Forschung

Experten sehen Verbesserungs­bedarf bei Startup-Förderung

Ein Smartphone mit futuristischen Zeichen wird vor Stühlen und Tischen mit PCs gehalten.

Der Bildungs- und Forschungsausschuss befasste sich mit Fragen des Wissenschaftstransfers. (© picture alliance / PantherMedia | Futuristic overlay)

Über das Thema „Transfer von der Wissenschaft in die Praxis“ hat sich der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung mit Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft am Mittwoch, 22. Juni 2022, beraten. Die Sitzung hatte die Form eines öffentlichen Fachaustauschs, in dem es im Gegensatz zu einer Anhörung nicht um einen konkreten Gesetzentwurf oder Antrag geht. In seiner Begrüßung nannte der Ausschussvorsitzende Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) den Transfer von den Hochschulen in die Praxis „mit Forschung und Lehre eine der wesentlichen Leistungsdimensionen unseres Wissenschaftssystems“.

Großen Raum in dem Austausch nahm die von den Koalitionsparteien beabsichtigte Gründung einer Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) ein. Sie solle „soziale und technologische Innovationen“ insbesondere an den Fachhochschulen sowie kleinen und mittleren Universitäten in Zusammenarbeit mit Startups, kleinen und mittleren Unternehmen sowie sozialen und öffentlichen Organisationen fördern, heißt es in der Koalitionsvereinbarung. Die SPD-Abgeordnete Ye-One Rhie stellte einen Gesetzentwurf zur DATI noch vor Jahresende in Aussicht.

Experte mahnt zu Umdenken in Hochschulen

Prof. Dr. Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda sowie Sprecher der Mitgliedergruppe der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) und Fachhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz, begrüßte die beabsichtigte Gründung der DATI als Erfüllung eines langgehegten Wunsches. Schon jetzt pflegten die HAWs einschließlich der Fachhochschulen viele Kontakte zu kleinen und mittleren Unternehmen, Krankenhäusern und vielen anderen Einrichtungen, seien aber bei der Startup-Förderung bisher im Nachteil gegenüber Universitäten. Khazar äußerte den Wunsch, dass schon nächstes Jahr die Ausschreibungen für DATI laufen können, und warf den Betrag von etwa einer Milliarde Euro in den Raum, der erforderlich sei, um „das Ganze ins Laufen zu bringen“.

Stefan Drüssler, Geschäftsführer der von der Technischen Universität München getragenen Gesellschaft zur Gründer-Förderung „UnternehmerTUM“, wies darauf hin, dass Deutschland „wahnsinnig stark in der Forschung“ sei, es aber noch Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung der Ergebnisse „in skalierbare Unternehmen“ gebe, also in Gründungen mit Wachstumspotential. Drüssler hält dafür neben politischer Förderung auch ein Umdenken in den Hochschulen selbst für erforderlich. Für sie müsse Gründung ebenso wichtig werden wie Forschung und Lehre.

„Nur einer von 30 Wissenschaftlern wagt Schritt in die Selbständigkeit“

In dieselbe Kerbe hieb der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutsche Startups, Christoph Stresing. In Deutschland erschienen etwa gleich viele wissenschaftliche Publikationen pro tausend Einwohner wie in den USA, bei der Zahl von Ausgründungen aus den Hochschulen dagegen liege die Bundesrepublik weit zurück. Nur etwa einer von 30 Wissenschaftlern hierzulande wage den Schritt in die Selbständigkeit. Stresing lenkte das Augenmerk auch darauf, dass es vor allem ausländische Investoren seien, die sich in deutschen Startups engagieren und damit am Ende auch die Erträge einfahren.

Von Laura Kraft (Bündnis 90/Die Grünen) auf mangelnde Diversität der Gründerszene und insbesondere einen Frauenanteil von nur 16 Prozent angesprochen wies Stresing darauf hin, dass Deutschland damit Potential verschenke. Sein Verband bemühe sich gezielt um Förderung, was sich auch in einem hohen Frauenanteil im Vorstand widerspiegele. Hier seien aber auch die Hochschulen gefordert. Karim Khakzar wies darauf hin, dass an den HAW der Anteil von Studierenden aus Nichtakademiker-Familien wesentlich höher sei als an den Universitäten und viele von ihnen danach in die Selbständigkeit gingen.

„Mehr Freiheit in der Wachstumsphase“

Auf ein besonderes Problem wies Professor Dr. Alexander Kurz hin, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft, einer nicht-universitären öffentlichen Forschungseinrichtung im Technologiebereich. Für Ausgründungen sei der Übergang von der Förderphase zur profitablen Tätigkeit dadurch erschwert, dass dann Lizenz- und Patentgebühren eingefordert werden. Die Einrichtungen, aus denen die Startups hervorgegangen sind, bräuchten daher mehr Freiheit, auch in der Wachstumsphase engagiert zu bleiben, etwa über eine Minderheitsbeteiligung.

Unterstützung bekam die von Prof. Dr. Michael Kaufmann (AfD) und Petra Sitte (Die Linke) erhobene Forderung, vor dem Hintergrund der DATI-Gründung die Vielzahl bestehender Förderinstrumente zu evaluieren. Karim Khakzar wies darauf hin, dass die Hochschulrektorenkonferenz eine solche Evaluierung ausdrücklich fordere. (pst/22.06.2022)