inhalte, um zu erfahren, ob die Tochter vor ihrem Tod Suizid-Gedanken hegte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) habe schließlich entschieden, dass Facebook den erbenden Eltern einen direkten Zugriff auf das gesperrte Konto der Verstorbenen ermöglichen muss. Den Erben stünde das gleiche Einsichtsrecht in das Konto zu wie der Erblasserin selbst. Lediglich die aktive Nutzung des Nutzer-Kontos sei Erben untersagt, heißt es in der Beschlussempfehlung. Der BGH habe damit den Grundsatz der Universalsukzession (Übergang des gesamten Vermögens des Erblassers auf den Erben oder die Erben) auf Online-Accounts für uneingeschränkt anwendbar erklärt.

Mehr Klarheit bei der Herausgabe des digitalen Nachlasses

Was den Übergang von Nutzungslizenzen an digitalen Inhalten im Todesfall in die Erbmasse angeht, machen die Abgeordneten darauf aufmerksam, dass verschiedene Anbieter von E-Books, Musik- und Videodownloads in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorsähen, „dass das Nutzungsrecht an den digitalen Inhalten allgemein nicht übertragbar ist“. Allerdings regelten lediglich ganz vereinzelt Anbieter in ihren AGB weitergehend, dass mit dem Tod des Nutzers dessen Nutzungsrecht erlischt, also nicht auf Erben übergehen kann.

„Eine Benachteiligung der Vertragspartner des Dienstanbieters durch solche Klauseln mit der Folge der Unwirksamkeit wurde bisher durch deutsche Gerichte nicht festgestellt“, hieß es in der Vorlage. Gleichwohl hält der Petitionsausschuss das Anliegen der Petition, durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung mehr Klarheit bei der Herausgabe des digitalen Nachlasses zu schaffen, für „durchaus bedenkenswert“.

(hau/eis/02.06.2022)

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