Bundestag besorgt über Inflationsentwicklung
In Geschäften, Restaurants, an Tankstellen sowie bei Heizkosten und Strompreisen: Überall klettern die Preise im Eiltempo. Die Inflation begann zwar schon lange vor dem Ukraine-Krieg, „aber die Auswirkungen dieses Krieges beschleunigen diese Entwicklung“, erklärte Dr. Michael Meister (CDU/CSU) in einer Debatte des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 12. Mai 2022, über die Preisentwicklung.
CDU/CSU: Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten
Man sehe noch nicht einmal die volle Wirkung der Inflation, weil viele Preise noch über Lieferträge für bestimmte Zeiträume gebunden seien. Und wer privat für das Alter sorge, erlebe gerade, wie sein Erspartes entwertet werde „Seit 40 Jahren haben wir keine solche Entwicklung in Deutschland erlebt, und deshalb müssen wir dringend dagegen arbeiten“, forderte Meister. Die CDU/CSU hatte dazu einen Antrag (20/1724) eingebracht, in dem ein Schutzschirm gegen die Inflation verlangt wird. Die Vorlage wurde im Anschluss der Debatte zur Federführung an den Finanzausschuss überwiesen.
Meister sagte, die Union respektiere die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). Aber die EZB habe auch das Mandat der Preisstabilität. „Wir erwarten, dass die Zentralbank dieses Mandat in dieser außergewöhnlichen Situation entschlossen, kraftvoll und zeitnah wahrnimmt“, sagte Meister. Daneben gebe es eine Verantwortung der Bundesregierung für die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die Regierung müsse die Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten. Auf europäischer Ebene müsse der Stabilitäts- und Wachstumspakt ab 2023 wieder in Kraft gesetzt werden.
SPD verweist auf die jüngsten Entlastungspakete
Verena Hubertz (SPD) erklärte, der Unionsantrag „atmet Angst“. Es gebe Angst vor Krieg, Angst vor Inflation, Angst vor Wohlstandsverlust. Offenbar habe die CDU/CSU nicht mitbekommen, was die Regierung unternehme, sagte Hubertz mit Blick auf die jüngsten Entlastungspakete.
Eine weitere Chance bestehe darin, von den knappen und teuren fossilen Energieträgern wegzukommen. Wenn die Union jetzt fordere, einerseits die Steuern zu senken und andererseits die Schuldenbremse einzuhalten, sei das ein Widerspruch „par excellence“.
AfD fordert Ausgleich der kalten Progression
Für Kay Gottschalk (AfD) leidet die CDU/CSU an kollektiver Amnesie. So sei die Pendlerpauschale seit 2004 nicht mehr erhöht worden, von einem Steuertarif auf Rädern zum Ausgleich der kalten Progression wolle die Union nichts wissen.
Die Union habe die CO2-Abgabe und den Ausstieg aus der Atomenergie mitgetragen. „Euro-Rettung und Negativzinsen gehen auf Ihr Konto“, rief Gottschalk. Die aktuelle EZB-Geldpolitik müsse von Sparern, Rentnern und Menschen mit geringem Einkommen bezahlt werden.
Grüne: Gute Wertschöpfungsketten entwickeln
Besorgt über die Inflationsrate von 7,3 Prozent zeigte sich Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen). Im Alltag der Menschen sei die Inflation „unfassbar hoch“. Strukturelle Probleme gebe es aber schon lange im Immobilienbereich, jetzt an den Zapfsäulen und nächstes Jahr bei den Heizkostenabrechnungen.
Derzeit würden externe Schocks hinzukommen wie durch den Ukraine-Krieg. Da greife die rein geldpolitische Analyse der CDU/CSU-Fraktion zu kurz. Beck verwies auf die Entlastungspakete der Koalition. Die Zukunft liege aber nicht darin, nur abzufedern, sondern es müssten „gute Wertschöpfungsketten“ entwickelt werden.
Linke fordert gesetzlichen Preisdeckel für Energie
Diese höchste Inflation seit 40 Jahren sei doch nicht vom Himmel gefallen, stellte Dr. Sahra Wagenknecht (Die Linke) fest. Sie sei auch nicht nur Ergebnis des Ukraine-Kriegs, „sondern Ergebnis eines eklatanten Politik-Versagens in diesem Land“. So sei der Diesel-Preis nirgendwo in der EU so stark gestiegen wie in Deutschland. Wenn Preise steigen würden, würden nicht alle ärmer, wie der Wirtschaftsminister meine:
„Wenn Preise steigen, dann werden durchaus nicht alle ärmer, sondern es werden auch einige reicher.“ Allein im März hätten die Ölkonzerne in Deutschland zusätzliche Gewinne von 1,2 Milliarden Euro gemacht. Bei Gas würden vor allem die Zwischenhändler absahnen. „Einige machen schamlos Reibach mit dem Krieg, und die Regierung schaut zu. Ich finde das empörend“, so Wagenknecht. In anderen Ländern gebe es inzwischen gesetzliche Preisdeckel für Energie. Die deutsche Regierung wolle dagegen durch ein Ölembargo gegen Russland die Preise noch weiter nach oben treiben. Die Sanktionspolitik schade Deutschland mehr als Putin; der Euro verliere an Wert, während der russische Rubel steige.
FDP verspricht 67 Milliarden Euro Entlastungsmaßnahmen
Markus Herbrand (FDP) nannte die Inflation ein wichtiges Thema, bezeichnete den Antrag der Union aber als unseriös, weil darin die Entlastungsmaßnahmen der Koalition verschwiegen würden und verschwiegen werde, wie die geforderten Steuerentlastungen finanziert werden sollten.
Die Ampelkoalition setze für den Rest der Legislaturperiode rund 67 Milliarden Euro „für nachhaltige, soziale und zukunftsweisende Entlastungsmaßnahmen um, die natürlich die Inflation abfedern“, sagte Herbrand.
Gesetzentwurf der Unionsfraktion
Die CDU/CSU-Fraktion verlangt in ihrem Antrag, die kalte Progression komplett zu neutralisieren und dazu den Einkommensteuertarif an die Preisentwicklung anzupassen. Um den Preisdruck bei Energieerzeugnissen zu senken, sollen auch diejenigen Bürger, die bisher nicht in den Genuss der Energiepauschale kommen wie zum Beispiel Studenten, Rentner und junge Familien, von Entlastungsmaßnahmen profitieren. Auch Pendler sollen dauerhaft entlastet werden.
Durch eine Erweiterung des Angebots soll der Preisdruck besonders bei Verbrauchsgütern reduziert werden. Dazu müssten bereits verhandelte Handelsabkommen wie CETA umgesetzt und neue Handelsabkommen insbesondere mit den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien, Neuseeland und südamerikanischen Ländern geschlossen werden. Außerdem soll die von der EU geplante Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen zurückgenommen werden. Die Flächen sollen für Futter- und Nahrungsmittelproduktion freigegeben werden. Zuletzt verlangt die CDU/CSU-Fraktion, die grundgesetzliche Schuldenbremse ab dem nächsten Jahr wieder einzuhalten sowie auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt wieder in Kraft gesetzt und durchgesetzt wird. Die CDU/CSU-Fraktion erklärt in dem Antrag, sie stehe fest zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). Dies setze aber voraus, dass die Europäische Zentralbank ihren Stabilitätsauftrag ernst nehme und auch ernsthaft verfolge. „Die gegenwärtige EZB-Politik ist der Lage nicht angemessen“, wird kritisiert. (hle/12.05.2022)