Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne vorangehende Debatte hat der Bundestag am Donnerstag, 29. September 2022, über eine Reihe von Vorlagen entschieden:
Fischerei: Gegen die Stimmen von Union und AfD bei Enthaltung der Linksfraktion wies der Bundestag einen CDU/CSU-Antrag mit dem Titel „Schnelle und wirksame Hilfen zur Rettung der Deutschen Fischerei“ zurück (20/1340). Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hatte hierzu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (20/3634). Die Unionsabgeordneten forderten vor allem finanzielle Unterstützung, so sprachen sie sich für Energiekostenzuschüsse aus, die eine „schnelle und wirksame Hilfe zur Rettung der Deutschen Fischerei“ darstellen. Zudem sollten Crew-Mitglieder, Angestellte und selbstständige Betriebsleiter zur Sicherung der vorhandenen Produktionskapazitäten sozial abgesichert werden und „sämtliche bürokratische Hindernisse“ ausgeräumt werden. Ohne diese Sofortmaßnahmen werde es in wenigen Wochen keine deutsche Meeresfischerei mehr geben, hieß es in dem Antrag.
BAföG: Einen AfD-Antrag mit dem Titel „BAföG zu einer bürokratiearmen und gerechten Sozialleistung für Schüler und Studenten aus einkommensschwachen Familien weiterentwickeln“ lehnte das Parlament mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen ab (20/2368). Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses zugrunde (20/3589). Der Entwurf der Bundesregierung zum 27.BAföG-Änderungsgesetz (20/1631) widerspricht aus Sicht der AfD-Fraktion den Grundsätzen des BAföG. Daher forderte die Fraktion die Überarbeitung des Gesetzentwurfes. Dieser würde den „Kreis der Förderberechtigten“ auch auf Personen ausweiten, die ein Studium auch aus eigener Kraft finanzieren könnten oder deren Eltern über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Die Antragsteller forderten daher unter anderem, dass der Vermögensfreibetrag sich lediglich von bisher 8.200 Euro auf 8.500 Euro erhöhen soll und die Altersgrenze von 30 Jahren bestehen bleibt.
Gemeinsame Agrarpolitik: Ein weiterer Antrag der AfD mit dem Titel „Dringend erforderliche Anpassungen der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023“ (20/2588) wurde ebenfalls mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Dazu hatte der Landwirtschaftsausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt (20/3636). Vor allem geht es bei der Nachbesserung des GAP-Strategieplans darum, sich an Maßnahmen europäischer Nachbarländer zu orientieren und „grundsätzlich auf nationale Sonderwege zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu verzichten“, so das Papier. Hintergrund war die Regelung, dass ab dem Jahr 2023 Landwirte im Zeitraum vom 1. Dezember des Antragsjahres bis zum 15. Januar des darauffolgenden Jahres eine Mindestbodenbedeckung auf Ackerland sicherstellen müssen, was insbesondere durch mehrjährige Kulturen, Winterkulturen, Zwischenfrüchte, Getreidestoppelbrachen (ohne Mais) oder sonstige Begrünungen sowie Mulchauflagen erfolgen soll.
Völkermord an den Jesiden: Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen wies der Bundestag außerdem einen Antrag der AfD mit dem Titel „Anerkennung und Verurteilung des Völkermordes an den Jesiden“ (20/2033) zurück. Der Menschenrechtsausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (20/3685) vorgelegt. Die AfD-Abgeordneten forderten die Bundesregierung auf, „den Völkermord an den Jesiden im August 2014 anzuerkennen“ und sich auch für eine entsprechende UN-Resolution einzusetzen. Außerdem sollte sie die „Taten des Islamischen Staates (IS) beim Völkermord an den Jesiden und all derer, die den IS dabei unterstützt haben, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilen.
Taxonomie: Gegen die Stimmen der Antragsteller wies das Parlament die Forderung der Linksfraktion zurück, die Bundesregierung solle sich auf EU-Ebene „mit äußerstem Nachdruck“ dafür einsetzen, dass die Atomkraft nicht als nachhaltige Technologie in die EU-Taxonomie aufgenommen wird. In ihrem Antrag (20/402) forderte die Fraktion, der vorgelegte Entwurf für einen delegierten Rechtsakt zur Ergänzung der Taxonomie-Verordnung müsse vom EU-Rat abgelehnt werden. Das Vorgehen der Bundesregierung dürfe sich in Anbetracht der aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Rat nicht nur in Abstimmungsverhalten sowie in Erklärungen erschöpfen, dass Deutschland in der Atomkraft keine nachhaltige Technologie sehe. Stattdessen müsse die Bundesregierung insbesondere die Positionen der Regierungen von Österreich und Luxemburg nachdrücklich unterstützen und sich ebenfalls aktiv an der Organisation einer Ratsmehrheit für eine Ablehnung des Kommissionsvorschlags beteiligen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zugrunde (20/3720).
Deutsche in der Ukraine: Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen wies der Bundestag einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Deutsche Minderheit in der Ukraine – Unserer Verantwortung gerecht werden“ zurück (20/3695). Danach sollte die Bundesregierung „geeignete Mittel der Evakuierung“ für reiseunfähige Angehörige der deutschen Minderheit in der Ukraine organisieren. Zugleich forderte die Fraktion, „dass die deutschen diplomatischen Vertretungen flüchtende Angehörige der deutschen Minderheit aus der Ukraine, die reisefähig sind, aber Hilfe benötigen, um das Aufnahmelager in Friedland zu erreichen, hinreichend unterstützen“. Ferner sollte die Bundesregierung dem Antrag zufolge Wege finden, auch den Angehörigen der deutschen Minderheit in von russischen Truppen kontrollierten Teilen der Ukraine Hilfe zukommen zu lassen, beispielsweise über die deutschen Vertretungen in der Russischen Föderation. Das Bundesverwaltungsamt sollte laut Vorlage aufgefordert werden, die Härtefallregelung für Menschen, die eine Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz anstreben, beizubehalten und Verfahren für eine unbürokratischere Handhabung zu entwickeln
Petitionen: Darüber hinaus stimmte das Parlament über 12 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen zu, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 151 bis 162 (20/3571, 20/3572, 20/3573, 20/3574, 20/3575, 20/3576, 20/3577, 20/3578, 20/3579, 20/3580, 20/3581, 20/3582).
Digitales Wählerverzeichnis für Auslandsdeutsche
Darunter befand sich auch eine Eingabe mit der Forderung nach Vereinfachung der Teilnahme an der Bundestagswahl für im Ausland lebende Deutsche, indem die Registrierung in das Wählerverzeichnis auf digitalem Wege ermöglicht wird. Deutsche mit ausländischem Wohnsitz ohne Anmeldung in Deutschland, müssten sich zu jeder Bundestagswahl in das Wahlregister neu einschreiben, schreibt der in den Niederlanden lebende Petent in seiner öffentlichen Petition (ID 125269). Dies geschehe normalerweise im Wahlkreis des letzten deutschen Wohnortes. Die Einschreibung sei nur gültig, wenn das entsprechende Formular auf Papier ausgedruckt und unterschrieben per Post zum entsprechenden Wahllokal geschickt werde.
Aus Sicht des Petenten ist es an der Zeit, „die Digitalisierung auch in diesem Bereich möglich zu machen“. Inzwischen könnten geschützte digital unterschriebene Dokumente per E-Mail versandt werden. „Es sollte doch dann möglich sein, über geschützte Anhänge die Einschreibung zu machen“, heißt es in der Petition.
Wahlberechtigte unterliegen nicht der Meldepflicht
Die vom Petitionsausschuss in der Sitzung am 21. September 2022 verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition „den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben“. Zur Begründung weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass Wahlberechtigte im Ausland - wie in Deutschland wohnhafte Wahlberechtigte - zu jeder Wahl neu in das jeweilige Wählerverzeichnis eingetragen werden müssen, „weil sich in der Zwischenzeit zur letzten Wahl die Erfüllung der Wahlrechtsvoraussetzungen oder der Wohnsitz der wahlberechtigten Person geändert haben können“.
Bei in Deutschland wohnhaften Personen werde dieser Prozess dadurch erleichtert, dass die Eintragung in das Wählerverzeichnis automatisch aus den Melderegistern der Gemeinden erfolgen kann. Deutsche Wahlberechtigte im Ausland unterlägen aber nicht der Meldepflicht bezüglich der deutschen Melderegister und seien in den deutschen Melderegistern nicht erfasst. Ihre Eintragung in das jeweilige Wählerverzeichnis könne daher nicht von Amts wegen im automatisierten Verfahren aus den Melderegistern erfolgen.
Noch kein sicherer Übertragungsweg gefunden
Sowohl im Hinblick auf die Europawahl 2019 als auch für die Bundestagswahl 2021 sei von der Bundesregierung eine Digitalisierung bei der Antragstellung zu Verkürzung der Postlaufzeiten, insbesondere bei Auslandsdeutschen in Ländern mit schlechter Postverbindung nach Deutschland angestrebt worden, heißt es weiter.
Entsprechende Pläne hätten jedoch bisher nicht realisiert werden können, weil ein sicherer Übertragungsweg mit der verfügbaren Technik nach der Begutachtung durch das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) nicht zur Verfügung stand, schreiben die Abgeordneten unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Bundesregierung. Der Bundeswahlleiter, so heißt es weiter, arbeite derzeit daran, bis zur Europawahl 2024 eine die Sicherheitsanforderungen erfüllende Plattform für den Informationsaustausch zu entwickeln. (hau/ste/irs/29.09.2022)