Geschichte

Vor 25 Jahren: Der Bundestag verabschiedet das Transplantationsgesetz

Ein Organspendeausweis beim Tag der Organspende, vor dem Modell eines menschlichen Torso.

Mit der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes vor 25 Jahren schuf der Bundestag eine umfassende Rechtsgrundlage für Organtransplantationen in Deutschland. (picture alliance / dpa | Daniel Maurer)

Organtransplantationen gehören heute zum Standard der medizinischen Versorgung. Vielen schwerkranken Menschen kann damit das Leben gerettet oder die Krankheit weitgehend geheilt oder gelindert und so die Lebensqualität entscheidend verbessert werden. Vor 25 Jahren, am Mittwoch, 25. Juni 1997, schuf der Deutsche Bundestag mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz – TPG) eine einheitliche gesetzliche Grundlage. Mit großer parteiübergreifender Mehrheit votierten in namentlicher Abstimmung 449 von 629 Parlamentarier für den Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und FDP (13/4368), 151 stimmten dagegen, 29 enthielten sich. Mehrheitlich abgelehnt wurde der Gesetzentwurf der Abgeordneten Monika Knoche, Gerald Häfner und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (13/2926). Nachdem drei Monate später auch der Bundesrat dem Transplantationsgesetz zugestimmt hatte, trat es am Montag, 1. Dezember 1997, in Kraft.

Bis dahin waren – im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten – die rechtlichen Voraussetzungen für die Spende und Entnahme von menschlichen Organen, Organteilen und Geweben zum Zwecke der Transplantation in der Bundesrepublik Deutschland nicht spezialgesetzlich geregelt, sondern bestimmten sich nach allgemeinen Regeln und Grundsätzen. Wichtige medizinische, ärztliche, ethische und juristische Grundsätze bei Organtransplantationen waren im Transplantationskodex zusammengefasst, den sich die deutschen Transplantationszentren im Jahre 1987 gegeben und zu dessen Einhaltung sie sich selbst verpflichtet hatten.

Rechtssicherheit für alle Beteiligten

Das Transplantationsgesetz sollte nach jahrzehntelangen Diskussionen die notwendige Rechtssicherheit für Spender, Empfänger und alle an der Organentnahme Beteiligten schaffen, Organhandel verhindern und durch bundesweit einheitliche Vorgaben Transparenz und Chancengleichheit unter allen Organempfängern herstellen. Besonders intensiv diskutiert wurde dabei die Art der Zustimmungsregelung.

Ein im Jahr 1978 vom Bundesministerium der Justiz unter Verantwortung von Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD) erarbeiteter erster Entwurf für eine bundeseinheitliche Regelung der Organentnahme war wegen der Bedenken des Bundesrates gescheitert. Nach dem damaligen Gesetzentwurf sollte eine Organentnahme zulässig sein, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten nicht widersprochen hat.

Erweiterte Zustimmungslösung

Nach dem nun verabschiedeten Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP  (13/4355, 13/8017, 13/8027) war eine Organentnahme nach der sogenannten erweiterten Zustimmungslösung nur dann zulässig, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eingewilligt hat oder, falls keine derartige Zustimmung vorliegt, die gesetzlich bestimmten Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entscheiden (Paragraf 3 und 4 TPG).

Die sogenannte enge Zustimmungslösung, nach der bei fehlender individueller Erklärung keine Organentnahme erfolgen kann, fand keine Mehrheit. Voraussetzung für eine Organentnahme nach der sogenannten erweiterten Zustimmungslösung ist die Feststellung des Todes durch zwei unabhängige Ärzte, das heißt, dass keinerlei Hirnfunktionen mehr nachgewiesen werden können. Kriterium für den Tod eines Menschen ist danach der endgültige, nicht behebbare Ausfall aller Hirnfunktionen. Paragraf 3 Absatz 2 Nummer 2 TPG regelt deshalb für die Entnahme von Organen, dass bei dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms festgestellt wurde. 

„Wann ist der Mensch tot?“

Nicht nur die Art der Zustimmungsregelung wurde intensiv diskutiert. Vor allem die Frage: „Wann ist der Mensch tot?“, bestimmte die Diskussion. „Es wäre vermessen, anzunehmen, dass wir das, was so kompliziert ist, eindeutig machen könnten“, konstatierte Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth. Die Grünen warnten davor, einen neuen Todesbegriff zu definieren. Es dürfe nicht dazu kommen, „dass wegen neuer Möglichkeiten der Medizin das traditionelle Todesverständnis verändert wird“, sagte Monika Knoche (Bündnis 90/Die Grünen). Dadurch bestünde die Gefahr, dass die Grenzen des Ethischen zugunsten zweckrationaler Erwägungen aufgeweicht würden. „Sind wir in der Lage, die Menschenwürde in allen Zuständen zu wahren und bei dieser Therapie das alte Verständnis vom Menschen als Zweck und Sinn durch sich zu unterstreichen?“, fragte sie.

Horst Seehofer (CSU), damaliger Bundesgesundheitsminister und Mitinitiator der erweiterten Zustimmungslösung (13/4368, 13/8027) wies die Bedenken zurück. „Die Kriterien für die Feststellung des Todes“ seien von Medizinern zu definieren, nicht von der Politik. Die eindeutige Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer vom 9. Mai 1997 dazu zitierte der Mediziner Dr. Hansjörg Schäfer (SPD): „Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Dabei wird durch kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten. Die Diagnose des Hirntodes erfordert: die Erfüllung der Voraussetzungen, die Feststellung der klinischen Symptome, die Bewusstlosigkeit, Hirnstammareflexie und Atemstillstand sowie den Nachweis der Irreversibilität der klinischen Ausfallsymptome.“

Nach fünfstündiger Debatte einigte sich schließlich eine große parteiübergreifende Mehrheit von 422 Abgeordneten in einer fraktionsoffenen namentlichen Abstimmung: Diagnostizieren zwei Ärzte unabhängig voneinander den nicht mehr rückgängig zu machenden kompletten Ausfall des Hirns, so ist der Mensch nach dem Gesetz tot (13/4368, 13/8027).

Regelungsbereich des Transplantationsgesetzes

Das Transplantationsgesetz von 1997 regelt nach der sogenannten „erweiterten Zustimmungslösung“ den rechtlichen und ethischen Handlungsrahmen einer Organtransplantation. Es regelt die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen, die nach dem Tod oder zu Lebzeiten gespendet werden. An erster Stelle steht dabei die ausdrückliche Zustimmung des Spenders zu Lebzeiten. Nur wenn diese fehlt, ermöglicht das Gesetz eine Zustimmung durch Angehörige, nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen.

Darüber hinaus regelt es die Verteilung von Spenderorganen. Entscheidend für den Erhalt eines Spenderorgans ist allein die Schwere der Erkrankung, die Erfolgsaussichten und der Platz auf der Warteliste. Das Handeltreiben mit menschlichen Organen sowie unrechtmäßiges ärztliches Handeln bei der Organentnahme und -übertragung sind verboten und stehen unter Strafe.

Entscheidungslösung

Am Freitag, 25. Mai 2012, hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit für einen überfraktionellen Gesetzentwurf (17/9030, 17/9774) zur Entscheidungslösung bei Organspenden und zur Änderung des Transplantationsgesetzes gestimmt und damit zum 1. November 2012 die bis dahin geltende erweiterte Zustimmungslösung durch die Entscheidungslösung ersetzt. Danach sollen alle Bundesbürger ihre eigene Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende auf Grundlage fundierter Informationen prüfen und schriftlich festhalten.

Dazu sollen alle Versicherten von ihren Krankenkassen intensiv über das Thema Organspende informiert werden. Diese stellen ihren Versicherten alle zwei Jahre einen Organspendeausweis und Informationsmaterial zur Verfügung, verbunden mit der Aufforderung seine persönliche Entscheidung schriftlich festzuhalten. Niemand ist jedoch verpflichtet sich zu entscheiden. Nach wie vor hat der Wille des Verstorbenen zu Lebzeiten Vorrang. Ist diese persönliche Entscheidung nicht dokumentiert oder bekannt, entscheiden die nächsten Angehörigen auf Grundlage des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen.

Erleichterung von Organspenden

Mit dem Ziel Organspenden zu erleichtern hat der Bundestag am Donnerstag, 14. Februar 2019, einer weiteren Änderung des Transplantationsgesetzes zugestimmt. Der Entwurf der Bundesregierung eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ (19/6915) wurde in geänderter Fassung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der AfD-Fraktion angenommen.

Mit dem Gesetz sollen die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern beziehungsweise für die Entnahmekrankenhäuser geschaffen werden, um die Organspendezahlen dauerhaft zu erhöhen.

Einführung eines Online-Registers

Am 1. März 2022 ist das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in Kraft getreten. Den Gesetzentwurf einer Gruppe von 194 Abgeordneten um Annalena Baerbock und Karin Maag (19/11087) hatte der Bundestag am Donnerstag, 16. Januar 2020 angenommen. In einer fraktionsoffenen namentlichen Abstimmung stimmten 432 Abgeordnete in dritter Beratung für die sogenannte Entscheidungslösung. 200 Abgeordnete stimmten dagegen, es gab 37 Enthaltungen. Damit wurde beschlossen, dass die Abgabe einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende künftig auch in Ausweisstellen möglich ist.

Ferner ist vorgesehen, dass die Hausärzte ihre Patienten regelmäßig zur Eintragung in das zu errichtende Online-Register ermutigen sollen. Bürger sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Entscheidung einfach zu dokumentieren, jederzeit zu ändern und zu widerrufen. Dazu soll ein bundesweites Online-Register eingerichtet werden. Nicht durchsetzen konnte sich die Widerspruchsregelung nach der jeder Bürger als möglicher Organspender gelten sollte, der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt hat beziehungsweise von dem kein entgegenstehender Wille (mündlich oder schriftlich) bekannt ist. (klz/17.06.2022)

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