Regierung will Bundeswehreinsatz im Irak fortführen
Das Parlament hat am Freitag, 14. Oktober 2022, in erster Lesung über einen Antrag mit dem Titel „Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern“ (20/3818) beraten. Die Vorlage wurde im Anschluss der Debatte an den federführenden Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Der Aussprache lag zudem ein Bericht der Bundesregierung zur Überprüfung des Einsatzes (20/3885) zugrunde.
Aktuelles Mandat läuft noch bis zum 31. Oktober 2022
Vorgesehen ist demnach die Entsendung von wie bisher bis zu 500 Bundeswehrsoldaten, die die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte ausbilden und beraten und unter anderem Aufgaben wie Lufttransport, See- und Luftraumüberwachung sowie Aufklärung und Lagebilderstellung übernehmen sollen.
Auch wenn die zusammenhängende territoriale Kontrolle des IS über Gebiete im Irak und in Syrien durch die internationale Anti-IS-Koalition und ihre regionalen Partner im März 2019 erfolgreich gebrochen worden sei, dauere der bewaffnete Angriff der Terrororganisation weiterhin an, schreibt die Bundesregierung. Der IS verfüge weiterhin im IS-Kerngebiet über die Ressourcen, militärische Mittel und den Willen, zeitlich und räumlich begrenzt eine territoriale Kontrolle auszuüben. Die Terrororganisation sei weiterhin „fähig und willens, Anschläge in Irak, Syrien und Europa sowie darüber hinaus zu verüben“.
Der deutsche Beitrag zum Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte sowie dazugehörige Unterstützungsleistungen werden den Angaben zufolge sowohl im Rahmen des Nato-Engagements im Irak als auch im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition (Operation Inherent Resolve, OIR) erbracht. Ausschließlich im Rahmen dieser Anti-IS-Koalition soll die Einsatzunterstützung durch Luftbetankung und bodengebundene Luftraumüberwachung erfolgen. Die Unterstützung mit Nato-Awacs-Flügen zur Luftüberwachung „wurde infolge des russischen Angriffskriegs umpriorisiert, und ist seitdem nicht mehr für OIR im Einsatz“, heißt es weiter. Dennoch bleibe die Aufgabe Teil des deutschen Mandats, um für den Fall der Wiederaufnahme mandatsrechtlich vorbereitet zu sein. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben beziffert die Bundesregierung für den Zeitraum vom 1. November 2022 bis 31. Oktober 2023 auf voraussichtlich insgesamt knapp 87 Millionen Euro.
Bericht zur Überprüfung des Einsatzes
Die Bundesregierung sieht Fortschritte bei der Bekämpfung „Islamischen Staates“ (IS) und bei der Stabilisierung des Iraks, hält es aber für notwendig, den deutschen Beitrag an der Nato Mission im Irak (NMI) und der Operation Inherent Resolve (OIR) fortzuführen. Das geht aus dem als Unterrichtung (20/3885) vorliegendem „Bericht zur Überprüfung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte - Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern“ hervor. Demnach konnten die Irakischen Streit- und Sicherheitskräfte (ISF) in den letzten Jahren auch durch die Unterstützung der Bundeswehr zunehmend befähigt werden, die Sicherheit im Land und die territoriale Unversehrtheit des Staates eigenverantwortlich zu gewährleisten. Die Anti-IS-Koalition habe hier - von der Ausbildung auf der taktischen Ebene bis hin zu Beratung bei Planung und Durchführung von teilstreitkraftübergreifenden Operationen unterstützt und so entscheidenden Anteil am Wiederaufbau und der Reprofessionalisierung der ISF gehabt, argumentiert die Bundesregierung.
Entwicklungen wie diese „dürfen auch in der Phase der weiterhin schwierigen irakischen Regierungsbildung nicht vorschnell durch eine Beendigung des internationalen Engagements im Rahmen von OIR gefährdet werden“, heißt es im Bericht weiter. Es bleibe im deutschen Interesse ein Wiedererstarken des IS und in Folge auch eine erneute Destabilisierung des Iraks zu verhindern. Als wichtigen Beitrag hebt die Bundesregierung unter anderem das durch Deutschland bereitgestellte bodengebundene Luftraumüberwachungsradar hervor, das in der Lage sei, Luftfahrzeuge bis zu einer Entfernung von 400 km und bis zu 30 km Höhe aufzufassen und zu begleiten sowie dabei Entfernung, Richtung und Höhe anzugeben. Die gewonnenen Daten seien maßgebliche Grundlage des Luftlagebildes der OIR. Weitere Schwerpunkte des deutschen Engagements seien unter anderem die deutsche Präsenz und die zivil-militärische Koordination in Erbil im Nordirak im Sinne des vernetzten Ansatzes sowie etwa auch Polizeiaufbau und Rückkehrförderung im Nordirak.
Völkerrechtliche Grundlagen
Ausführlich geht die Bundesregierung in ihrem Bericht auf die völkerrechtlichen Grundlagen ein, die sie bei beiden Einsätzen durch die Zustimmung der irakischen Regierung und das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der VN-Charta für gegeben sieht. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 17. September 2019, auch unter Berufung auf Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, festgestellt, dass Artikel 51 VN-Charta vertretbar auf Einsätze gegen nichtstaatliche Akteure wie IS anwendbar ist.
Die Bundesregierung habe sich im Januar 2022 dafür entschieden, das Einsatzgebiet auf Irak und auf solche Anrainerstaaten zu beschränken, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt. „Syrien wurde als Einsatzgebiet ausgenommen. Damit wurde Fragen aus dem Deutschen Bundestag nach der Rechtmäßigkeit des Einsatzes im Hoheitsgebiet Syriens Rechnung getragen.“
Einer Überführung des OIR-Einsatzes in eine Mission der Vereinten Nationen oder der Nato, wie es in der Vergangenheit zum Teil auch im parlamentarischen Raum diskutiert worden sei, stünden indes die derzeitige geopolitische Lage und regionalpolitische Konstellationen sowie die Ausrichtung des Einsatzes entgegen, schreibt die Bundesregierung. „Eine solche Überführung wird auch von unseren Verbündeten und Partnern nicht angestrebt und würde absehbar keine entsprechende Unterstützung erhalten.“ (ahe/14.10.2022)